Rockmusik & Drogen

Frank Brandse
16 Aug 2021

Musik und Drogen scheinen untrennbar zusammen zu gehören, ganze Musikgenres wurden durch das Erleben von Rauschzuständen geprägt. Nachdem wir uns in der letzten Ausgabe dem Reggae und seiner Verbindung mit Cannabis widmeten, geht es diesmal um die gute alte Rockmusik. Und da kommen nun auch andere Drogen mit ins Spiel...


Als in den 50er Jahren der Stern des "Kings" aufging, entdeckte der junge Elvis Presley auch Drogen, vor allem Pillen und Alkohol. "Als Elvis aus der Army kam, nahm er das Aufputschmittel Benzidrin – und zwar täglich. Es hieß dann immer: Wir machen die Nacht durch - brauchst du ein bisschen chemische Hilfe?" bekannte später Elvis’ Cousin. Und sein letzter Leibwächter gab zu: "Ab 1975 wurde es immer schlimmer. Als er anfing, mit starken Schmerzmitteln zu experimentieren, waren wir alle alarmiert. Es waren Mittel wie Demerol. Dir ist dann alles egal. Es ist synthetisch und fünfmal stärker als reines Morphium. Er nahm flüssiges Demerol ein - und die Ärzte gaben es ihm, wir konnten nichts dagegen tun."

Am 16. August 1977 wurde Elvis tot in seinem Badezimmer gefunden. Die Obduktion stellte fest, dass er nicht an Drogen-, sondern an Medikamenten-Missbrauch gestorben war. Was für ein (konstruierter) Unterschied!

In den 60er Jahren gingen Rockmusik und Drogenkonsum jene enge Verbindung ein, die bis heute viele Jugendkulturen prägt. Insbesondere auf Musikfestivals wurde die "freie Liebe" und der Drogenkonsum als Ausdruck einer Gegenkultur verstanden und gelebt. Zahlreiche Musiker unterstützten diesen Trend, wenn sie in ihren Liedern eigene Drogenerlebnisse verarbeiteten und damit (zumindest indirekt) zur Nachahmung aufriefen.

Die erfolgreichste Band aller Zeiten bildete da keine Ausnahme: die Beatles waren auch in punkto Drogen Vorreiter einer ganzen Jugendkultur. Anfangs vergnügten sie sich noch mit Alkohol und Pillen, doch als Bob Dylan 1964 die "fabelhaften Vier" mit Cannabis bekannt machte, "hörten wir mit dem Trinken auf, einfach so", erklärte später John Lennon. Dieser besondere Augenblick fand zu Beginn der ersten US-Tour der Beatles in einem New Yorker Hotelzimmer statt. Dylan und die Beatles hatten sich gerade erst kennengelernt, also bot Dylan den Jungs erstmal einen Joint an, "um das Eis zu brechen". Doch mit Cannabis hatten die Vier noch gar keine Erfahrungen gemacht. Also ließ John Lennon Ringo Starr erstmal "vorkosten", der den ganzen Joint alleine rauchte und danach nur noch kicherte. Nachschub war schnell organisiert und so wurde es auch für die Anderen ein lustiger Abend. Dylan konnte einfach nicht glauben, dass die Beatles zuvor noch nie Cannabis inhaliert hatten. Aber nachdem Dylan sie auf den Geschmack gebracht hatte, nahmen die Beatles fortan jede Gelegenheit wahr, Cannabis zu konsumieren. "Wir verdanken ihm viel", gab Lennon später zu, "Marihuana und LSD sickerten allmählich in alles ein. Uns wurde klar, dass es weit weniger Schranken gab, als wir uns bis dahin eingebildet hatten. Uns wurde klar, dass wir viele Schranken einfach einreißen konnten."

So entwickelten sich die Beatles schließlich zu Kulturradikalen. Es ist heute unbestritten, dass die Katalysatoren, die die Entwicklung der Pilzköpfe hin zu kritisch reflektierenden Rebellen beförderte, Cannabis und LSD waren. Viele Bands gingen aber noch (viel) weiter - in ihrer Kunst oder mit Drogen. Pink Floyd z. B. verarbeiteten musikalisch gleich ganze Weltraumausflüge und die New Yorker Band Velvet Underground schilderte in ihren Liedern, wie sie auf den Dealer warten und wie dann das frisch besorgte Heroin auf sie wirkt. Die unbekümmerten Drogensongs dieser frühen Ära verbanden den Konsum oft mit Freiheit und Selbstverantwortung. "I made a very big decision" heißt es in "Heroin" von Velvet Underground. Irgendwo zwischen Selbsterfahrung und Selbstzerstörung lag damals das Ziel. Viele Bands der Sechziger gelten nichtsdestotrotz bis heute als stilprägend - auch in Hinblick auf das Image, wie ein berühmter Rockstar auszusehen und aufzutreten hat.

woodstock
Elvis

Im August 1969 gaben sich die Stars jener Zeit auf dem "Woodstock Music and Art Festival" ein munteres Stelldichein. Cannabis, Meskalin und LSD wurden hier ganz offen verkauft, das Ereignis gilt als musikalischer Höhepunkt der US-amerikanischen Flowerpower-Hippiebewegung und ist längst zur Legende geworden.

Wie Janis Joplin war auch Jimmi Hendrix eine der ganz großen Nummern auf dem Woodstock Festival. Auch er hatte das Bedürfnis, hinter sämtliche Türen zu blicken. Doch genauso wie Janis Joplin (die später an einer Überdosis Heroin starb) verkraftete auch Hendrix seinen Erfolg nur sehr schwer und versuchte, sich mit Sex und Drogen abzulenken. Einmal zum Superstar hochstilisiert, verstand es der psychisch ohnehin nicht sehr Stabile kaum, die überzogenen Erwartungen seiner Fans zu bedienen. Er lieferte unter Drogeneinfluss teilweise katastrophale Konzerte ab und verfiel im Anschluss daran immer häufiger in Depressionen. Am 18. September 1970 wurde Hendrix tot in einem Londoner Hotelbett gefunden. Die Umstände seines Todes geben bis heute Rätsel auf. Fest steht aber, dass Alkohol und eine Überdosis Schlaftabletten mit im Spiel waren. Und auch Heroin konnte als Todesursache nie ausgeschlossen werden.

Auch Jim Morrison experimentierte schon in jungen Jahren mit Drogen - oder besser gesagt: er nahm alles, was er in die Hände bekam. Für ihn stellten Drogen wie Cannabis, LSD und Meskalin ein Werkzeug dar, mit dem er seine "Pforten der Wahrnehmung" öffnen konnte. Er schrieb darüber viele Songs, kleidete sich in hautenges, schwarzes Leder und übte sexuell provokante Posen, die er bei seinen Auftritten mit "The Doors" einbaute. Als der Erfolg kam, gab die Band mehrere Auftritte pro Woche, oft ersetzte dabei der Drogenrausch den Schlaf. Morrison hatte bald alarmierende Alkoholprobleme; er versammelte bekannte und unbekannte Trinker um sich und besoff sich regelmäßig mit ihnen. Die anderen Bandmitglieder stellten ihm schließlich eine Art Aufpasser zur Seite, der Jim vor dem Gröbsten bewahren sollte. Vergeblich - am Morgen des 3. Juli 1971 fand man Morrison tot in seiner Badewanne. Zur Legendenbildung mag (wie bei Joplin und Hendrix) der frühe Tod des Sängers beigetragen haben. Auch er war zum Zeitpunkt des Todes erst 27 Jahre alt und hatte damit das Klischee vom exzessiv lebenden Rockstar erfüllt.

Doch nicht alle Drogen nehmenden Künstler starben an ihrer Maßlosigkeit, manche sind bis heute erfolgreich - so z. B. die Rolling Stones. Sänger Mick Jagger bekannte mehrfach, diverse Experimente mit LSD gemacht zu haben. Und gekifft wurde zu der Zeit ohnehin immer und überall. Auch Benzidrin-Tabletten führte Jagger damals stets in ausreichender Menge mit sich, denn "An Orten wie diesen würde ich sofort einschlafen, wenn ich die Pillen nicht hätte" erklärte er einmal in einem Nightclub. Natürlich wurde zu all dem auch noch kräftig gebechert. Es ist auch kein Geheimnis, dass Gitarrist Keith Richards jahrzehntelang "auf Koks" war. Er geriet dadurch immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz, 1978 wurde er z. B. in Toronto wegen Drogenbesitz zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der Legende nach hat Richards mittlerweile chirurgisch erneuerte Naseninnenräume und daher auch keinen Bock mehr auf "eine kleine Line".

Trotzdem: Die Rolling Stones sehen das Leben wie Bob Dylan, der einmal sagte: "Alle sollten einfach wagen, das zu tun, was ihnen Spaß macht: etwas über Sex lernen und Drogen und deinen Kopf. Es wird dich vielleicht durchrütteln - aber wir alle brauchen etwas, das uns durchrüttelt."

Jimmi Hendrix
Marilyn Manson

Durchrütteln wollte auch Iggy Pop, selbsternannter "Godfather of Punk" und ein wandelnder Skandal. Er schwankte permanent zwischen Drogenexzess und Entzug, seine selbstzerstörerisch-aggressive Ader lebte er regelmäßig bei seinen Auftritten aus. Und wurde so zur Kultfigur. Dass eine andere Kultfigur des Punk in die Musikgeschichte einging, lag weniger an seinem musikalischen Talent, als an seinem tragischen Tod: Sid Vicious, Bassist der "Sex Pistols" stand unter Anklage, seine Freundin Nancy im Heroinrausch erstochen zu haben. 1979 wurde er nach 55 Tagen auf Kaution aus dem Gefängnis entlassen. Seine ebenfalls heroinabhängige Mutter Anne holte ihn ab und Sids erster Gedanke galt dem Stoff, den er sich direkt wieder gab. Ihn plagte aber auch der Gedanke, im Drogenrausch tatsächlich seine Freundin ermordet zu haben. Da er sich an nichts mehr erinnern konnte, musste er eine lebenslange Haftstrafe befürchten. Um der Haft zu entgehen injizierte Anne ihrem Sohn schließlich ganz bewusst eine tödliche Überdosis. So wie er es sich gewünscht hatte...

Die Rockszene der Achtziger knüpfte nahtlos an die der 70er an, Bands wie U2, Guns'n'Roses oder Aerosmith wurden zu Superstars. Nach wie vor nahm man Drogen, doch es wurde zunehmend uncool, an der Nadel zu hängen oder sich tot zu saufen. Fast war man geneigt zu glauben, die Rockstars hätten aus ihren toten Vorbildern gelernt, doch da begannen auch schon die 90er und "Grunge" entstand. Die Band dazu kam aus Seattle und hieß Nirvana. Sänger Kurt Cobain bekannte schon ganz zu Anfang seiner (Drogen-)Karriere: "Ich habe mich für den absoluten Exzess entschieden: alles auf einmal und zwar volle Kraft. Es ist doch besser hell auszubrennen, als in Dunkelheit dahinzuschwinden." Dementsprechend oft machte der Heroinabhängige Schlagzeilen durch drogenbedingte Festnahmen, Gefängnisstrafen und vergebliche Rehabilitationsversuche. Schließlich injizierte sich Cobain in seinem Haus in Seattle eine Überdosis und schoss sich ("sicherheitshalber") mit einer Schrotflinte in den Kopf. Auch Kurt Cobain ist ein "gutes" Beispiel dafür, dass Erfolg, Drogen und Geld nicht die wichtigsten Dinge im Leben sind.

Lassen wir abschließend noch DEN Schock-Rocker zu Worte kommen: Marylin Manson, der jahrelang in einem seiner Ringe Valium versteckte: "Früher war ich Nihilist und habe ohne Ende Drogen genommen. Mittlerweile habe ich mein Leben viel mehr unter Kontrolle und bin tatsächlich positiver geworden. Valium nehme ich heute gar nicht mehr so oft. Wenn ich toure, habe ich allerdings immer etwas Absinth dabei. Das Härteste, was ich sonst noch nehme, sind Hasch-Kekse. Die sind echt der Knaller!"

Und so scheint sich das Image der Rockmusik inzwischen nachhaltig geändert zu haben: Den vornehmlich jungen Fans versucht die heutige Musikindustrie zu verkaufen, dass Rockmusik inzwischen wieder eine "saubere Sache" sei. Wenn dann eine italienische Rockband den Eurovision Song Contest 2021 gewinnt und es für eine Sekunde so aussieht, als würde sich der Sänger irgendetwas in die Nase ziehen, dann wird das direkt ein internationaler Skandal.

Text: M-Dog

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Frank Brandse