Autoflowering- oder klassische Sorten?
Denken Sie darüber nach, ob Sie Autoflowering- oder klassische Sorten anbauen sollen? Oder haben Sie schon beides ausprobiert und sind sich nicht sicher, was in ihrem Fall besser geeignet wäre? Hin und wieder stehe ich auch vor diesem Dilemma. Dabei habe ich Erfahrungen mit dem Anbau beider Arten, drinnen und draußen, und in diesem Artikel werde ich alle Erkenntnisse zusammenfassen, die für den Leser wichtig sein könnten, um eine qualifizierte Entscheidung zu treffen.
Definition von Begriffen
Damit eventuelle Unklarheiten vermieden werden, erkläre ich zunächst die grundlegenden Begriffe, die allerdings den meisten Lesern schon bekannt sein dürften. Unter klassischen Sorten verstehe ich Kurztagssorten. Sie beginnen erst zu reifen, d.h. Geschlechtszellen zu bilden, wenn sich die Dauer des Tageslichts auf etwa 13 Stunden verkürzt hat. Klassische Sorten fangen nicht früher an zu blühen. Die Tageslänge lässt sich beeinflussen - in einem Gewächshaus mit einer Vorrichtung zum Abdecken des Daches, im Anbauraum mit Hilfe künstlicher Beleuchtung. Im Freien sind wir auf den normalen natürlichen Zyklus angewiesen, was bedeutet, dass klassische Sorten erst im August mit der Blüte beginnen und zwischen Ende September und Anfang November erntereif sind (auf der Nordhalbkugel).
Die Autoflowering-Züchtungen sind tagesneutrale Sorten, d.h. sie beginnen von einem bestimmten Abschnitt ihres Lebens an zu reifen, unabhängig von der Länge des Tages/der Nacht. Ich weiß nicht genau, warum tagesneutrale Sorten "autoflowering" oder "automatisch" genannt werden - wahrscheinlich aus Marketinggründen. Der Begriff "tagesneutral" vermittelt wohl nicht den richtigen Eindruck, also dass der Anbau dieser Züchtungen keine großen Schwierigkeiten bereiten sollte. Hingegen suggerieren einem die Bezeichnungen Autoflowering- bzw. Automatik-Sorten sogleich, dass der Anbau solcher Sorten wie von selbst abläuft. Was nicht ganz richtig ist, aber darauf komme ich später noch zu sprechen.
Die allermeisten Samen von Autoflowering- Sorten sind in feminisierter Form erhältlich, sodass nur weibliche Pflanzen daraus heranwachsen. Dies ist nicht überraschend, denn feminisierte Samen haben die nicht-feminisierten (regulären) Samen im Lauf der Jahre verdrängt. Ich stelle diese Begriffe klar, damit die klassischen (feminisierten) Samen nicht mit den nicht-feminisierten Samen verwechselt werden. In diesem Artikel vergleiche ich also den Anbau von klassischen Kurztags- mit dem von tagesneutralen Sorten.
Autoflowering-Sorten kommen auf den Markt
Die Hanfindustrie kennt die tagesneutralen Sorten schon seit geraumer Zeit. Sie sind genauso verbreitet wie einhäusige Sorten, die männliche und weibliche Sexualorgane in ein und derselben Pflanze produzieren. Allerdings waren tagesneutrale Sorten für Grower und Konsumenten, die auf einen hohen Cannabinoidgehalt fixiert sind, lange Zeit uninteressant, da Geschmack und Ertrag schlecht waren. Die erste und bekannteste Sorte mit besserem Geschmack und stärkerer Wirkung ist zweifellos Lowryder, die - soweit ich weiß - um 2005 erschien. Aber der wirkliche Boom bei Autoflowering-Sorten setzte etwa ein Jahrzehnt später ein. So um diese Zeit begannen die wirklich ertragreichen Auto-Sorten zu erscheinen; Geschmack und Aroma wurden nun so gut wie bei den klassischen Sorten. Outdoor-Grower in kälteren Gegenden oder an Orten, wo der Sommer früher endet, waren hellauf begeistert. Autoflowering-Sorten gaben ihnen die Gewissheit, dass ihre Pflanzen reif sein würden, bevor der Herbstregen und die Kälte kommen. Bei klassischen Sorten konnten sie sich dessen nie sicher sein, und nach fast sechs Monaten Anbauzeit mussten diese Outdoor-Grower ihre Pflanzen oft zu früh ernten, bevor sie voll ausgereift waren. Das war natürlich traurig, weil es sich negativ auf Gewicht und Qualität der Ernte auswirkte.
Es dauerte nicht lange, bis auch Indoor-Grower, die unter künstlicher Beleuchtung anbauen, auf den Autoflowering-Zug aufsprangen. Und der Hauptgrund? Der Anbau ist einfach. Plötzlich musste man nicht mehr überlegen, ab wann man die Anzahl der Lichtstunden reduziert und in die Blühphase wechselt. Automatik-Sorten halten sich ausgezeichnet, wenn sie während des gesamten Anbaus 18-22 Stunden Licht pro Tag erhalten. Die schnellsten Sorten können schon 70 Tage nach der Keimung erntereif sein, außerdem sind sie in der Regel kleiner, was bedeutet, dass man sich im Anbauraum nicht mit riesigen Pflanzen herumplagen muss.
Vorteile und Nachteile
In den vorigen Absätzen habe ich bereits eine Reihe von Vorteilen der Autoflowering-Sorten erwähnt. Wollen wir sie für das Protokoll zusammenfassen: 1) Draußen können sie auch unter kühleren Bedingungen reifen. 2) Sie können im Sommer die stärkste Sonnenstrahlung erhalten. 3) Beim Indoor-Anbau muss der Lichtzyklus nicht geändert werden. 4) Der Zeitraum zwischen Aussaat und Ernte ist kurz. 5) Die Pflanzen wachsen nicht zu hoch.
Dennoch haben die klassischen Sorten einige Vorteile, oder - anders ausgedrückt – Autoflowering-Sorten weisen auch einige Nachteile auf. 1) Man kann von klassischen Sorten Stecklinge schneiden, aber von Autoflowering-Sorten nicht. 2) Aus Stecklingen gezogene Pflanzen können drinnen genauso früh geerntet werden wie Autoflowering-Sorten, aber die Stromkosten sind geringer. 3) Im Freien angebaut können klassische Sorten viel mehr Gramm pro Pflanze liefern als Autoflowering-Sorten. Das ist nur logisch, denn je länger die Pflanzen wachsen können, desto größer werden sie.
Die Vor- und Nachteile müssen von jedem Grower nach den eigenen Präferenzen abgeschätzt werden. Ich selber baue Autoflowering-Sorten gern im Freien an. Dass sie so bald geerntet werden können, finde ich sehr erfreulich. Außerdem gefällt mir daran, nicht so viele Gedanken wegen Schimmel machen zu müssen - ein Problem, mit dem ich beim Anbau klassischer Sorten in den regnerischen Herbstmonaten oft zu kämpfen habe. Beim Indoor-Anbau entscheide ich mich jedoch für die Klassiker, da ich allgemein lieber mit Stecklingen anbaue. Der Grund: Ich konzentriere mich auf eine standardisierte Produktion und da gäbe es beim Anbau mit Saatgut Probleme, denn bei Saatpflanzen kommt es immer zu einer gewissen Variabilität. Auch wenn viele kleine Eigenanbauer froh sind, verschiedene Phänotypen und Chemotypen einer Sorte zu erhalten (selbst bei einem Päckchen mit nur zehn Samen), ist diese Instabilität für eine kommerzielle, standardisierte Produktion nicht wünschenswert. Allerdings habe ich eine Abteilung mit Autoflowering- Pflanzen in meinem Test-Anbauraum. Wer sie noch nicht ausprobiert hat, dem empfehle ich, dies zu tun.
Einige Besonderheiten des Cannabisanbaus
Während der Anbau klassischer Sorten heute sehr gut beherrscht wird und beschrieben ist, gibt es noch unterschiedliche Ansichten, was die Anbaumethoden mit "Autos" betrifft. Beispielsweise ist oft zu hören, Autoflowering-Sorten benötigten weniger Dünger. Dies hängt jedoch vom jeweiligen Standpunkt ab. Werden – im Freien angebaut - eine klassische und eine Autoflowering-Sorte miteinander verglichen, ist es sehr wahrscheinlich, dass in absoluten Zahlen gemessen die klassische mehr Nährstoffe benötigen wird. Der offensichtliche Grund: Bei klassischen Sorten ist der Lebenszyklus doppelt so lang und sie produzieren sehr viel mehr Biomasse. Meiner Erfahrung nach haben jedoch gut gedüngte Autoflowers nachweislich höhere Erträge als ihre weniger gedüngten Kolleginnen. In beiden Fällen ist es eine gute Idee, die Samen oder Sämlinge in ein etwas vorgedüngtes, leichtes Kultursubstrat zu platzieren. "Light-Mix" beispielsweise ist eine ausgezeichnete Wahl. Diese Mischung kann von verschiedenen Herstellern gekauft werden. Meine Lieblingsmarken sind Plagron und BioBizz. Sobald an den Pflanzen das Wachstum deutlich wahrzunehmen ist und sie dabei voller Lebenskraft sind (etwa drei Wochen nach der Keimung), sollten sie zumindest ein wenig gedüngt werden. Für den Anbau in Erde würde ich organischen Dünger empfehlen, für Hydrokulturen mineralischen Dünger.
Der kurze Lebenszyklus von Autoflowering-Sorten lässt wenig Spielraum, um mögliche Fehler und Schäden zu beheben. Stehen die Pflanzen irgendwie unter Stress, könnte deshalb das Ergebnis des gesamten Anbaus erheblich beeinflusst werden - und zwar im negativen Sinne. Man stelle sich etwa vor, die Pflanzen werden am Beginn der Wuchsphase zu stark gedüngt oder zu niedrigen Temperaturen ausgesetzt. Häufig reagieren die Pflanzen darauf, dass sie für eine Woche, manchmal sogar länger, aufhören zu wachsen. Klassische Sorten hätten immer noch genügend Zeit, das Minus auszugleichen - vorausgesetzt, die Bedingungen verbesserten sich. Autoflower-Cannabispflanzen hingegen können deswegen völlig verkümmern, was bedeutet, dass sie nicht in der Lage sind, rechtzeitig das normale Wachstum wieder aufzunehmen. Die Folge sind Zwergpflanzen mit geringen Erträgen. Versuchen Sie daher bei Autoflowering-Sorten Stress so weit wie möglich zu vermeiden. Während klassische Sorten während der Wuchsphase problemlos zweimal umgesetzt werden können, pflanzt man die Samen von Autoflowering-Sorten am besten gleich in den (End)Behälter, in dem sie fortan ihr ganzes Leben verbringen werden. Ich selber bringe die Samen lieber erst zum Keimen, ziehe die Pflänzchen vor - damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Autoflowering-Sämlinge pflanze ich in größere Töpfe, sobald die ersten echten Blätter auftauchen. In diesem Stadium sind in den kleinen Töpfen die Wurzeln noch nicht aus dem Substrat herausgewachsen. Beim Umpflanzen achte ich sehr darauf, dass das Substrat um die Wurzeln herum nicht auseinanderbricht oder abfällt.
Geben Sie Ihren "Autos" Wärme, reichlich Dünger und gießen Sie die Pflanzen richtig. Je mehr Platz die Wurzeln erhalten, desto besser sind die Chancen auf eine reiche Ernte. Wird in Töpfen angebaut, sollten diese mindestens ein Fassungsvermögen von 12 Litern haben. Ich verwende für draußen 25-Liter-Töpfe und für drinnen 15-Liter-Töpfe. Autoflowering-Sorten mögen auch sehr viel Licht. Für den Indoor-Anbau haben bei mir täglich 20 Stunden Licht und 4 Stunden Dunkelheit am besten funktioniert. Was den Anbau im Freien betrifft, meine ich, die beste Zeit für die Keimung ist die zweite Maihälfte. An den Pflanzen sind so etwa um den 20. Tag nach der Aussaat herum die ersten Anzeichen von Blütenknospen zu sehen und sie werden etwa 50 Tage lang blühen. Pflanzen, die in der zweiten Maihälfte gesät werden, genießen die längsten Tage, die höchste Lichtintensität und oft auch den heißesten Abschnitt des Jahres. Im Juni gesäte Pflanzen haben ebenfalls hervorragende Bedingungen (dies gilt für die nördliche Hemisphäre). Pflanzen, die später im Sommer ausgesät werden, belohnen einen mit einer schönen Färbung, die stärker ausgeprägt ist, weil sie dann erst im Herbst reifen.
Obwohl der Anbau von Autoflowering-Sorten einige Nachteile hat, ist er in vielerlei Hinsicht einfacher und hat viele Vorteile. Ich glaube jedenfalls, dass Autos eine ausgezeichnete Wahl für Outdoor-Grower sind. Aber auch wenn man sich für den Anbau unter künstlichem Licht entscheidet, sind mit ihnen erstaunliche Ernten zu erzielen - vorausgesetzt, man wendet die die richtigen Anbaumethoden an.
Ich hoffe sehr, dass dieser Artikel Ihnen bei der Entscheidung geholfen hat, was als nächstes angebaut wird. Und ich freue mich darauf, einen neuen Artikel für die nächste Ausgabe Ihres Lieblingsmagazins Soft Secrets zu schreiben.
Mr. José