Legalisierung in Deutschland Teil VI
Wie bereits in Teil V der Reihe berichtet, kamen im Rahmen der Hearings mit insgesamt mehr als 200 Teilnehmern zum Teil sehr unterschiedliche Meinungen zusammen, um eine richtungsweisende Diskussion als Grundlage für das im Herbst von Lauterbach angekündigte Eckpunktepapier und den darauffolgenden Gesetzesentwurf zu bereiten.
Während es beispielsweise bezüglich der Altersfreigabe, der Obergrenze bei Verkauf, Besitz und THC-Gehalt, sowie der genauen Beschaffenheit der Verkaufsstellen weiterhin sehr unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen gibt, bewegen sich die Meinungen bei Themen wie Prävention und Jugendschutz, sowie Werbung schon eher in eine Richtung.
Zu Uneinigkeiten war es allerdings auch im Vorfeld bereits innerhalb der Reihen des Deutschen Hanfverbands (DHV) gekommen, die schlussendlich sogar zum Austritt des langjährigen Mitglieds Jugendrichter Andreas Müller führten. Dieser ist wohl einer der bekanntesten Cannabis-Aktivisten des Landes und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die sofortige Entkriminalisierung von Cannabis, um die weitere Verfolgung von Konsumenten und die Vollstreckung von diesbezüglichen Gerichtsverfahren bis zur endgültigen Legalisierung zu verhindern.
Im Rahmen der Hearings konnten aber auch Vergleiche zu den von anderen Ländern im Zuge der Legalisierung beschrittenen Wege herangezogen werden. So gibt es in Kanada beispielsweise ein generelles Werbeverbot, sofern es nicht der Förderung von Informationen oder von spezifischen Merkmalen einer Marke dient. Und aus den amerikanischen Erfahrungen mit beispielsweise Edibles lassen sich auch manche Verbesserungsvorschläge für die deutsche Umsetzung ableiten.
Neben den international vermittelten Denkanstößen bezüglich Anbau, Vertrieb und Prävention, den vielen Baustellen, denen sich die deutsche Bundesregierung nun stellen muss, liefert der Vergleich mit anderen Ländern aber auch ein weiteres Problem, nämlich die Vereinbarkeit der Legalisierung mit Völkerrecht, UN-Abkommen und EU-Vereinbarungen. In Bezug auf die UN entsteht das Problem durch das 1961 abgeschlossene Abkommen zur Regulierung der Verfügbarkeit von Drogen, dem auch eine staatliche Produktion sowie Vertrieb entgegen stünde, sowie durch das Suchtmittelabkommen von 1988. Seitens der EU würde dagegen ein Risiko auf ein Vertragsverletzungsverfahren bestehen, ähnlich dem Vorfall bezüglich der Maut-Gesetzgebung.
Doch auch bei diesen rechtlichen Aspekten scheiden sich die Geister. So kann man zum einen für Deutschland als Optionen entweder nur den Verstoß gegen UN- und EU-Recht bzw den Austritt aus den jeweiligen Vereinbarungen mit etwaigen Folgen oder etwa die langwierige Änderung des europäischen Rechtsaktes durch den Beschluss einer eher unwahrscheinlichen Mehrheit sehen. Diese Meinung vertritt beispielsweise Robin Hofmann, Assistenzprofessor für Strafrecht und Kriminologie der Universität Maastricht, der deshalb vorschlägt den langsameren Weg durch Testung in Modellregionen einzuschlagen. Auf der anderen Seite wendet beispielsweise Kai Ambos, Rechtsprofessor der Universität Göttingen, ein, dass die 1961 festgelegten völkerrechtlichen Pflichten nur im Falle der Vereinbarkeit mit nationalem Verfassungsrecht in Kraft treten. Da aber schon 1994 die Konformität des Verbots mit der Verfassung von der Regierung entschieden wurde und eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zu lange für die Ampelkoalition dauern würde, sei die Entkriminalisierung ein erster wichtiger Schritt. Ein bewusster Verstoß gegen das UN-Abkommen, wie es Kanada und Uruguay - bisher bis auf einige Mahnungen des Internationalen Suchtstoffkontrollrates (INCB) ohne weitere Konsequenzen - vollzogen haben, ist für Deutschland wohl eher unwahrscheinlich. Und auch den Termin zum rechtzeitigen Austritt aus dem Einheitsabkommen hat Deutschland nun am 1. Juli verpasst. Dies hätte die Möglichkeit gegeben zum 1. Januar 2023 auszutreten, zu legalisieren und anschließend wieder beizutreten, ähnlich wie es Bolivien bezüglich des Kauens von Koka-Blättern gehandhabt hat.
In Bezug auf das Abkommen von 1988 gestaltet sich die Situation noch etwas anders, da dort festgehalten wurde, dass eine Strafe für den Besitz von Cannabis nur dann verpflichtend ist, wenn dies "mit den Grundzügen der nationalen Rechtsordnung vereinbar ist", und diese kann sich, wie bereits 1993 geäußert wurde, im Laufe der Zeit ändern. Ein Austritt wäre in diesem Falle also nicht zwangsläufig nötig.
Bezüglich des EU-Rechts ist zwar dort 2004 die Cannabis-Strafbarkeit in einem Beschluss festgeschrieben worden mit Verweis auf das Schengen-Durchführungsabkommen von 1990, allerdings könnte sich gerade der Anbau und Vertrieb durch einen Staat mit der Gesetzgebung vereinen lassen, da im Grunde nur der Handel "ohne entsprechende Berechtigung" verboten ist.
Mit Blick auf die anderen europäischen Länder lässt sich feststellen, dass die EU zumindest die Entkriminalisierung wie im Falle von Portugal oder Malta zu akzeptieren scheint. Auch in den Niederlanden ist der Anbau und Verkauf weiterhin illegal, lediglich der Erwerb und Verkauf in den Coffeeshops wird durch das geltende Opportunitätsprinzip geduldet. In Luxemburg hingegen hatte man die vollständige Legalisierung angedacht, führt nun aber doch nur eine Entkriminalisierung im Sinne einer Freigabe von Konsum und Anbau von maximal 4 Pflanzen im privaten Raum durch. Ob dies eine selbstständig getroffene Entscheidung zum Rückzug war oder doch unter Einwirken der EU stattfand, ist weiterhin nicht ganz klar. Nachdem nun in Österreich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) einen Antrag auf Aufhebung des Verbots abgelehnt hat, da die Legalisierung eine politische und keine rechtliche Entscheidung sei, bleibt es weiterhin abzuwarten welchen konkreten Weg die deutsche Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Entscheidung einschlagen wird.