Italiens schwindende Chancen
Seit Jahren gibt es in Italien immer wieder Bestrebungen, Cannabis zu liberalisieren, wenn nicht sogar zu legalisieren. Gespräche, die es nun nach den Neuwahlen schwer haben dürften, fortgesetzt zu werden.
Schon seit der Parlamentsauflösung am 21. Juli war es zu befürchten, nun ist es traurige Gewissheit: Nach Schweden durchlebt auch Italien den politischen Rechtsruck und somit schwinden die Chancen auf eine baldige Legalisierung. Sei es der vom Ausschuss noch vor Erreichen des Plenarsaals zurückgesendete Gesetzentwurf von 2016, die Entscheidung des Kassationsgerichts zugunsten des Eigenbedarf 2020, die dennoch nicht vor Sanktionen und Beschlagnahmungen schützt, oder das im Februar diesen Jahres vom Verfassungsgericht abgelehnte Volksreferendum, Italien kommt bei dem Thema Cannabis nur schwer voran. Und das, obwohl für das Referendum innerhalb weniger Tage 600.000 Stimmen gesammelt werden konnten und viele Menschen im Land die mit der Legalisierung einhergehende Schwächung der Mafia begrüßen würden.
Im Falle des Referendums begründete der Gerichtspräsident die Entscheidung damit, dass durch die Legalisierung auch automatisch andere Drogen wie Kokain zum Konsum freigegeben worden wären. Ein Problem, das man seitens der Befürworter eigentlich durch die Wahl bestimmter Formulierungen zu verhindern versucht hatte. Wie so häufig eine Auslegungssache und leider auch ein Zeichen dafür, dass die Politik die Wünsche und Vorstellungen des Landes nicht mehr versteht. Ein Umstand, der nun auch den Rechten des Landes den nötigen Auftrieb verschafft hat, um bei den Neuwahlen tatsächlich eine absolute Mehrheit erreichen zu können, in der Abgeordnetenkammer ebenso wie im Senat. Bestandteil des neuen Bündnisses rund um die potenzielle neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihre Fratelli d'Italia, sind die Parteien Lega und Forza Italia, die allesamt schon im Juli außer sich waren, wegen zu dem Zeitpunkt anstehenden Beratungen des Parlaments zu einer Liberalisierung von Cannabis sowie der Reform des Staatsbürgerschaftsrecht. Der Einwand lautet, es gäbe wesentliche wichtigere Themen für Italien zu bewältigen als die Freigabe von Drogen.
Dabei könnte die Legalisierung gerade in Krisenzeiten eine gute Option sein und dem Land eine Perspektive bieten. Aktuell werden jährlich 150 kg medizinisches Cannabis vom Pharmawerk des Militärs in Florenz produziert, der tatsächliche Bedarf liegt dabei jedoch seitens der Patienten bei insgesamt 3 Tonnen. Von den knapp 55.000 Häftlingen Italiens sind fast 20.000 aufgrund der Drogengesetze inhaftiert, auch dies ein Hinweis auf die Wichtigkeit der Thematik. Das Land könnte allein 600 Millionen an unnötigen Gerichtskosten sparen sowie der Mafia und organisierten Kriminalität einen gezielten Stoß versetzen, doch inwiefern derlei Themen in Zukunft in der italienischen Politik eine Rolle spielen werden, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Zunächst einmal obliegt es nun Staatspräsident Sergio Mattarella, jemanden mit der Regierungsbildung zu beauftragen.