Die Begleiterhebung stößt auf Kritik
Die Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln wurde am 31. März beendet und das Ergebnis Anfang Juli vom BfArM veröffentlicht, doch genau dieses birgt einige Unklarheiten und bietet nun Raum für vielerlei Kritik.
Als das Gesetz "Cannabis als Medizin" im März 2017 in Kraft trat, wurde die BfArM mit der Durchführung einer "nicht-interventionellen Begleiterhebung" beauftragt. Jeweils ein Jahr nach Therapiebeginn oder aber bei Abbruch der solchen, waren die behandelnden Mediziner dazu verpflichtet, einen Fragebogen auszufüllen. Insgesamt wurden etwa 21.000 Datensätze gesammelt, von denen aber nur 16.809 vollständig ausgefüllt und somit auswertbar waren. Bei zwei Drittel Genehmigungen auf 70.000 Anträgen, nach Angaben der gesetzlichen Krankenkassen, ist die Aussagekraft der Erhebung stark begrenzt. Problematisch war in diesem Zusammenhang schon die Übermittlung der Daten in anonymisierter statt pseudonymisierter Form, denn so konnte weder nachvollzogen werden, wer der Verpflichtung zum Ausfüllen nachkam, noch wären Rückfragen bei unvollständigen Fragebögen möglich gewesen.
Da somit nur 36% der Patienten, berücksichtigt wurden, die eine Kostenübernahme erhielten, nur 24% derer, die einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt hatten, und die Zahlen der privaten Versicherungen sowie Selbstzahler gar nicht mit einflossen, sind wohl insgesamt weniger als 20% der tatsächlichen Patienten in dieser Erhebung erfasst. Auch die Zahlen in Bezug auf die Indikationen stimmen nicht mit denen anderer Studien überein. Gemeinsam ist ihnen die Schmerzbehandlung auf Platz eins, bei psychischen Erkrankungen fallen die Ergebnisse hingegen sehr unterschiedlich aus, da diese international auf Platz 2 der Indikationen liegen, in Deutschland aber noch häufig von den Krankenkassen wegen eventueller negativer Folgen abgelehnt werden. Dabei mangelt es gerade bei diesen Erkrankungen häufig an guten Alternativen. Nur wenig Erfolg dürfen sich aber auch Anträge für Erkrankungen wie Epilepsie oder bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen erwarten.
Im Abschlussbericht wird auch erwähnt, dass Dronabinol, die am häufigsten genutzte Form von Cannabisarzneimitteln ist, was sich allerdings weder mit den Zahlen der Krankenkassen, noch mit denen der Anbieter deckt, und wohl eher darauf hindeutet, dass im Falle einer Dronabinol-Verschreibung häufiger eine Kostenübernahme erfolgt. In Bezug auf den Therapieverlauf wird festgestellt, dass der Erfolg größer, die Nebenwirkungen kleiner und ein Abbruch seltener bei Rezepten für Blüten sind. Allerdings wird auch darauf spekuliert, dass dies in Zusammenhang mit dem durchschnittlich etwas niedrigeren Alter dieser Patienten steht. Auch die Mutmaßung auf Missbrauch und Abhängigkeit deutet eher auf eine Diskriminierung bestimmter Patientengruppen hin und entbehrt wissenschaftlicher Belege. Bei Angabe einer verbesserten Lebensqualität in 70% der Fälle und einer möglichen positiven Auswirkung auf mehr als nur ein Symptom, ist es wichtig zu verdeutlichen, dass häufigere Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel bei anderen Medikamenten ohne weiteres akzeptiert werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Aussagekraft der Begleiterhebung zu gering ist, um wirkliche Rückschlüsse auf die Praxis zuzulassen und daher hochwertige Studien wie bei anderen Medikamenten nötig sind. Die Berührungsängste und Vorsicht der Ärzte überwiegen nach wie vor, ein Zustand, der auch im Zuge der Legalisierung zu Genusszwecken durch den Abbau von sozialer Stigmatisierung, gebessert werden kann. Die Kriterien zur Kostenübernahme bleiben ein schwieriges Thema, denn die Entscheidung sollte schlussendlich bei den behandelnden Ärzten und Patienten liegen, um eine Zweiklassenmedizin zu vermeiden. Obwohl Cannabisarzneimittel eine gleichsam akzeptierte Therapieform darstellen sollten, scheuen immer noch viele Patienten den enormen Aufwand und stellen erst gar keinen Antrag oder entscheiden sich für eine Selbsttherapie.
Der gesamte Abschlussbericht der Begleiterhebung ist auf der Seite der BfArM nachzulesen. Auch interessant zum Thema sind die Artikel Patientenrecht und Cannabismedizin, sowie Der Arzt in Pflanzengestalt.