Legalisierung in Deutschland Teil VIII Entkriminalisierung sofort?

Valentina Lentz
30 Jul 2022

Eine weitere wichtige Rolle im Zuge der Legalisierung spielt das Thema Entkriminalisierung. Diesbezüglich sind die Parteien allerdings geteilter Meinung wie schnell dies umgesetzt werden kann und sollte, wie die Bundestagsdebatte von Anfang Juli zeigte.


Erst Anfang des Monats hatte die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Änderung des BtMG und Entkriminalisierung vorgelegt, welcher dann noch am 07. Juli kurz vor der Sommerpause im Bundestag debattiert wurde. Dort wird festgehalten, dass der Gesetzgebungsprozess im Rahmen der Legalisierung vermutlich länger dauern und die Kriminalisierung der Konsumenten bis zu seinem Abschluss weiter anhalten wird. "Von den über 200.000 Cannabisdelikten pro Jahr sind über 80% konsumnahe Delikte. Die rechtlichen und sozialen Konsequenzen der Kriminalisierung für die Betroffenen sind beträchtlich.", heißt es dort weiter. Die jährlich für die Verfolgung und den Vollzug verwendeten finanziellen Ressourcen liegen dabei im Bereich von 1 Milliarde Euro.

Die Lösung sieht vor einen § 29b einzuführen, der die bundesweite Menge von Cannabis, Haschisch und Cannabispflanzen definiert, deren Besitz bzw. Anbau erlaubt ist. Nach § 31a und § 29 Absatz 5 des BtMG kann nämlich von Verfolgung und Strafe "bei geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse abgesehen werden", wobei die unter § 29a festgehaltene "geringe Menge" bisher nicht weiter definiert ist und auch von den Bundesländern unterschiedlich ausgelegt wird. Neben den offensichtlichen Vorteilen für die Konsumenten, die ein solches Gesetz einbrächte, würde es aber zudem zu Einsparungen in den Länderhaushalten und Entlastungen bei Polizei, Gerichten, Staatsanwaltschaften, Justizvollzugsanstalten und im Maßregelvollzug führen, ohne relevante Mehrkosten zu bereiten. Der vorgeschlagene § 29b sieht für Erwachsene den erlaubten Besitz von bis zu 30g Cannabis und Anbau von maximal 3 weiblichen Pflanzen für persönlichen oder gemeinschaftlichen Eigenbedarf vor. Zudem würde das überschreiten dieser Mengen bis maximal 180g Cannabis bzw. 18 weiblichen Pflanzen nur noch als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 25.000€ eingestuft.

Cannabis und Utensilien

Die auf den Gesetzesvorschlag folgende Debatte im Bundestag eröffnete Ates Gürpinar von der Fraktion Die Linke und hielt fest, dass bei 500 Delikten täglich alle 3 Minuten jemand betroffen ist, obwohl die Mehrheit in der Bevölkerung und auch im Bundestag die Entkriminalisierung wünscht. Es sei nun besser einmal Arbeitskraft und Zeit in den Ministerien zu binden und damit dann langfristig Entlastung zu schaffen. Er bedankte sich auch für das Mitwirken verschiedener Kräfte und Verbände wie u.a. LEAP und DHV, da dies ein Gemeinschaftsprojekt sei und forderte "Lassen Sie uns jetzt den Menschen die Angst nehmen, um dann in Ruhe um die beste Legalisierungsstrategie streiten zu können". 

Dirk Heidenblut von der SPD betrachtete diesen Gesetzesentwurf vor allem als "Bremsklotz", der den Legalisierungsprozess verlangsamen könnte und bestätigte die Entkriminalisierung als festen Bestandteil der Legalisierung. Zudem berge dieses Vorhaben zu viele Risiken hinsichtlich des Jugendschutzes. Für die CDU/CSU sprachen Simone Borchardt und Stephan Pilsinger, die auf die vielen anderen und für die Partei wichtigeren Baustellen im Gesundheitswesen hinwiesen. Zudem seien unverständlicherweise auch die negativen Stimmen in den Experten-Hearings und die dort geäußerten Warnungen vor einem Schnellschuss nicht zur Sprache gebracht worden. Und mit Verweis auf Luxemburg und die Niederlande seien auch die hohen europarechtlichen Hürden sowie die mit einer unausgefeilten Entkriminalisierung einhergehenden Probleme nicht außer Acht zu lassen. 

Cannabisblatt

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (B90/Grüne) bestätigte zwar, dass die Prohibition den Gesundheitsschutz verhindere und diese lieber früher als später zu beenden sei, erinnerte aber auch daran, dass jeder Gesetzesentwurf ein parlamentarisches Verfahren durchlaufen muss, was zum einen Zeit beansprucht und zum anderen für die Legalisierung benötigte Kapazitäten bindet. Auch sie wiederholte, dass die Entkriminalisierung fest zur Legalisierung gehöre und nicht mehr das "Ob", sondern nur noch das "Wie" diskutiert würde. Für die FDP sprach Kristine Lütke und eröffnete mit der Redensart "gut Ding will Weile haben", mit der sie auf die Aufgabe und Verpflichtung als Gesetzgeber aber auch als Gesundheitspolitiker hinwies, sich intensiv mit den Möglichkeiten und Konsequenzen auseinanderzusetzen, abzuwägen und dann zu entscheiden. "Wir wollen ein klug durchdachtes, gut koordiniertes Gesamtkonzept, das wir dann kontrolliert und konsequent umsetzen", hielt sie außerdem fest.

Was sich nun genau in Bezug auf diesen Gesetzesentwurf tun wird, bleibt abzuwarten, da es durch das Einreichen kurz vor der Sommerpause nicht zu einer Direktabstimmung kam und somit erst 9 Wochen nach der Debatte über diesen Entwurf abgestimmt werden wird. 

 

V
Valentina Lentz