Legalisierung in Deutschland Teil IX Wird der Legalisierungszug ausgebremst?
Hieß es vor einigen Monaten noch von manchem Politiker, die Umsetzung des Gesetzes bis Anfang 2023 sei realistisch, stoßen derart optimistische Prognosen jedoch häufig auf Kritik.
Im Mai hatte der Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP es noch zu seinem persönlichen Ziel erklärt, dass 2023 die ersten legalen Joints verkauft werden könnten, doch andere Stimmen mahnen zur Vorsicht. Carmen Wegge, Abgeordnete der SPD, kritisierte beispielsweise allzu optimistische Äußerungen in dieser Richtung und sprach bei ihrer Prognose von frühestens 2024. Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert hingegen wollte sich gar nicht in dieser Hinsicht äußern und verwies auf die Komplexität der Thematik.
Wenn die Diskussion über Themen wie Jugendschutz und Straßenverkehr beendet sind und ein entsprechender Gesetzesentwurf vorliegt, muss dieser anschließend verschiedene Ministerien durchlaufen. In diesem Falle sind natürlich das Bundesgesundheits- sowie das Landwirtschaftsministerium betroffen, aber auch Finanz-, Wirtschafts-, Justiz- und schließlich Außenministerium. Ein Vorgang, der dementsprechend Zeit braucht und dann zur nächsten Etappe führt, denn im Anschluss muss der Bundestag über das Gesetz beraten und entscheiden. Obwohl die Ampelkoalition dort die Mehrheit hat, ist auch dies ein Prozess, der gewöhnlich Monate beansprucht.
Eine Hürde dürfte aber auch der darauffolgende Bundesrat sein, denn dort kann die Ampel nicht die Mehrheit der Stimmen für sich beanspruchen. Sicher können sie sich lediglich bei 25 der benötigten 35 Stimmen sein, während sie für die übrigen auf die Stimmen von Landesregierungen wie Nordrhein-Westfalen hoffen, wo eine Koalition aus Grünen und CDU regiert. Gerade weil aber die lange Dauer eines solchen Verfahrens, samt Gesprächen, Änderungen und Beschlüssen seitens aller Instanzen, offensichtlich ist, darf das Ziel der Entkriminalisierung und der damit einhergehenden enormen Entlastung der Cannabiskonsumenten nicht aus den Augen verloren werden.
Unterdessen wurde nämlich in Halle an der Saale erst vor wenigen Tagen wieder ein Mann zu einer Strafe von 30 Tagessätzen an 10€ verurteilt, weil man bei ihm 0,1g Cannabis in Form von "Betäubungsmittelanhaftungen" an "Betäubungsmittelutensilien" - also minimale Reste im Grinder - fand. Dies widerspricht jedoch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bayerischen Oberlandesgerichts sowie der beiden Oberlandesgerichte München und Koblenz. Letzteres entschied schon 2014: "Der Besitz von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen von so geringer Menge, dass sie für sich alleine zum menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, stellt keinen strafbaren Besitz an Betäubungsmitteln dar."
Wie es dennoch, auch im Zuge der anstehenden Legalisierung, zu solchen gerichtlichen Urteilen kommen kann und warum überhaupt noch derlei Fälle verfolgt werden, bleibt mehr als fraglich.
Wir werden sehen, inwiefern das für Herbst geplante Eckpunktepapier und der darauffolgende Gesetzesentwurf für mehr Klarheit sorgen werden und ob sie dem Legalisierungszug wieder mehr Stabilität und Sicherheit geben können.
Interessant zum Thema sind auch die anderen Artikel der Reihe von Legalisierung in Deutschland Teil I bis VIII: Entkriminalisierung sofort?