Kritisch überdüngt im Supersommer
Vor etlichen Jahren wurde der einstige Indoor-Grow während der Sommermonate von Erde auf CoGr-Matten umgestellt. Auch das Düngen war nun ganz anders – es kommen nicht mehr 3 bis 5 ml pro Liter ins Wasser, sondern soviel, bis der passende EC-Wert erreicht ist. Mit dem pH-Messgerät wird noch der pH-Wert abgepasst, der nicht mehr bei guten 6, sondern bei 5,5 bis 5,8 liegen soll. Damit die Werte stimmen, wird während des Anpassens mehrfach umgerührt, schon ist das Gießwasser für die halbautomatisierte Gießanlage vorbereitet.
Halbierte Erntemenge von unterirdischer Qualität
Für jedes Detail wird einem ein „grüner Bereich“ genannt. Wer sich in diesem bewegt, dem sollte auch eine perfekte Ernte bevorstehen. Die Realität ist immer wieder anders, weil sich diese Klimawerte nicht in jeder Situation perfekt einstellen lassen.
Zumindest lag der neu eingerichtete Growraum zur kühlen Nordseite, es liefen die einst typischen NDL-Lampen und ein groß dimensionierter Ablüfter. Doch was soll die Abluft noch kühlen, wenn die Frischluft bereits mit über 20 Grad reinkommt? Einstige Sommer waren weniger drückend, weil es wenigstens in den Nächten noch etwas auskühlte. Dennoch war es bereits ein Erfolg, dass die Temperatur im Hochsommer unter 30 Grad blieb.
Die gesunden Setzlinge entwickelten sich kaum und waren sichtlich am Blühen – das Höhenwachstum ist damit schon durch. Also wird einem anderen erfahrenen Grower die Situation geschildert, der die Antwort kennt:
„Zu wenig Dünger, die brauchen mehr!“
Es wurde bereits der obere Wert mit 2 bis 2,2 EC angepeilt. Dann also weiter mit 2,4.
Im Nachhinein liegt das Problem an der typischen Denkblockade – im Hinterkopf schlummert eigentlich die Antwort, dass den Pflanzen in der Situation der Dünger zuviel wird und sie sich deswegen nicht entwickeln. Gemacht wird dennoch das Gegenteil: Die Nährlösung wird konzentriert, um den Erfolg zu erzwingen. Erstaunlich ist, dass jede Pflanze bis zur Ernte durchgehalten hat. Diese wurde durchaus um ein paar Tage vorgezogen und lag bei rund 50 % der erwarteten Menge. Das ist nur das kleinere Problem – die Qualität dieser Blüten war unterirdisch, das Raucherlebnis mit solchen „Düngerknollen“ ist zum Abgewöhnen.
Diese komplett überdüngte Ernte wird jedoch zum Schlüsselerlebnis, mit der jede kommende Ernte sauber ausreift. Es folgte eine Fehleranalyse, in der mehrere Punkte aufeinandertrafen:
- Die neuen CoGr-Matten wurden zwar nach Anweisung aktiviert und vorbereitet. Doch leider war die genaue Zusammensetzung der aktivierenden Zusatzstoffe in den Matten schwankend. Beim Aktivieren wird erst an einer Seite ein Loch geschnitten, um eine vorbereitete Wasserlösung hineinzugeben. Nach dem Einweichen wird am anderen Ende durch die Folie gestochen und dann auch mehrfach in die Unterseite. Dieses ablaufende Wasser lässt sich mit dem EC-Stab messen. Es lag bei einem EC-Wert über 3, es soll eher bei 2 oder darunter liegen.
- Die Zusätze, die CoGr aktivieren, sind keine Düngemittel. Genau deswegen wird vom ersten Tag an mehrfach am Tag mit der Gießanlage etwas von der Nährstofflösung in die Matten geleitet. Von dem, was in die Matten gepumpt wird, sollen rund 20 % wieder rauslaufen. Genau so wurde es auch gemacht, rein technisch klappte alles.
- Im Hochsommer waren die Temperaturen im Growraum grenzwertig hoch. Weil dieses Problem neu war, liefen die Lampen noch tagsüber, später während der kühleren Nachtphase. Zumindest lief die Ablüftung häufig auf hoher Stufe und zog sehr viel Luft durch die Growkammer. Warme Zugluft erhöht zwangsläufig die Verdunstung, weswegen mehr gegossen wird, damit noch 20 % des Wassers durchlaufen. Der eigentliche Nährstoffbedarf ist hingegen nicht höher. Wenn die Pflanzen grenzwertig strapaziert sind und deswegen langsamer wachsen, ist der Nährstoffbedarf sogar niedriger.
- Die einst vitalen Setzlinge stehen also ab Tag 1 auf einem viel zu hohen EC-Wert in einem zu warmen Growraum und erhalten eine satte Nährstofflösung. Weil sie nicht richtig wachsen, wird diese bis zur Oberkante hochdosiert, wodurch die Pflanzen im Dünger stehen und nicht mehr wachsen können. Einzelnen Pflanzen sind sogar einige Blätter grünbleibend vertrocknet. Der Salzgehalt im CoGr war so hoch, dass die Wurzeln nicht mehr genug Wasser aufnehmen konnten, das Salz hält dieses fest.
Der Dünger in den CoGr-Matten wird sogar noch nach der Ernte zur bösen Stolperfalle, wenn diese mehrfach verwendet werden. Auch andere Pflanzmatten oder Pflanzmedien werden häufig mehrfach verwendet. Wenn der Dünger sich in diesen anreichert, ist der EC-Wert an Tag 1 bereits wieder so hoch, dass die vitalen Setzlinge nicht richtig bewurzeln können. Das Problem geht also unabhängig zur Sommerhitze in die nächste Runde: Zu viele Nährstoffe behindern das Bewurzeln der Jungpflanzen, die deswegen kleiner bleiben!
Ob beim Aktivieren oder drei Tage vor der Ernte: Künftig wurde Wasser durch die Matten geleitet, bis der EC-Wert im rauslaufenden Wasser bei ca. 1,6 lag. Außerdem wurde der EC-Wert während der ganzen Wachstums- und Blühphase beobachtet. Ab Tag 1 ging dieser EC-Wert langsam hoch, erreichte im Verlauf des Grows einen Wert über 4 EC und wurde drei Tage vor der Ernte auf ca. 1,6 EC gesenkt. Die Pflanzen vertrugen viel, andere Strains sind empfindlicher. Es kommt aber auch auf das Wurzelmedium oder den Dünger an, wie viel Nährstoffe die Pflanze verträgt. In jeder Situation lässt sich das herauslaufende Wasser prüfen. Zu beachten bleibt, dass der EC-Wert beim kräftigen Herausspülen etwas höher als beim langsamen Herauströpfeln ist, weil das Herausspülen die Nährstoffe mitreißt.
Zum besseren Verständnis: Einst lautete die Kritik, dass diese Aussagen nicht stimmen können, weil keine Pflanze einen EC-Wert von über 4 verträgt. Es geht bei diesem Wert um das Wasser, welches beim Spülen unten wieder rausläuft. Im Boden oder in Matten reichern sich die Nährstoffe an, solange nicht kritisch unterdüngt wird.
Dieses Anreichern scheint bis zu einem gewissen Grad das Ernteergebnis zu verbessern. Niemals wurde hier mit einem EC-Wert von über 4 oben hineingegossen. Dieser Wert von über 4 EC wurde auf CoGr und zuvor schon auf Erde gemessen.
Nur dass dieses Schlüsselerlebnis mit der anschließenden Erkenntnis erst im Supersommer im neu eingerichteten Growraum aufkam und fast 6 EC erreicht wurden. Um das überhaupt messen zu können, wird das Wasser 1 zu 1 mit Leitungswasser gemischt, die Formel lautet: gemessener EC-Wert weniger des halben EC-Wertes des Leitungswassers und das mal 2.
Selbst wer auf Erde anbaut, kann einen Topf entnehmen und so gießen, dass etwas Wasser herausläuft. Es lässt sich nicht nur der EC-, sondern auch der pH-Wert messen. Wenn der pH-Wert nicht passt, ist immer nur mit der Ober- oder Unterkante des grünen Bereichs entgegenzusteuern. Doch wie beim EC-Wert kann zur Not ordentlich etwas durchlaufen, um die „inneren Werte“ auszugleichen. Kritische Nährstofffehler lassen sich durch ein passendes Durchspülen retten. Wer die Werte durchgehend beobachtet, wird das Problem aber kaum noch haben. Anzumerken bleibt, dass auf vielen Wurzelmedien und selbst auf CoGr eine durchgehende Staunässe zu vermeiden ist. Ein zu häufiger Gießintervall oder ein ständiges Durchspülen auf Erde führt wegen Staunässe also zu Stagnation.
„Und was, wenn ich kein EC- und pH-Messgerät habe?“
Wer die Werte nicht im herauslaufenden Wasser messen kann, um anschließend seine Nährlösung anzupassen, muss seine Pflanzen und den Growraum beobachten: Wenn es sehr warm ist und die Pflanzen bei gewohnter Düngung mager wachsen, haben sie vermutlich schon grenzwertig viele Nährstoffe im Boden.
Ganz ohne Messgeräte lassen sich die Werte des herauslaufenden Wassers schätzen: Wer jede Woche einen Erdtopf herausnimmt und etwas drainierend gießt, sieht die Färbung des Wassers. Wird immer nach gleichem Muster angebaut, lässt sich die Färbung des herausgelaufenen Wassers zur Wachstumsphase einschätzen. Nach ein paar Ernten weiß man, wie die Färbung des Wassers in der jeweiligen Phase ist, wenn alles passt. Per Augenmaß lässt sich künftig also feststellen, ob vielleicht schon zu viele Nährstoffe im Boden sind. Wird die Anbautechnik jedoch angepasst, können Änderungen auf dieses zurücklaufen. Außerdem gibt es Zusätze oder Düngemittel, welche Huminsäure beinhalten. Diese kann das herauslaufende Wasser einfärben, ohne dass eine nennenswerte Nährstoffmenge enthalten ist.
Wenn die Lüftung im Supersommer hochfährt und es im Growraum kritisch warm ist, steigt die Verdunstung deutlich an, der Nährstoffbedarf hingegen nicht. Für dieselbe Nährstoffmenge ist deutlich mehr Gießwasser notwendig, ein großer Teil verdunstet, die Nährstoffe reichern sich hingegen an. Bis zu einem gewissen Grad sollen sich diese Nährstoffe während der Blüte sogar anreichern, mehr jedoch nicht. Bleiben diese Nährstoffe bis zum Erntetag im Boden, belastet das die Qualität der Blüten.
Deswegen setzen viele den Dünger bereits ein oder zwei Wochen vor der Ernte ab. Im eigenen Fallbeispiel wurden die Nährstoffe drei Tage vor der Ernte herausgespült. Es gibt inzwischen verschiedene Zusätze, die vor der Ernte mit pH-Wert-angeglichenem Wasser gegossen werden und den Dünger herauslösen.
Zurück zum einstigen Supersommer mit Überdüngung: Die Blüten wurden getrocknet und anschließend auch getestet – das hätte niemand freiwillig noch rauchen wollen.
Für die komplett überdüngten Marijuanablüten wurde ein Ice-o-Lator gekauft, um diesen zu testen. Sicherlich, es waren nur ein paar Gramm Ice-o-Lator-Haschisch, vielen auch als Wasserhasch bekannt, aber diese waren von guter Qualität. Das bedeutet, dass selbst dieser offensichtliche Abfall noch zu einem lohnenden Rauchvergnügen reicht, weil die Veredelung durch Extraktion gelingt. Es lassen sich hier jedoch keine Aussagen treffen, welche Extraktionsverfahren alternativ zum Ice-o-Later funktionieren.
Naheliegend ist, dass einige Extraktionsverfahren genau das mit herausfiltern, was das Konsumerlebnis belastet. Eine Sache ist jedoch ganz sicher: Wer sein Marijuana nicht überdüngt, hat nicht allein die hochwertigere, sondern auch schwerere Ernte und kann sich solche Rettungsversuche sparen.
Robert B.