ICBC zum ersten Mal in Berlin
Mitte April fand im ersten Stock des Berliner Maritim proArte Hotels in der Friedrichstraße die ICBC (International Cannabis Business Conference) statt, die zuvor auch schon in Kanada und den USA tagte.
Veranstalter Alex Rogers brachte hier viele noch nie zuvor auf deutschem Boden gesehene Anbieter aus Nordamerika zusammen, die vorwiegend den Bereich des medizinischen Cannabis abdeckten. An den zwei langen Konferenztagen (nach denen es aber auch Parties zur Entspannung gab) referierten verschiedene Sprecher vor allem über Cannabis als Medizin - denn tatsächlich war das Konferenzprogramm viel mehr auf Medizinalhanf denn auf Business-Themen konzentriert, obwohl eine Eintrittskarte happige 399 Euro kostete.
Dafür gab es Tommy Chong, Fingerfood satt und durchaus interessante Fachvorträge - wenn man von der Rede Dana Rohrabachers (Ronald-Reagan-Fan und Breitbart-News-Freund) absah. Über 300 Teilnehmer zählte die erste Hanfgeschäftskonferenz - ob sie für alle Besucher auch ein geschäftlicher Erfolg war, lässt sich schwer einschätzen, aber das allgemeine Feedback war zumeist positiv, auch wenn häufig die hohen Eintrittspreise kritisiert wurden. Auch darüber sprachen wir mit ICBC-Veranstalter Alex Rogers.
Erzähle uns doch zunächst etwas über dich - wo liegen deine „Grassroots"?
Die reichen tief, sehr tief. Schon 1993 wurde ich von Jack Herer in die kalifornische Legalisierungsbewegung geholt - damals lebte ich in Santa Cruz, war gerade mal 21 und trug Dreadlocks. Als ich Jack 1993 traf, endete das damit, dass er mich engagierte, um in Nordkalifornien die Unterschriftensammlung für seine damalige Hanf-Initiative zu koordinieren. Ich selbst sammelte dabei über 100.000 Unterschriften und verteilte mindestens ebensoviele Flyer.
Als Aktivist der Straße war ich nun in gewisser Weise mit im Spiel und arbeitete schließlich - noch bevor Kalifornien Cannabis für medizinische Zwecke legalisierte - zusammen mit vielen bekannten Aktivisten für eine Reform der kalifornischen Cannabisgesetzgebung. Während meiner aktiven Jahre arbeitete ich neben Jack Herer auch mit Ed Rosenthal, Debby Goldsberry, Dennis Peron und vielen anderen an der "Sache". Irgendwann wurde mir die USA dann aber zu langweilig und ich zog 1998 für acht Jahre nach Europa - zunächst nach Amsterdam, dann ging es in die Schweiz und nach Südfrankreich. Danach lebte ich auch eine zeitlang in Deutschland und zum Schluss zweieinhalb Jahre in Slowenien.
Und wovon hast du damals gelebt?
Da ich ja keinen Job hatte, hab ich meistens Gras verkauft. Dafür musste ich dann in Österreich und Deutschland auch in den Knast. 2004 verkaufte ich zum letzten Mal Cannabis und seitdem nie wieder. Trotzdem musste ich 2006 für sechs Monate in ein deutsches Gefängnis, weil inzwischen jemand geredet hatte und ein älterer Verkauf so noch nachträglich aufflog. Und da sich das alles in Bayern abgespielt hatte, brauchten die dort offensichtlich auch keine weiteren Beweise, um mich ein halbes Jahr lang wegzusperren - ihr wisst ja, wie sowas in Bayern laufen kann. Aber wie blöd muss man auch sein, um in Bayern Gras zu verticken? Ich saß also in Bayern im Gefängnis und wachte langsam auf.
Es dauerte zwar etwas, aber dann wurde mir immer klarer, dass ich längst kein Hanfaktivist mehr war, sondern ganz einfach ein Dealer, der Profit aus der Prohibition geschlagen hatte. Und das wollte ich nun nicht mehr. Als ich dann vor gut 10 Jahren aus der bayrischen Haftanstalt entlassen wurde, zog ich zurück nach Oregon und begann Politikwissenschaft zu studieren. Anderthalb Jahre später graduierte ich dann "magna cum laude" und begann mit dem Aufbau meiner Medical-Marihuana-Klinik in Oregon. Diese Klinik ist keine Abgabestelle sondern eine ärztliche Praxis, die Cannabis als Medizin verschreiben kann.
Damit habe ich vor gut acht Jahren begonnen und heute ist die Klinik eine der größten in den USA mit über 5.000 Patienten pro Jahr. Letztendlich haben wir die noch junge Industrie deutlich professionalisiert - zum Beispiel durch den allerersten, auf einem NETWORK-Sender in den USA ausgestrahlten Werbespot für medizinisches Marihuana. So etwas hatte noch keiner auf CBS gesehen und so half der Spot tatsächlich dabei, Veränderungen voranzubringen und Cannabis in der Wahrnehmung der Bevölkerung als Medizin zu legitimieren.
Und wie entstand daraus die Idee einer Internationalen Cannabis-Geschäftskonferenz?
Ich war ja schon häufig als Veranstalter großer Events tätig - eine meiner ersten Veranstaltungen war die allerste "Hemp Expo" von 1993 in San Francisco. Dann habe ich viele Jahre den HighTimes Cannabis Cup in Amsterdam und zudem unzählige Hip-Hop-Konzerte veranstaltet. Ich organisiere schon fast mein ganzes Leben lang Veranstaltungen aller Art - so entstand auch die "Oregon Marihuana Business Conference", die in wenigen Jahren zur größten Geschäftskonferenz in ganz Oregon heranwuchs.
Nach diesem Erfolg begann ich langsam globaler zu denken - schließlich betrachte ich mich selbst auch eher als kosmopolitischen Weltbürger, der keinem bestimmten Staat angehört. Es war schon immer mein Traum, Cannabis politisch und gesellschaftlich voranzubringen - auch und gerade in Deutschland, dem Land, dass mich wegen Cannabis eingesperrt hat. Ich hab hier ziemlichen Mist gebaut und bestehende Gesetze gebrochen - daher wollte mit etwas Gutem zurückkehren und nun die Gesetze nicht mehr brechen, sondern mich für ihre Änderung einsetzen.
Was machst du als "Executive Producer" der ICBC eigentlich ganz konkret?
Ich bin überall mit dabei, auch wenn mich mittlerweile insgesamt vier Leute bei der Veranstaltungsorganisation unterstützen. Wir sind also ein schlankes Team, dass die ICBC veranstaltet - auch wenn wir für die Konferenzen selbst natürlich noch zahlreiche Servicekräfte engagieren. Meine Aufgaben reichen von der Kontakt-Akquise über die Betreuung von Erstkontakten bis hin zum Marketing und dem Verkauf.
Auch am Editorial oder am Design arbeite ich ab und zu mit - denn auch wenn ich inzwischen einige Unterstützung habe, bin ich manchmal der, der es dann einfach machen muss - einfach, weil es getan werden muss und gerade kein anderer da ist. Das ist halt so, wenn man derjenige ist, der seine Vision umsetzen will. In meiner Zukunftsvision ist Berlin übrigens die Cannabis-Hauptstadt Europas.
Richtet sich die ICBC auch an ganz normale Hanffreunde oder eher an zahlungskräftige Geschäftsleute?
Sie richtet sich sogar vor allem an ganz normale Stoner - egal ob sie selbst growen oder nicht. In Amerika haben wir auf unseren Konferenzen vor allem den einfachen Growern erklärt, wie sie sich nun auch ganz legal geschäftlich verwirklichen können. Denn sonst würden letztendlich irgendwelche Arschlöcher - die ursprünglich gar nicht für eine Legalisierung waren - von den neuen Möglichkeiten profitieren und fett absahnen. Aber letztendlich ist es mir wirklich ganz egal, ob jemand raucht oder nicht. Wichtig ist nur, dass es fortschrittliche Geister sind, die auch der Meinung sind, dass man für Cannabis nicht ins Gefängnis gesteckt werden sollte.
Allerdings stellt sich dann schon die Frage, ob sich ganz normale Hanffreunde die stattlichen Eintrittspreise für die ICBC auch leisten können?
Klar, ich bin ja auch ein ganz normaler Stoner. Und zudem bin ich der Meinung, dass es für "Stoner" auch beleidigend sein kann, wenn man annimmt, sie hätte eh nicht genug Geld, um sich ein Ticket leisten zu können. Außerdem muss man sich nur mal unsere Webseite anschauen um festzustellen, warum die ICBC nun mal ein eher hochpreisiges Event ist. Hier bekommt man, was man bezahlt.
Welche Änderungen der deutschen Gesetzgebung würdest du mit dem Wissen um die Praxis in den USA für Deutschland empfehlen?
Jeder Deutsche - egal ob Patient oder Freizeitkonsument - sollte berechtigt sein, mindestens 10 Pflanzen selbst anzubauen. Das sollte ein grundsätzliches Menschenrecht sein. Außerdem sollte Cannabis komplett aus dem BtmG gestrichen werden und damit seine strafrechtliche Relevanz verlieren.
Wenn sich dann jemand nicht an die Cannabis-Gesetze hält, dann sollte er dafür nur noch zivilrechtlich belangt werden können - so z.B., wenn jemand ohne Lizenz anbaut und verkauft. Das ist dann keine Straftat mehr, sondern eine Ordnungswidrigkeit, die eine Geldstrafe aber keine Gefängnisstrafe nach sich zieht. Schließlich ist Cannabis eine Pflanze und kein Verbrechen.
Glaubst du, dass das US-Präsident Trump auch so sieht?
Ich mache mir echt gar keine Sorgen wegen Donald Trump - wenn die schlimmsten Schlitzohr-Politiker behaupten, Trump wäre so furchtbar schlimm, dann kann er so schlimm gar nicht sein. Immerhin hat er bereits das transatlantische Freihandelsabkommen gestoppt und er plant einen Roosevelt-mäßigen "New Deal" bei Sozialprogrammen. Und ich wette darauf, dass die Hanfindustrie unter Trump regelrecht boomen wird.
Jetzt scheint die Branche aber erstmal darauf zu setzen, dass Cannabis als Medizin in Deutschland boomt - was ist eigentlich dein Fazit zur ersten Berliner ICBC?
Ich bin total begeistert von der ersten ICBC in Berlin, weil sie unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Wir sind zwar ursprünglich schon davon ausgegangen, dass wir eine erfolgreiche erste Veranstaltung abliefern werden, aber dass sie dann so gut laufen würde, hätten wir auch nicht gedacht.
Einer der Gründe dafür war sicherlich, dass sich die Gesetze in Deutschland unlängst geändert haben - darüber sind wir sehr glücklich und wir freuen uns auch, etwas dazu beitragen zu können, die Leute hier in Berlin über Cannabis weiter aufzuklären und auch darüber, was die aktuellen Gesetzesänderungen nun ganz konkret bedeuten.
Wo willst du eigentlich mit der ICBC hin oder anders gefragt: Was muss geschehen, damit du zufrieden bist und deine Vision als erfüllt ansiehst?
Ich glaube, das wird nie geschehen. Ich bin vom Sternzeichen her Jungfrau und daher eigentlich nie so richtig zufrieden. Wir erreichen etwas und machen uns schon auf zur nächsten Herausforderung. Aber vielleicht gelingt es mir ja in den nächsten zwei-drei Jahren, meine Vision von der ICBC als der einzigen internationalen Geschäftskonferenz zu erfüllen, die mehrmals im Jahr in verschiedenen Städten stattfindet.
Dann wäre die ICBC auch das Zentrum der internationalen Cannabis-Reformbewegung - trotzdem wäre ich nicht so richtig glücklich, solange Cannabis nicht weltweit legalisiert ist. Oder zumindest entkriminalisiert. Aber ich glaube, der Umschwung hat längst begonnen, da man erkannt hat, dass der "Krieg gegen die Drogen" ein glatter Reinfall ist. Prohibition hat noch nie funktioniert und wird auch in Zukunft nicht funktionieren - genauso wenig wie der Versuch, Moral per Gesetz zu verordnen. Text: M-Dog