Gedenken an reggae-legende Lee "Scratch" Perry
Lee "Scratch" Perry, Wegbereiter des Roots-Reggae und Dub, der jamaikanische Musik bekannt machte, ist im Alter von 85 Jahren gestorben.
Perry starb am 29. August 2021 im Krankenhaus in Lucea, Nord-Jamaika. Die Todesursache muss noch bekannt gegeben werden. Perrys Musikstil wurde zur Grundlage des "Roots Reggae"-Sounds, der durch Bob Marley weltberühmt wurde. Gleichzeitig hatte seine Dub-Produktion mit der einzigartigen Nutzung von Raum und Echo einen tiefgehenden Einfluss auf PostPunk, Hip-Hop, Dance Music und andere Musikrichtungen. Perry galt als einer der exzentrischsten und angesehensten Künstler Jamaikas und Keith Richards von den Rolling Stones bezeichnete ihn einmal als "den Salvador Dalí der Musik. Er ist ein Mysterium. Die Welt ist sein Instrument. Man muss ihm zuhören." Perry wurde 1936 im Nordwesten Jamaikas geboren und verließ die Schule in jungen Jahren. Clement "Coxsone" Dodd, Leiter des Reggae-Studios und Labels Studio One, engagierte ihn als Assistenten.
Perry stieg schnell als Talentscout, DJ, Geschäftsleiter und Musiker auf. Der Name "Scratch" rührt von einer frühen Aufnahme aus dem Jahr 1965 namens „The Chicken Scratch“ her. Perry wurde im Laufe seiner Karriere immer selbstständiger, nabelte sich ab, gründete seine Begleitband "The Upsetters" und veröffentlichte einige frühe Stücke, die stark von Spaghetti-WesternSoundtracks beeinflusst waren: Clint Eastwood, Return of Django und The Good, the Bad and the Upsetters u.a.
1973 baute er sein berühmtes Black Ark Studio, experimentierte mit Drum Machines und anderem Studioequipment. Neben legendären Geschichten über das Abfeuern von Gewehren, das Zerschmettern von Glas und das Sampling von Tiergeräuschen war Perry dafür bekannt, Marihuana-Rauch auf Masterbänder zu blasen, um die Aufnahmen zu "verbessern". Er leistete Pionierarbeit bei Dub-Versionen von Reggae-Tracks, betonte den Bass und fügte Hall hinzu, um einen unheimlichen, widerhallenden Effekt zu erzeugen. "Ich sehe, das Studio muss wie ein lebendiges Ding, selbst ein Lebewesen sein", "Die Maschine muss lebendig und intelligent sein.
Dann übertrage ich meine Seele in die Maschine und die Maschine führt die Realität aus." - Lee Scratch Perry. Das von Perry produzierte Album "War Ina Babylon" bot Mitte der 1970er Jahre eine der größten Hymnen des politisierten Reggae: "Chase the Devil". Perry produzierte weitere Klassiker, darunter das kosmische Meisterwerk der Congos "Heart of the Congos" und das Dylan-Cover "Party Time" der Heptones. Junior Murvins "Police and Thieves" schlug als Hymne gegen Polizeibrutalität voll ein; sie wurde später von The Clash gecovert. Perry produzierte 1977 auch die Single „Complete Control“ von The Clash.
Vor Black Ark arbeiteten Perry and The Upsetters bekanntlich mit Bob Marley and the Wailers zusammen. Ihre Aufnahmen von 1970 und 1971 stehen bis heute in hohem Ansehen. "Scratch half meinem Vater, tiefer in sich selbst zu schauen und war sehr behilflich für seine Karriere." - Ziggy Marley Perry war schon immer ein Befürworter von Cannabis, der zugehörigen Kultur und dem Lebensstil verbunden. Im Jahr 1980 wurde Paul McCartney mit einem halben Pfund Marihuana in Japan verhaftet, einem Land, das nicht gerade für seine Drogentoleranz bekannt ist. Perry hatte bereits 1977 mit McCartney und seiner Frau in seinem Black Ark Studio auf Jamaika zusammengearbeitet.
Als Perry hörte, dass McCartney verhaftet worden war, schrieb er einen Brief an Tokios Justizminister und erbat seine Freilassung. "Ich möchte meine Befremden darüber zum Ausdruck bringen, dass ein Viertel Kilo für Sie eine übermäßige Menge Cannabis ist." "Ich meine, die pflanzlichen Kräfte von Marihuana, welche dazu dienen, sich zu entspannen, zu beruhigen und positive Gefühle zu erzeugen, sind ein Muss." "Bitte betrachten Sie die betreffende Cannabismenge nicht als überhöht. Master Paul McCartneys Absichten sind positiv." Perry rauchte jahrzehntelang Cannabis, hörte aber schließlich 2008 damit auf, als er in seinen 70ern war. "Seit 25 habe ich Marihuana geraucht, und es überlastet das Gehirn" "Ich rauche es nicht mehr." Nur wenige Menschen verehrten Marihuana so sehr wie Perry, und dessen Einfluss ist deutlich zu sehen, wenn man die über 50 Jahre seines Wirkens und sein Vermächtnis überblickt.
1983 brannte Perry das Black Ark Studio nieder, davon überzeugt, böse Geister hätten Besitz davon ergriffen, nahm aber für den Rest seines Lebens weiterhin neue Musikstücke auf. 2003 gewann er einen Grammy für das Album Jamaican ET. Im letzten Abschnitt seiner Karriere arbeitete er auch mit George Clinton, Moby, the Orb, Ari Up von den Slits, den Beastie Boys und den britischen Dub-Produzenten Adrian Sherwood und Mad Professor zusammen.
Ebenso wie für seine Musik war Perry auch für seinen exzentrischen, farbenfrohen Geschmack bezüglich Kleidung und seine spirituelle Sichtweise bekannt. "Ich bin ein Alien aus einer anderen Welt", "Ich lebe im Weltraum - ich bin nur ein Besucher hier." Nach der Meldung von seinem Tod wurde Perry auf der ganzen Welt ehrend gedacht. "Die Musikwelt hat einen ihrer rätselhaftesten Schöpfer verloren; ein erstaunliches, unvergleichliches Phänomen, dessen Klangwellen unsere Leben verwandelt haben". Reggae-DJ David Rodigan hat es sehr treffend zusammengefasst. Der Schriftsteller Hari Kunzru beschrieb Perry als "einen der größten Künstler der letzten 50 Jahre. Ein Großteil unseres Lebens (ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht) sind gelebte Klangwelten, die er geschaffen hat."
RIP Lee Scratch Perry 1936-2021