Wann zahlen die Krankenkassen für medizinisches Cannabis?

Valentina Lentz
25 Nov 2022

Das Gesetz "Cannabis als Medizin" reguliert nun seit mehr als fünf Jahren unter welchen Bedingungen die Krankenkassen die Kosten einer Cannabis-Therapie übernehmen müssen. Vor kurzem erst durch ein Urteil des Bundessozialgerichts konkretisiert, stehen im nächsten Jahr Änderungen der Arzneimittel-Richtlinie durch Vorschläge des Gemeinsamen Bundesausschuss, G-BA, an.


Mit der Änderung des § 30 Abs. 6 SGB V im Jahr 2017 wurde die "Möglichkeit zur Verschreibung von Cannabisarzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert", so das Bundesgesundheitsministerium. Die genauen Bedingungen gaben bisher allerdings immer wieder Anlass zur Diskussion. So war oftmals unklar, wann genau ein Patient als austherapiert gilt und welche Erkrankungen als schwerwiegend gelten. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat nun in vier Fällen, deren Kostenübernahme zuvor seitens der Kassen abgelehnt worden waren, entschieden und mit dem Urteil die Bedingungen konkretisiert.

Bundessozialgericht konkretisiert Bedingungen 

Eine schwerwiegende Erkrankung wurde nun so definiert, dass Schmerzen und Funktionsstörungen so weitreichend sein müssen, dass eine deutliche Beeinträchtigung für Arbeit, Selbstversorgung und das gesellschaftliche Leben, ähnlich einem Grad der Behinderung von mindestens 50, besteht. Dabei sei eine formelle Feststellung dessen, im Sinne einer Bescheinigung, allerdings nicht nötig und auch mehrere Erkrankungen in Summe könnten zu einer derlei gearteten Einschränkung führen.

Des Weiteren soll ein vorheriger Cannabis-Konsum kein Ausschlusskriterium darstellen dürfen und die Austherapiertheit sei durch eine genaue Dokumentation von Begründung der Medikamentenwahl, Erläuterung des Behandlungsziels und einer Stellungnahme zum Ausschluss anderer Therapiemöglichkeiten zu belegen. Selbstzahler sind von diesen Bedingungen natürlich weiterhin ausgenommen. Drei der Fälle, in denen es um die Behandlung von Schmerzen, Epilepsie, sowie psychischer und weiterer Erkrankungen ging, wies das Gericht wegen mangelnder Auseinandersetzung mit anderen Therapiemöglichkeiten ab. Der Fall eines ADHS-Patienten wurde zur weiteren Klärung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückgewiesen.

Stellungnahmeverfahren zur geplanten Änderung der Arzneimittel-Richtlinie 

Nun ist es Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als vorbereitende Instanz auf Grundlage der, parallel zum Gesetz entstandenen und leider nur bedingt aussagekräftigen, Begleiterhebung in der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) festzulegen, wie genau die Kostenerstattung in Zukunft aussehen soll. Die Zeit drängt, denn nach Veröffentlichung der Ergebnisse muss dies per Gesetz innerhalb von 6 Monaten geschehen. Der Entwurf des G-BA, bestehend aus Vertretern von Krankenkassen und Ärzteverbänden, liegt seit dem 25. Oktober vor und ein Stellungnahmeverfahren wurde für 4 Wochen anberaumt.

Seither hatten beispielsweise verschiedene Pharmaverbände und die Arnzneimittelkommissionen der Deutschen Ärzteschaft (AkDÄ), sowie BfArM und auch ACM die Möglichkeit, Kritik an den verschiedenen vorgeschlagenen Positionen zu üben. Somit dürfte nun in einem nächsten Schritt die Auswertung der Ergebnisse beginnen, bevor, den anschließenden Beratungen folgend, ein Beschluss-Vorschlag ins Plenum gebracht wird. Dem Gesundheitsministerium bleibt daraufhin dennoch bei Nichtzustimmung ein Veto-Recht vorbehalten.

Beschluss-Vorschlag des G-BA variiert in seinen Positionen 

Der zur Stellungnahme freigegebene Beschluss des G-BA enthält durch die Angabe variierender Positionen allerdings sowohl das Potenzial zur Verbesserung der Situation für die Patienten, als auch zur Verschlechterung, und wurde deshalb auch schon seitens verschiedener Verbände scharf kritisiert. Ermöglichen manche Positionen Ärzten und Patienten mehr Spielraum für die Therapie, schränken andere diese wiederum erheblich ein. So gibt es zum Beispiel Optionen, die eine Verschreibung seitens der Hausärzte künftig untersagen soll. Dies würde allerdings - entgegen den Versprechungen der Politik - zu einer Verschlechterung der Situation der Patienten bei gleichzeitiger Freigabe des Freizeitmarktes führen.

Auch Cannabisblüten könnten in Zukunft nur noch als letzter Ausweg und mit erforderlicher besonderer Begründung zum Einsatz kommen. Insgesamt würden manche Positionen des Beschlusses zu einer deutlichen Verkomplizierung des Prozesses und einem erheblichen Arbeitsaufwand für die Ärzte führen. Letztere könnten künftig zu aufwändigen, detaillierten Beschreibungen von Zustand, Ziel, sämtlichen Therapieversuchen sowie deren Ergebnisse und Nebenwirkungen veranlasst sein. Eine bestimmte Diagnose wäre dann nicht ausreichend, sondern eine sehr genaue Begründung mit detaillierter Abwägung der Folgen einer Verschreibung erforderlich.

Vorgesehen ist auch, dass der Genehmigungsvorbehalt seitens der Krankenkassen - außer in der Palliativpflege - beibehalten wird. Allerdings sollen diese die Anträge nur im Falle von Unvollständigkeit oder einer nicht nachvollziehbaren Begründung ablehnen dürfen. Die Veränderung zur aktuellen Regelung, die die Möglichkeit zur Ablehnung in Form einer von den Krankenkassen vorgelegten Begründung vorsieht, ist kaum merklich, soll aber eine Verbesserung für die Patienten zum Ziel haben. Allerdings könnten auch hier wieder Argumentationen gefunden werden, unter denen Anträge als nicht nachvollziehbar abgewiesen werden können.

Was das Gesundheitsministerium vom endgültigen Entwurf halten wird, welche Änderungen nach den Einwänden im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens wirklich in Kraft treten werden und wie genau die zukünftige Arzneimittel-Richtlinie aussehen wird, werden die kommenden Wochen zeigen und das Ergebnis wird sicherlich von allen Cannabis-Patienten, sowie denen, die es werden möchten oder müssen, mit Spannung erwartet werden.

 

Der komplette Beschluss-Entwurf des G-BA steht HIER als PDF zur Verfügung. 

Mehr zum Thema Cannabis in der Medizin gibt es HIER nachzulesen.

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Valentina Lentz