In Sachen Nutzhanf: ein Schritt vor und zwei zurück

Valentina Lentz
19 Sep 2022

Während im Falle Lidl das Verfahren inzwischen eingestellt wurde, muss Familie Thomassek weiter um ihre Ernte bangen.


Nachdem sich im August 2021 der Discounter Lidl an den Verkauf von Hanfprodukten ohne THC und CBD herangewagt hatte und sich anschließend als Reaktion u.a. mit einer Beschlagnahmung samt strafrechtlichem Verfahren konfrontiert sah, wurde das Verfahren nun ein Jahr später eingestellt. Lidl hatte durch einen Vertrag mit "The Green Dealers" Produkte wie Cookies und Brownies ins Sortiment aufgenommen, die aber eben auch Nutzhanfsamen und -Blätter auf ihrer Zutatenliste führten und sich somit in einer Grauzone bewegten.

Zur Beschlagnahmung kam es gleich nach Verkaufsstart in einer Filiale in Rosenheim, die Prüfung verlief dann seitens der Staatsanwaltschaft Heilbronn, die für den Ort Neckarsulm, wo die Schwarz-Gruppe zu der auch Lidl gehört ihren Sitz hat, zuständig ist. Dass das Verfahren nun eingestellt wurde, wird sehr folgerichtig damit begründet, dass nicht jede physikalisch potenzielle Rauschmöglichkeit auch eine Strafbarkeit begründen kann. Ist ein Missbrauch zwar in der Theorie denkbar, in der Praxis aber quasi vollkommen ausschließbar, dann kann und darf der Handel mit den Produkten nicht strafbar sein.

Mit welchem Misstrauen Nutzhanf und auch den daraus gewonnen Erzeugnissen begegnet wird und wie unterschiedlich in Deutschland damit verfahren wird, zeigt auch die Beschlagnahmung in Dithmarschen. Obwohl das Lidl-Verfahren erst gerade eingestellt wurde und auf Besserung hoffen lässt, wurden bei Familie Thomassek in Schleswig-Holstein dennoch ihre gesamten Hanf-Güter inklusive aller Felder von insgesamt 3,7 Hektar beschlagnahmt. Die Familie baut schon seit 2019 Hanf an und zwar EU-zertifiziertes, das beim BLE, dem Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung, angemeldet ist und auch von dort die Freigabe zur Ernte erhält. 

Umso größer war die Bestürzung, als plötzlich LKA, Kripo und Polizei auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Itzehoe eine Durchsuchung und Beschlagnahme durchführten. Auch in diesem Falle geht es um die Bedenken, dass Produkte wie Hanftees zum Berauschen missbraucht werden könnten, wobei auch hier gilt, dass dies in der Praxis keinen Bestand hat. Während die Familie inzwischen eine Freigabe zur Ernte unter Aufsicht, mit anschließender Lagerung bis zur Beendigung des Verfahrens, erhalten halt, bleibt ihr - ebenso wie über 850 Betrieben und den tausenden damit verbundenen Arbeitsplätzen, die Ungewissheit wie es nun mit dem Nutzhanf weiter geht.

Warum genau jetzt, Jahrzehnte nach der Legalisierung von Nutzhanf und während andauernder Gespräche zu einer kompletten Legalisierung des Cannabis-Freizeitmarktes, noch solche Schritte eingeleitet werden, bleibt ebenso fraglich wie es zu hoffen gilt, dass sich weitere Staatsanwaltschaften dem Urteil von Heilbronn anschließen werden.

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Valentina Lentz