Warum boomt Cannabis zur Zeit so sehr in Thailand?

Valentina Lentz
07 Jan 2023

Nachdem Cannabis im vergangenen Juni als Pflanze von der Liste der Betäubungsmittel gestrichen wurde, freuten sich viele über die neuen Möglichkeiten, registrierten sich als Farmer für Cannabis, growten zuhause oder eröffneten Geschäfte, Stände und Bars. Was eigentlich nur zur Erleichterung des Zugangs im Falle von medizinischer Verwendung gedacht war und neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen sollte, erweckte wohl auch den Eindruck, dass nun der Freizeitmarkt legal sei.


Nachdem Thailand bisher für eine rigide Drogenpolitik bekannt war, kamen nach der Coronakrise und dem damit einhergehenden Einbruch des Tourismus erneut Überlegungen auf, Cannabis zu entkriminalisieren, um die medizinische Verwendung zu erleichtern und dem Land eine neue Einkommensquelle zu eröffnen. Thailand ist somit das erste Land des asiatischen Raumes, das den Schritt zur Entkriminalisierung wählt. Es folgte die Streichung der Pflanze von der Liste der Betäubungsmittel im vergangenen Juni, eine Gesetzgebung, die den Gebrauch reguliert und den Missbrauch verhindert, blieb die Politik bisher aber schuldig.

Seither bemühen sich Politiker wie Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul immer wieder zu betonen, dass zwar die Pflanze an sich nicht mehr als Betäubungsmittel zählt, aber dennoch ausschließlich der Gebrauch von Extrakten mit einem THC-Wert unter 0,2% erlaubt sei. Es sei von Anfang an, um die medizinischen und ökonomischen Zwecke gegangen und nicht etwa um eine Liberalisierung des Freizeitkonsums. Doch aktuell bleibt die Grauzone und der Boom hat den Markt längst erreicht. Gerade für die jungen Menschen schaffen das Aufkommen der neuen Produkte und das Entstehen neuer Lieferketten vollkommen neue Möglichkeiten, nachdem ihnen das Einbrechen der Tourismusbranche, von der jeder fünfte Job abhängig ist, in den letzten Jahren so zugesetzt hat.

Die einen arbeiten in Dispensaries, andere bauen an oder verkaufen Zubehör. Neue Geschäfte, Bars, Produkte und Rezepte entstehen, wie beispielsweise die scharfe Sriracha-Sauce mit Cannabisblättern, welche die Küche bereichern. Zehntausende kleiner Farmer haben sich offiziell als Anbauer registrieren lassen, zahlreiche weitere growen ohne Genehmigung zuhause. Dazu kursiert in den Social Media Kanälen der Hashtag "saikiew", übersetzt auch "grüne Lebensweise", unter dem Produkte beworben und Tipps zum Thema geteilt werden.

Die Politiker stehen allerdings unter Druck dem Treiben ein Ende zu bereiten und den Freizeitkonsum zumindest einzuschränken, wenn nicht sogar komplett zu verbieten, sowie die Jugend zu schützen. Dabei sagen Experten dem Markt ohne eine Einschränkung schon bald einen Wert von mehreren Milliarden zu. Damit wächst im Land aber auch die Sorge, dass das große Geld schlussendlich wieder bei großen Firmen mit Landbesitz, Herstellern von High End Produkten sowie Besitzern von Wellnessresorts hängen bleibt und nicht wirklich das Volk als solches bereichert. Auch das Fluten des Marktes mit amerikanischen Sorten, nach denen die Nachfrage aktuell sehr hoch ist und deren illegale Importe zur Zeit etwa 70% der Verkäufe ausmachen, soll verhindert werden.

Nachdem der erste Entwurf zwar bewilligt, in Folge der auftretenden Problematik in Bezug auf den ungewollten Freizeitmarkt aber im September zur Überarbeitung zurückgezogen wurde, wird inzwischen wieder über eine mögliche Zurückstufung zum Betäubungsmittel der Kategorie 5 diskutiert. Dem entgegen stehen allerdings nicht nur Legalisierungsbefürworter, sondern auch Wissenschaftler, die um die Möglichkeit der medizinischen Verwendung fürchten. Diesbezüglich übergab die Association of Researchers of Thailand (ART) einen Brief mit 5000 Unterschriften, der sich gegen die Rückstufung und für den Vorschlag des Gesundheitsministeriums ausspricht.

Letzterer sieht eine Aufnahme der Knospen und Extrakte auf die Liste der kontrollierten Kräuter im Rahmen des thailändischen Gesetzes zum Schutz und zur Förderung der traditionellen Medizin vor. Der überarbeitete Gesetzesentwurf verbietet inzwischen auch ausdrücklich den Verkauf auf der Straße und insbesondere aus Fahrzeugen heraus. Insgesamt weicht er derart vom ursprünglichen Entwurf ab, dass Abgeordnete von Opposition und Demokraten sich inzwischen gegen das Gesetz aussprechen. Eine tatsächliche Rückstufung hätte schwere wirtschaftliche Folgen, denn mit ihr würden weder Kleinbauern, noch Gewerbetreibende bedacht und Konsumenten wieder kriminalisiert; Millionen von Menschen wären betroffen.

Um die Verwirrung um die tatsächlich vorherrschenden Regelungen etwas zu reduzieren, hat der Gesundheitsminister nun die Richtlinie "10 Dinge, die Touristen über Cannabis im Thailand wissen sollten" veröffentlicht und die Tourismusbüros um Verteilung gebeten. So dürfen über die Grenze weder Samen mitgebracht, noch mitgenommen werden. Der Anbau ist legal erfordert aber eine Registrierung. Auch in Bezug auf Blüten ist eine Erlaubnis erforderlich, wenn es um deren Erforschung, Export, Verkauf oder weitere Verarbeitung für kommerzielle Zwecke geht. Wer unter 20 ist, stillt oder schwanger ist, dem ist der Konsum - sofern nicht ärztlich verordnet und überwacht - untersagt.

Der Besitz von Extrakten mit mehr als 0,2% THC sowie synthetisches THC bedürfen einer Genehmigung. Außerdem dürfen Cannabisgerichte nur von autorisierten Restaurants serviert werden. Genehmigte cannabisbasierte Produkte für den medizinischen Gebrauch können auf offiziellem Wege gekauft werden, das Rauchen von Cannabis ist allerdings an öffentlichen Plätzen verboten. Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass das Fahren nach dem Konsum vermieden werden soll und bei Nebenwirkungen ein Arzt aufzusuchen ist.

Durch die Unstimmigkeiten ist es allerdings weiterhin unklar, ob das Gesetz überhaupt noch rechtzeitig verabschiedet werden kann, denn bereits am 7. Mai stehen die Parlamentswahlen an, bei denen sich auch entscheiden wird, ob Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha wiedergewählt wird und sich somit weitere 2 Jahre - bis Erreichen der maximal möglichen Amtszeit von 8 Jahren - im Amt halten kann. 

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Valentina Lentz