Vom Haschischhund zur Zaubersteuer

Frank Brandse
08 Nov 2021

Allen ist „brotlose Kunst“ ein Begriff – wer nüchtern bleibt, hat meistens keinen Erfolg. Viele Cannabisraucher kennen auch Götz Widmann, der seit über 25 Jahren als Liedermacher nicht verhungert ist. Klassiker aus seinem Album „Drogen“ mit den sinnigen Lyrics „Immer wenn‘s mich umhaut und mir schwindet der Humor, stell ich mir Politiker beim Ficken vor“ heilten bereits viele vom Abstinenzgedanken, einige endeten sogar als „Landkommunenhippie“. Im Interview mit Götz Widmann widmen wir uns, wie viele bereits befürchten, den Politikern und deren Politik. „Eduard, der Haschischhund“ ist zwar inzwischen einer der Landkommunenhippies, andere Drogenhunde bangen um ihre Jobs, wenn nun endlich die „Zaubersteuer“ eingeführt wird. Die FDP hat bereits im heißen Wahlkampfjahr 2021 die amtierende Bundesregierung gebeten, einen Entwurf zu verfassen und empfiehlt 10 Euro Zaubersteuer pro 100 mg THC.


Bevor wir zu den politischen Themen gelangen, interessieren uns andere Punkte. Jeder unserer Leser weiß, dass „Weed“ ein Begriff für Marijuana ist.

Übersetzt heißt es Unkraut und spielt auf die Wuchskraft der Cannabispflanzen an. Ist „Widmann“ ein versteckter Künstlername oder ist es dein Geburtsname, der vielleicht wirklich an „Weed“ anlehnt?

Ich heiße tatsächlich so, schon immer. Wenn ich irgendwo im englischen Sprachraum unterwegs bin,

muss ich aber auch immer wieder

mal schmunzeln.

 

In unseren Kreisen bist du ein bekannter Künstler – wie fing alles vor über 25 Jahren an?

Mittlerweile sind es tatsächlich schon fast 30 Jahre. Wie es mit meiner ersten Band Joint Venture genau losging, weiß ich gar nicht mehr so genau. Mein Freund Kleinti und ich sind einen trinken gegangen und als ich am nächsten Tag wieder zu mir kam, hatten wir eine Band gegründet und uns vorgenommen, ernsthaft zu versuchen, das zu unserem Beruf zu machen. Das fühlte sich so geil an, dass wir nie wieder damit aufgehört haben.

 

Wer sich als Liedermacher behaupten will, muss begabt und ehrgeizig sein, aber manchmal auch Glück haben. Gab es Durststrecken, in denen du dir einen stinklangweiligen Bürojob wünschtest?

Ich hab ja nen Bürojob, bin schließlich mein eigener Manager. Den mach ich aber immer nur Montagnachmittag. Ansonsten, wenn ich ehrlich bin, bin ich einfach nur unfassbar dankbar, dass ich das machen darf, es ist meine absolute Traumexistenz. Falls es aus irgendwelchen Gründen mal nicht mehr gehen sollte, mach ich aber lieber ne Bar auf, als mich in ein Büro zu hocken.

 

Auf deiner Website goetzwidmann.de ist die Liste deiner geplanten Auftritte lang – ist das nach so langer Zeit nicht stressig?

Ich hatte jetzt ja lange genug Pause, bin froh, wenn es wieder losgeht.

 

Was passiert, wenn Veranstaltungen wegen der Pandemie nicht stattfinden können?

Was soll dann passieren? Dann passiert nix. Wird Zeit, dass mal wieder was passiert. Ich hab das jetzt echt genossen, mal so lange am Stück freizuhaben, hab das Beste aus der Zeit gemacht, aber so langsam will alles in mir nur noch auf die Bühne.

 

Während dieses Interview entsteht, verbringst du deutsche Lockdowns auf den Kanaren. Wird die Pandemie zum willkommenen Urlaub oder kotzt dich der Sandstrand schon an?

Sagen wir mal so: Die Tatsache, dass ich gerade ohne jegliches Eigenverschulden über ein Jahr arbeitslos war, war für mich kein Grund, jeden Tag Trübsal zu blasen. Ich bin einfach nicht so. Ich spiele schon lange mit dem Gedanken, auf die Kanaren auszuwandern, weil ich da ein viel glücklicherer Mensch

bin. Das konnte ich jetzt mal in aller Ruhe testen und es war extrem überzeugend.

Teufel an Bord
Teufel an Bord.

Du bist einer von wenigen, die sich über Jahrzehnte als Berufsmusiker behaupten. Was anderes bleibt dir im Alter nun eigentlich also nicht mehr übrig – was sind deine Pläne?

Meine Plan ist, das so lange zu machen, bis ich umfalle. Es macht mir am meisten Spaß und ich kann das auch am besten. Mein heimlicher Traum wäre ansonsten aber eine eigene kleine Bar mit vitaminreichen Drinks und von mir persönlich zubereitetem Soulfood irgendwo am Strand, wo immer Sommer ist.

 

Welches sind deine persönlichen „Karriere-Höhepunkte“ oder unvergesslichen Erlebnisse?

Ich sortiere das nicht in solche Kategorien ein. Jeden Abend auf die Bühne zu gehen ist immer wieder ein Höhepunkt, da wird ein körpereigener Drogencocktail ausgeschüttet, den einem nicht mal Sex geben kann. Selbst der allerschlimmste Kater ist nach drei Songs weg. Noch ein größerer Höhepunkt ist es aber, wenn ich beim Schreiben sitze und merke, dass da gerade was richtig Brauchbares aus mir rausfließt. Der kreative Flow, das ist für mich das Beste von allen Glücksgefühlen, die dieser Job so mit sich bringt.

 

Bei der langen Liste deiner Termine musst du bei einer Agentur sein, die dich managed. Ist das der Schlüssel zum Erfolg für junge Künstler?

Ich mache das alles lieber selbst, nach all den Jahren weiß ich ganz gut, was ich tue und mit wem ich am liebsten zusammenarbeite. Mir reichen da ein bis zwei Nachmittage in der Woche. Wenn ich mich mal überwunden habe anzufangen, finde ich es irgendwie sogar ganz befriedigend, Büro zu machen. Für junge Künstler kann das aber trotzdem eine gute Idee sein, sich von Profis dabei helfen zu lassen, bekannter zu werden. Meistens geht es so einfach schneller. Man kann es aber auch alleine schaffen. Ist letzten Endes eine Typfrage.

 

Nun aber zum Thema – das Wahljahr 2021 ist in vollem Gange, Millionen Menschen sind für die Legalisierung von Cannabis. Du forderst in deinen Songs seit vielen Jahren die „Zaubersteuer“. Wie bereits berichtet, bringt die FDP nun genau diese „Zaubersteuer“ mit 10 Euro auf 100 mg THC in die Diskussion. Wir sind endlich auf der Zielgeraden, Götz, reicht uns das oder wollen wir mehr?

Ich hab den Antrag der FDP gerade gelesen, das ist erstaunlich vernünftig, was die da fordern, außer, dass 10 Euro für 100 mg THC absolut weltfremd sind. Wahlkampf ist aber das eine und was sie dann hinterher noch davon wissen wollen, das andere. Es wäre einfach für unsere gesamte Gesellschaft, auch für alle, die kein Cannabis konsumieren, aus gesundheitspolitischen, wirtschaftlichen und Lebensqualitätsaspekten viel vernünftiger, wenn wir da eine zeitgemäßere Gesetzgebung hätten. Andere Länder machen es uns doch superüberzeugend vor. Wieso müssen da ausgerechnet wir noch im Mittelalter leben? Auf der Zielgeraden sehe ich uns jedenfalls noch lange nicht, da muss noch mehr passieren, als ein Antrag einer Oppositionspartei.

 

Viele kennen es aus ihrer Jugend – irgendjemand sammelt das Geld und kauft für alle ein.

Schon beginnt die Karriere, an der viele später scheitern. Kann deine „Zaubersteuer“ den Schwarzmarkt austrocknen und unsere Jugend schützen?

Das ist eine ziemlich komplexe Thematik. Wie bei nahezu jedem Genussmittel kann übertriebener Konsum von Cannabis nun mal auf die Dauer zu Problemen führen, sowohl für das betroffene Individuum als auch für die Gesellschaft.

Ich sehe die Problemlage bei Cannabis ähnlich wie bei Alkohol und Nikotin, da regelt man das mit Steuern, und der Staat verdient sogar noch eine Menge Geld dabei. Würde man Alkohol oder Nikotin einfach verbieten, würde der Staat nichts mehr verdienen und hätte auch noch jede Menge zusätzliche Kosten, um das Verbot zu überwachen.

Jeder würde mir sofort zustimmen, dass das absolut absurd wäre.

Aber genau so machen wir es gerade mit Cannabis. Und das ist unfassbar dämlich, ich meine, dass wir das schleunigst ändern sollten. Das würde jetzt nicht von heute auf morgen alle Probleme lösen oder unsere Jugend vor allen Gefahren dieser Welt schützen, aber es wäre ein bedeutend smarterer Weg, damit umzugehen.

 

Bist du überhaupt ein politisch motivierter Jugendschützer?

Ich werde eigentlich eher dafür bezahlt, die Leute zu Dummheiten zu animieren. Davon verstehe ich auch erheblich mehr.

 

Was machst du in deiner Freizeit, wenn du nicht gerade auf Tournee bist?

Ich habe ausgesprochen gerne frei, die Abwesenheit von Pflichten ist ein Zustand, den ich verdammt lange ertragen kann. Ich feiere sehr gerne mit netten Menschen, lese, schaue Filme, gehe spazieren.

Ich liebe es zu kochen. Aber vielleicht am allerliebsten sitze ich zuhause in meiner Küche oder irgendwo draußen auf dem Balkon oder im Garten und schreibe an neuen Texten, während ich dabei in aller Ruhe einen Kühlschrank leermache.

 

Wir freuen uns zumindest auf weitere deiner geistreichen Ideen und sind gespannt, wie unsere Politik sie in Gesetze gießt. Es bleibt aber zu befürchten, dass wir bei den bisherigen Entwicklungen doch alle an Politikverdrossenheit erkranken und von früh bis spät auf Rezept kiffen müssen.

Das kann von mir aus jeder machen, wie er will, für mich wäre das wahrscheinlich keine Lösung.

Erstens glaube ich, dass, egal bei was, es nie gut ist, eine Sache 24/7 von früh bis spät zu tun. Dabei büßt man genau den zusätzlichen Blickwinkel ein, den einem bewusstseinserweiternde

Mittel ja geben sollen.

Das wäre mir zu langweilig, ich finde es geil, zwischendurch immer mal wieder eine Zeitlang nüchtern und im Vollbesitz meines analytischen Verstandes zu sein. Man löst ein paar Probleme, das geht nüchtern viel leichter, es ist wirklich erstaunlich.

Und dann ist es auch viel geiler, den analytischen Verstand wieder loszulassen. Außerdem ist Lustrausch immer besser als Frustrausch.

Ihr als Magazin habt ebenso wie ich als Künstler die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen und sie davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, sich zu engagieren und die Verhältnisse, in denen man lebt, mitzugestalten. Auch wenn es manchmal etwas länger dauert, wie man ja bei der Zaubersteuer sieht.

Aber wenn ich dann doch mal irgendwann meinen ersten legalen Joint auf deutschem Boden rauche, wird es ein verdammter Lustrausch sein …

 

Text: Robert Brungert

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Frank Brandse