Grass Is Greener

Frank Brandse
12 Aug 2021

Der Einfluss von Cannabis auf die US-amerikanische Black Community ist immens. Fred Brathwaite, den die meisten wohl eher als Fab 5 Freddy von MTV kennen, erzählt in seinem Dokumentarfilm "Grass Is Greener" sehr viel davon, was schwarze Musiker im letzten Jahrhundert trotz verbreitetem institutionellen Rassismus erreicht haben. Und das wäre ohne Cannabis nicht annähernd so gut geworden...


Es gibt Dokumentarfilme, die muss man einfach ausführlicher besprechen. "Grass Is Greener" ist so ein Film. In dem ebenso unterhaltsamen wie informativen Streifen enthüllt die HipHop-Legende Fab 5 Freddy (der hier auch die Regie führte) die Geschichte der US-amerikanischen Cannabis-Prohibition von ihren Anfängen bis heute und zeigt dabei anhand von vielen konkreten Beispielen, wie eng sie mit der Musikgeschichte und staatlich etabliertem Rassismus verwoben ist.

Die von NETFLIX produzierte Doku bewegt sich chronologisch durch die Zeit. Sie beginnt mit dem Jazz des frühen 20. Jahrhunderts und interviewt dazu Experten, die u. a. darüber sprechen, warum einige der hellsten Stars dieses Genres (wie Cab Calloway, Louis Armstrong, Count Basie, Dizzy Gillespie u.s.w.) nicht nur Gras rauchten, sondern auch viele Songs darüber schrieben. Obwohl Cannabis zu dieser Zeit noch nicht offiziell in den USA verboten war, wurde es damals aber schon kräftig dämonisiert. Der Film verfolgt akribisch die Anfänge der Bemühungen der US-Bundesregierung, Cannabis als Genussmittel zu verbieten, weil es die Menschen angeblich verrückt und mordlustig mache. Propagandafilme wie Reefer Madness versuchten, diese falsche Botschaft an die Bevölkerung zu senden. Tatsächlich bot die US-amerikanische Prohibitionspolitik aber eher die praktikable Möglichkeit, missliebige Afroamerikaner oder Mexikaner zu verhaften und einzusperren. Und davon wurde reichlich Gebrauch gemacht.

Nach dem Cannabis-inspirierten Jazz der 20er und 30er Jahre fror der Zweite Weltkrieg die drogenpolitische Entwicklung weitgehend ein, bis dann in den 50er Jahren auch immer mehr weiße "Beatniks" das Rauchkraut für sich entdeckten und Alan Ginsberg es schließlich als erster wagte, öffentlich für eine Legalisierung von Cannabis zu werben.

In zahlreichen Interviews und mit reichlich Archivmaterial illustriert erläutert der Film auch die von Nixon in den 70er Jahren verschärfte US-amerikanische Drogengesetzgebung, bevor er sich der aufstrebenden (Cannabis zum heiligen Kraut erklärenden) Rasta-Culture der 70er Jahre und der Entstehung des HipHops in den 80er und 90er Jahren widmet.

Während Fab 5 Freddy die Tradition von Cannabis und dessen Einfluß auf die Black Music durch den Aufstieg von Reggae und Hip-Hop aufzeigt, berichtet er auch darüber, wie eine Substanz, die nachweislich nicht süchtig macht und viel weniger schädlich ist als Alkohol, durch die Nixon-Regierung zu einem Betäubungsmittel der Liste 1 (Schedule 1) werden konnte. Spätestens seit Nixons geheime Audio-Tapes veröffentlicht wurden, haben wir erfahren, dass der von ihm begonnene und von Ronald Reagan beschleunigte "Krieg gegen die Drogen" vor allem rassistisch motiviert war. Obligatorische Mindeststrafen und das umstrittene Drei-Strikes-Gesetz (zwei Verurteilungen und beim dritten Mal bekommt man zwangsläufig die Höchststrafe) sind Teil dieser unverhältnismäßigen Drogenverbotspolitik.

Der Film verfolgt akribisch die Anfänge der Bemühungen der US-Bundesregierung, Cannabis als Genussmittel zu verbieten, weil es die Menschen angeblich verrückt und mordlustig mache

In diesem Zusammenhang kommen auch viele namhafte HipHop-Pioniere zu Wort (unter anderem Snoop Dogg, Cypress Hill oder Run DMC) die aus dem musikhistorischen Nähkästchen plaudern und dabei zum Beispiel auch darauf verweisen, dass die heutige (gewaltige) private US-Gefängnisindustrie von vollen Knästen lebt und immer noch Leute für Cannabis jahrelang einsperrt. Trotz der voranschreitenden Cannabis-Legalisierung in den USA kann man dort immer noch für den Besitz von einem einzigen Joint für acht Jahre und mehr im Gefängnis landen. Insbesondere, wenn man nicht weiß ist.

Und so sitzen immer noch überdurchschnittlich viele Afro- und Lateinamerikaner wegen Cannabis in den US-Knästen, während die weißen Jungs das (in immer mehr Bundesstaaten) legale Cannabis-Business an sich gerissen haben, es dominieren und damit mittlerweile Milliarden machen. Gerecht ist das nicht, aber die neu entstandene Cannabis-Industrie ist (von Ausnahmen wie Mike Tyson oder Snoop Dogg einmal abgesehen) vor allem von weißen Geschäftsleuten bevölkert, die noch nie für Weed im Gefängnis saßen oder sich aktiv für die Legalisierung einsetzten.

Apropos Snoop Dogg: Wie der Film verrät, war er derjenige, der Dr. Dre vorgeschlagen hat, sein mittlerweile klassisches Soloalbum von 1992 "The Chronic" (ein Synonym für Cannabis) zu nennen. Aber Snoop erzählt auch davon, wie Cannabis die schwarze Kultur (und insbesondere deren Musik) beeinflusst hat. Und er sagt Sachen, wie: "Du könntest tausend Motherfucker in einen Raum stecken, die sich nicht mögen. Wenn du denen dann etwas Gras gibst, werden sie zusammen Selfies und alle möglichen coolen Sachen machen. Du kannst aber auch vier Leute in einen Raum stecken, die sich nicht mögen, und allen ein Glas Alkohol geben - dann wird bald jemand verdammt tot sein."

"Grass Is Greener" ist ein gelungener Dokumentarfilm über die Entstehung des Cannabis-Verbots in den USA, das einem tief verwurzelten (weißen) Rassismus entsprang, der Drogenpolitik als Mittel der Unterdrückung Andersdenkender und Anders(haut)farbiger einsetzt. Nicht nur für drogenpolitisch interessierte Historiker ist diese Doku empfehlenswert.

Text: M-Dog

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Frank Brandse