Anhörung im Bundestag: Drogenkonsum & Drugchecking

19 May 2021

Am 17. Mai 2021 fand im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Anhörung zu zwei Anträgen der Fraktion der LINKEN statt. Darin ging es zum einen um die Entkriminalisierung der Konsumenten aller Drogen mithilfe einer deutschlandweiten Festlegung geringer Mengen im BtMG, deren Besitz straffrei bleiben sollen. Zumn anderen ging es in der Anhörung darum, endlich "Rechtssicherheit für Drugchecking zu schaffen".

Wir dokumentieren die Stellungnahme von Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands (DHV), der bei der 60-minütigen Anhörung ebenfalls zu Wort kam.

Der Hanfverband veröffentlichte das Statement und die Forderungen Wurths der Anhörung am selben Tag im Rahmen einer Pressemitteilung:

Stellungnahme des Deutschen Hanfverbands (DHV) zur Öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages am 17.05.2021 zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE „Bundeseinheitliche geringe Drogenmengen festlegen und Harm Reduction erleichtern“ (BT-Drucksache 19/ 14828) und „Rechtssicherheit für Drug-Checking schaffen“ (BT-Drucksache 19/ 28774)

Entkriminalisierung der Konsumenten – Strafverfahren abschaffen!
Als Vertreter des Deutschen Hanfverbands, aber auch als (Gründungs-)Mitglied von Schildower Kreis, LEAP Deutschland und akzept e.V. begrüße ich den Vorstoß zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten. Prohibition und staatliche Repressionsmaßnahmen richten beim Thema Drogen grundsätzlich mehr Schaden an als dass sie irgendwelche messbaren Vorteile haben. Insofern ist es überfällig, dass wir uns als Gesellschaft Gedanken über einen grundsätzlich anderen Umgang mit psychoaktiven Substanzen machen. Dazu gehört auch ein wie auch immer gearteter regulierter Zugang zu unterschiedlichen Substanzen.


Die Entkriminalisierung der Konsumenten reduziert nur einen Teil der Schäden, die Prohibition mit sich bringt. Dadurch ändert sich zum Beispiel nichts daran, dass das wissenschaftlich nicht nachvollziehbare, willkürliche Verbot diverser Substanzen und deren Verdrängung in einen Schwarzmarkt das größte Förderprogramm für organisierte Kriminalität ist.


Für eine Regulierung aller Substanzen scheinen Politik und Gesellschaft noch nicht bereit zu sein. Insofern ist es sinnvoll und nachvollziehbar, zunächst die Konsumenten zu entkriminalisieren. Während viele Politiker bei den Händlern dieser Substanzen noch von einer Gefährdung anderer ausgehen und diese deshalb weiter strafrechtlich verfolgen wollen (im unlogischen Gegensatz zu den Händlern von Alkohol), setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass bei den Konsumenten selbst kein Unrechtsgehalt und keine Fremdgefährdung bestehen als bei den Konsumenten von Alkohol.


Im Kern ist diese Erkenntnis des fehlenden Unrechtsgehalts und der fehlenden Fremdgefährdung der Grund dafür, warum die Entkriminalisierung der Konsumenten mittlerweile bis in die Union hinein Befürworter findet. Es wird nicht mehr als moralisch verwerflich empfunden, wenn sich jemand statt Alkohol für den Konsum einer anderen psychoaktiven Substanz entscheidet.
Vor diesem Hintergrund stellt sich aber auch die Frage, warum der Konsum von Rauschmitteln überhaupt noch sanktioniert werden soll. Insofern greift der Antrag der Linken zu kurz. Es sollte nicht nur darum gehen, wie bei der aktuellen Praxis in Bezug auf Cannabis die Strafverfahren bis zu einer gewissen Menge einzustellen, sondern überhaupt keine Strafverfahren mehr zu eröffnen, wenn kein Handel/Verkauf vorliegt. Nur dann wäre das auch eine Entlastung für die Polizei.


In diesem Sinne schlage ich eine Formulierung im BtMG vor, nach der der Besitz von X Gramm der Droge Y nicht straffrei sein soll (Strafverfahren einstellen), sondern gar nicht strafbar. Nur dann müsste die Polizei kein Strafverfahren eröffnen, die Konsumenten könnten ihre Ware behalten. Das ist die einzig logische Konsequenz, wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass zumindest auf der Ebene der Konsumenten keine Fremdgefährdung und kein Unrechtsgehalt vorliegt.


Das gilt im Übrigen auch für die viel diskutierte Herabstufung des Besitzes geringer Mengen zur Ordnungswidrigkeit. Es ist zwar ein richtiger Ansatz, das Strafrecht im Umgang mit Drogenkonsumenten aus dem Spiel zu nehmen. Doch auf für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern muss ein gesellschaftsschädigendes Verhalten vorliegen, etwa überhöhte Geschwindigkeit oder das unberechtigte Zuparken von Behindertenparkplätzen. Einen Joint zu besitzen rechtfertigt genauso wenig ein Bußgeld wie der Besitz einer Flasche Bier.

Eigenanbau von Cannabis entkriminalisieren
Den Vorschlag, auch einige Hanfpflanzen zum Eigengebrauch zu entkriminalisieren, begrüße ich ausdrücklich. Auch das ist die logische Konsequenz, solange der Handel nicht reguliert, sondern bekämpft werden soll, aber nicht die Konsumenten. Mit Eigenanbau machen sich Konsumenten unabhängig vom Schwarzmarkt, pumpen also kein Geld mehr in illegale Kanäle und schützen sich gleichzeitig vor den Gefahren verunreinigter Ware mit diversen Streckmitteln und Rückständen.

Drugchecking endlich einführen
Dass Drugchecking in Deutschland immer noch nicht möglich ist, ist schon erstaunlich. Eigentlich ist das ein „No-Brainer“. Alle mir bekannten Studien und Erfahrungsberichte aus anderen Ländern zeigen positive Auswirkungen von Drugchecking. Es ist doch ganz offensichtlich, dass es die Risiken des Konsums reduziert, wenn Konsumenten die Möglichkeit haben, ihre Substanzen analysieren zu lassen. Ganz nebenbei erleichtert das Drugchecking Kontakt zu den Konsumenten und Hilfsangebote.


Dass das politisch abgelehnt wird, ist Konsequenz einer ideologischen „Null-Toleranz-Politik“, die dem irrealen Traum einer drogenfreien Gesellschaft nachhängt. In diesem Sinne werden verunreinigte Drogen sogar positiv bewertet, weil die besondere Gefahr, die die Streckmittel mit sich bringen, einige Konsumenten abschrecken könnte. Teil dieser zynischen Logik ist, dass Vergiftungen und Todesfälle in Kauf genommen werden, die durch Drugchecking verhindert werden könnten.


Auch für Cannabis sollte es Drugchecking-Angebote geben. Das galt schon früher, als es „nur“ um Streckmittel und Produktionsrückstände ging. Das gilt erst Recht, seit offenbar ein erheblicher Teil des Cannabis auf dem Schwarzmarkt mit synthetischen Cannabinoiden aus dem Labor versetzt wird. Das ist eine massive Gefahr für Cannabiskonsumenten. Nur eine Regulierung des Cannabismarktes kann die Konsumenten letztendlich vor dieser Gefahr schützen. Wer aber sogar verhindern möchte, dass die Konsumenten verdächtige Proben analysieren lassen können, handelt unverantwortlich.

Georg Wurth
Geschäftsführer