Was ist das Endocannabinoidsystem?

Valentina Lentz
31 May 2025

Das Endocannabinoidsystem (ECS) ist ein biologisches Regulierungsnetzwerk, das in Menschen und Tieren vorkommt. Es besteht aus Cannabinoidrezeptoren (CB1 und CB2), körpereigenen Endocannabinoiden sowie speziellen Proteinen, die für deren Herstellung und Abbau verantwortlich sind.


Schlüsselrolle körpereigener Cannabinoide

Das Endocannabinoidsystem (ECS) ist ein komplexes biologisches Netzwerk, das in allen Menschen und Tieren vorkommt und eine zentrale Rolle in der Regulation zahlreicher Körperprozesse spielt. Es sorgt dafür, dass verschiedene Systeme im Gleichgewicht bleiben, indem es auf Über- oder Unteraktivität von Botenstoffen reagiert. Ohne das ECS könnten viele lebenswichtige Funktionen nicht zuverlässig gesteuert werden.  

Das System setzt sich aus drei Hauptkomponenten zusammen: den Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2, den körpereigenen Endocannabinoiden sowie den Enzymen, die für ihre Produktion und den Abbau verantwortlich sind. Besonders spannend ist die Entdeckung, dass das ECS bei zahlreichen physiologischen Prozessen eine Schlüsselrolle spielt – von der Schmerzverarbeitung über die Immunabwehr bis hin zur Regulierung neurologischer Funktionen.  

Die körpereigenen Endocannabinoide – natürliche Botenstoffe für das Gleichgewicht

Endocannabinoide sind vom Körper selbst produzierte Moleküle, die ähnlich wie die aus der Cannabispflanze gewonnenen Cannabinoide wirken. Sie binden an die Cannabinoidrezeptoren, um verschiedene Prozesse zu regulieren. Besonders zwei dieser Substanzen stehen im Fokus der Forschung:  

Anandamid (AEA), oft als “Glücksmolekül” bezeichnet, spielt eine entscheidende Rolle bei der Stimmungskontrolle, der Schmerzwahrnehmung und dem Appetit. Es bindet vor allem an CB1-Rezeptoren im Gehirn und hat einen direkten Einfluss auf unser emotionales Wohlbefinden. Der Name ‘Anandamid’leitet sich vom Sanskrit-Wort ‘Ananda’ ab, was Glückseligkeit bedeutet – ein Hinweis darauf, wie essenziell dieses Molekül für unsere Gefühlslage ist.  

2-Arachidonylglycerol (2-AG) hingegen kommt in deutlich höheren Mengen als Anandamid vor und beeinflusst unter anderem Entzündungsreaktionen sowie die Herz-Kreislauf-Funktionen. Anders als Anandamid aktiviert es sowohl CB1- als auch CB2-Rezeptoren, wodurch es einen breiten Einfluss auf das gesamte Körpersystem ausübt.  

Neben diesen beiden Hauptakteuren gibt es weitere Endocannabinoide wie Homo-Gamma-Linolenylethanolamid und Docosatetraenylethanolamid, die ebenfalls an der Regulation von neuronalen Prozessen und Entzündungen beteiligt sind. Ihre genaue Funktion wird noch erforscht, aber es ist bereits klar, dass sie eine wichtige Rolle für die Gesundheit spielen.  

Wie das ECS unsere Körperfunktionen steuert

Das Endocannabinoidsystem dient als eine Art Schutzmechanismus des Körpers, indem es hilft, Ungleichgewichte auszugleichen. Beispielsweise greift es bei Schmerzzuständen ein, indem es die Schmerzsignale herunterreguliert und so das Schmerzempfinden reduziert. Auch bei neurologischen Prozessen ist das ECS aktiv: Es beeinflusst das Lernen, das Gedächtnis und emotionale Reaktionen. Im Immunsystem sorgt es für eine ausgeglichene Entzündungsregulation, indem es übermäßige Immunreaktionen bremst und somit chronische Entzündungen verhindern kann.  

Die Cannabinoidrezeptoren spielen dabei eine entscheidende Rolle: CB1-Rezeptoren befinden sich vor allem im Gehirn und beeinflussen dort Sinneswahrnehmung, Gedächtnis und Motivationsprozesse. Eine Aktivierung dieser Rezeptoren führt oft zu einer intensiveren Wahrnehmung – Farben erscheinen kräftiger, Musik wird emotionaler erlebt, und Geschmäcker können intensiver wahrgenommen werden. CB2-Rezeptoren sind dagegen hauptsächlich im Immunsystem aktiv und helfen dabei, Entzündungen zu regulieren und das Abwehrsystem zu steuern.  

Warum ist das ECS überlebenswichtig?

Ohne das Endocannabinoidsystem wäre der Körper nicht in der Lage, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Studien haben gezeigt, dass Mäuse, denen das ECS durch gezielte Züchtung entfernt wurde, nicht überlebensfähig waren. Das verdeutlicht, wie essenziell dieses System für die Regulation lebenswichtiger Prozesse ist.  

Ein besonders faszinierender Aspekt ist, dass sich bei Erkrankungen in betroffenen Organen vermehrt Cannabinoidrezeptoren bilden, um eine gestörte Balance wiederherzustellen. Das könnte erklären, warum die medizinische Anwendung von Cannabinoiden bei vielen Krankheiten so vielversprechend ist.  

Medizinische Relevanz und aktuelle Forschung

Die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit den therapeutischen Möglichkeiten des ECS. Besonders in der Schmerztherapie, bei neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie und Alzheimer sowie bei chronischen Entzündungen hat sich gezeigt, dass eine gezielte Aktivierung oder Hemmung der Rezeptoren positive Effekte haben kann.  

Aktuelle Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass das ECS nicht nur für das Wohlbefinden und die Schmerzwahrnehmung entscheidend ist, sondern auch bei komplexen Erkrankungen wie entzündlichen Darmerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und psychischen Störungen eine tragende Rolle spielt.  

Da die Wissenschaft noch längst nicht alle Facetten des ECS entschlüsselt hat, bleibt es ein spannendes Forschungsfeld, das uns in Zukunft möglicherweise noch viele neue Erkenntnisse liefern wird. Sicher ist aber bereits jetzt, dass dieses körpereigene System für die Gesundheit unerlässlich ist. 

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Valentina Lentz