Dürfen Minderjährige medizinisches Cannabis zu sich nehmen?
Einer Verschreibung bedarf die Verwendung von medizinischem Cannabis in jedem Fall, doch gibt es noch weitere rechtliche, sowie gesundheitliche und ethische Aspekte in Bezug auf die Verwendung bei Kindern und Jugendlichen zu bedenken.
Es gibt natürlich nicht nur schwer kranke Erwachsene, sondern auch Kinder, die beispielsweise an Krebs leiden, Schlafstörungen haben oder auch starke Schmerzen. Allerdings sind Kinder keine kleinen Erwachsenen, denn ihr Körper befindet sich noch im Wachstum und in der Entwicklung. So ist vor der Pubertät die hormonelle Situation noch nicht gegeben und die Steuerung zahlreicher Prozesse noch nicht vorhanden. Auch die Reifung des Gehirns und somit auch des Endocannabinoidsystems ist erst mit etwa 20 bis 22 Jahren abgeschlossen.
Gerade durch die körperlichen Unterschiede zu den Erwachsenen, bedürfen Kinder spezieller Ärzte und auch Medikamente. Dabei gilt es zu beachten, dass auch Medikamente pflanzlichen Ursprungs durchaus Nebenwirkungen haben können. So reagiert das Endocannabinoidsystem bei Kindern und Jugendlichen beispielsweise empfindlicher auf Eingriffe und ein Übermaß an Cannabinoiden könnte das System aus dem Gleichgewicht bringen. Somit darf auch frei verkäufliches CBD-Öl nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zur Behandlung verwendet werden.
Ohne ärztliches Rezept drohen den Eltern strafrechtliche Konsequenzen, zum einen da die Substanz unter Umständen illegal erworben sein könnte, zum anderen da die Kinder ein Recht auf Gesundheit haben und die Eltern somit für eventuelle gesundheitliche Schäden haftbar gemacht werden können. Ansonsten gelten aber für die Verschreibung sowie für die Kostenübernahme seitens der Krankenkassen die gleichen Kriterien wie bei den Erwachsenen, mit dem Vorteil, dass die Kosten häufiger übernommen werden, denn wer möchte einem kranken Kind schon eine helfende Therapie verwehren.
Die ethischen Hürden für Studien und Verschreibungen sind verständlicherweise bei Minderjährigen deutlich höher, da sie aufgrund der oben geschilderten Umstände höhere Risiken tragen und zudem nicht selbst die Entscheidungen treffen können. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis muss somit noch genauer geprüft werden. Aus diesen Gründen ist auch die Forschungslage aktuell noch recht schwach, was die Unsicherheiten in Bezug auf die Verwendung von medizinischem Cannabis natürlich noch verstärkt. Die Fallzahlen sind zudem bei Kindern häufig geringer, die Hürden für die Studien dafür aber umso höher.
Allerdings sind die Ärzte auch häufig mit falschen Vorstellungen seitens der Eltern konfrontiert. Bereits 2015 berichtete Professor Sven Gottschling, Chefarzt des Zentrums für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie des Universitätsklinikums des Saarlandes, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine, dass Medikamente wie Dronabinol durch die Verarbeitung im Labor langsamer, gezielter und auch länger wirken, berauschende Nebenwirkungen aber die Ausnahme sind. Dafür falle allerdings häufig die Verschreibung von Opioiden, deren Nebenwirkungen deutlich schlimmer sind, weg.
Aus der möglichen Beeinflussung von Gehirn- und Intelligenzentwicklung bei Minderjährigen solle kein Geheimnis gemacht werden, jedoch sei zumindest eine gefährliche Überdosierung wie bei vielen anderen - auch freiverkäuflichen Schmerzmitteln - nicht möglich. Professor Gottschling fordert dazu auf, die Situation in Relation zu betrachten, denn manche seiner kleinen Patienten bekommen das medizinische Cannabis nur zeitlich begrenzt, beispielsweise bei einer Krebserkrankung, während andere krankheitsbedingt überhaupt nicht die Chance haben jemals erwachsen zu werden.