Das offizielle Eckpunktepapier ist da

Valentina Lentz
27 Oct 2022

Gestern Mittag war es endlich soweit, im Rahmen einer Pressekonferenz wurde das offizielle Eckpunktepapier zur Legalisierung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellt.


Wer noch den geleakten Entwurf von letzter Woche vor Augen hatte, der merkte im Verlauf der Pressekonferenz oder auch beim Lesen des 12-seitigen Dokuments recht schnell, dass im Eckpunktepapier doch noch einiges verändert worden war. Erfreulicherweise gehören dazu u.a. die Erhöhung des straffreien Besitzes auf 20 bis 30 Gramm, unabhängig von THC-Gehalt oder Herkunft, und des erlaubten Eigenanbaus auf bis zu 3 Pflanzen, sowie die Abschaffung der THC-Obergrenze. Letztere zumindest bei Erwachsenen ab 21 Jahren, eine Begrenzung für die Altersgruppe 18 bis 21 wird derzeit noch geprüft. Weitere noch zur Prüfung ausstehende Punkte sind beispielsweise der Konsum vor Ort, innerhalb der Fachgeschäfte, sowie die Einbeziehung der Apotheken in den Verkauf.

Während es mit dem Papier konkreter in Sachen Jugendschutz, Aufklärung und Prävention wurde, beispielsweise in Form von Präventionsarbeit, Beratungsangeboten, oder auch verschiedenen Auflagen für Abgabestellen und Konsum, blieben andere wichtige Themen wie die Frage nach der Einführung von Social Clubs oder dem Straßenverkehrsrecht vorerst ungeklärt. Bestenfalls, weil sie aktuell in Bezug auf das EU-Recht keine so große Rolle spielen, denn die Clubs gibt es bereits problemlos in mehreren europäischen Ländern und das Verkehrsrecht ist eine innerdeutsche Angelegenheit. Anbau und Vertrieb sollen künftig über die Vergabe von Lizenzen geregelt und kontrolliert werden, wobei die Voraussetzungen wie Sachkunde, Zuverlässigkeit oder Bonität sowie die genauen Konzepte noch zu erarbeiten sind. Bei Werbeverbot sowie Anwendung von Umsatzsteuer und Cannabissteuer wird es aber voraussichtlich bleiben. Interessant ist der zusätzliche Punkt zur Amnestie, der die Bundesländer vorab ermächtigt von der weiteren Verfolgung abzusehen und nach Verabschiedung des Gesetzes eine Streichung verschiedener Einträge aus dem Bundeszentralregister in Aussicht stellt.

Gleich zu Beginn des Eckpunktepapiers wird schon darauf hingewiesen, dass dadurch bestmöglich die "Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und Jugendschutz sowie Gesundheitsschutz" ermöglicht werden, und das Vorhaben zur "Eindämmung des Schwarzmarktes beitragen" soll. Nach vier Jahren soll es dann eine Evaluierung der gesellschaftlichen Folgen geben. Die Begründung der Legalisierung ist auch für das Herangehen an die EU sehr wichtig, denn mit dieser Zielsetzung wagen sie eine Interpretationserklärung in Bezug auf die völker- und europarechtlichen Hürden und bitten die EU-Kommission außerdem um eine Vorabprüfung des Vorhabens. Die Ziele der Legalisierung sind nämlich auch die der verschiedenen einzuhaltenden Verträge, welche durch die bisherige weltweite Drogenpolitik erwiesenermaßen nie erreicht werden konnten. Die Argumentation lautet also, dass die Ziele der EU- und UN-Abkommen, über die ja immer wieder berichtet wurde, sich eben gerade durch eine kontrollierte Legalisierung wesentlich besser verwirklichen lassen.

Das offizielle Eckpunktepapier ist da

Die weitere Vorbereitung des Gesetzentwurfs soll nach Aussagen des Bundesgesundheitsministers im Falle eines positiven Bescheids, dank guter Vorbereitung, zügig erfolgen können. Im ersten Quartal des nächsten Jahres, so die Prognose. Wie genau es weitergeht, sollte die EU ein negatives Urteil fällen oder größeren Klärungsbedarf einräumen, ist bisher unklar, ein Gesetz auf Grundlage dieser Eckpunkte wird es dann aber nicht - oder eben nicht so schnell wie gewünscht - geben. Eine Option wäre sicherlich die Klärung der innerdeutschen Möglichkeiten in Bezug auf Führerschein, Eigenanbau, BtMG und Entkriminalisierung. Mit dieser Interpretationslösung wird auf eine bereits 1993 abgegebene Erklärung aufgebaut, die darauf hinweist, dass "die in Art. 3 Abs. 2 genannten Grundzüge der Rechtsordnung einem Wandel unterliegen" können. Die Vorabprüfung soll mit "offenen Karten klare Verhältnisse schaffen", so Lauterbach, und somit auch ein Debakel, ähnlich dem der Maut, verhindern. 

Die Legalisierung in Deutschland ist das weltweit liberalste Projekt dieser Art, mit dem gleichzeitig am strengsten regulierten Markt und könnte somit, nach Angaben des Bundesgesundheitsministers, "ein Modell für Europa sein". Einwände der CSU in Bezug auf die Risiken und den möglicherweise entstehenden Drogentourismus erscheinen angesichts von Veranstaltungen wie dem Oktoberfest nahezu lächerlich. Allgemein wird die Reduzierung und Darstellung der Konsumenten als "Süchtige, die ihren Stoff brauchen" der Situation keinesfalls gerecht. Es gibt sicherlich Menschen, die sich lediglich "zudröhnen" wollen, ebenso wie es solche gibt, die sich mit billigem Fusel oder Hochprozentigem betrinken, doch es gibt eben auch eine große Zahl an Konsumenten, für die Cannabis das Genussmittel ihrer Wahl ist, sowie andere Bier oder Wein bevorzugen. Ganz zu schweigen von all den Menschen, deren Lebensqualität und gesundheitlicher Zustand durch den Cannabiskonsum erheblich verbessert werden, was sich von Alkohol wahrlich nicht behaupten lässt.

In Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, gehört der Alkoholgenuss wie selbstverständlich zur Gesellschaft und selbst der Konsum für Jugendliche ab 16 Jahren ist, trotz erheblicher gesundheitlicher Risiken und sogar der Möglichkeit, in Folge des Konsums zu versterben, nicht nur legal, sondern sogar gesellschaftlich akzeptiert. Er darf trotz bekannter Gesundheitsrisiken sowie jährlich zehntausender Todesopfer beworben werden und ist in jedem Supermarkt in allen Formen und Variationen ohne Mengenbeschränkungen erhältlich. Kein Weinbauer muss um seine Reben bangen, keine Brauerei sich als Drogenhersteller fühlen; bloße Nutzhanffelder, deren THC-Gehalt weit jenseits jeglicher Möglichkeit zum Rausch liegt, sind hingegen auch heute noch nicht sicher vor Verdächtigung und Beschlagnahmung. 

Das offizielle Eckpunktepapier zum Nachlesen findet ihr HIER.

Den Soft Secrets Bericht zum geleakten Entwurf gibt es HIER zum Vergleich. 

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Valentina Lentz