Cannabis in Indien
Viele Kifferlegenden ranken sich um Hanf „Made in India" - um kiffende Sadus, handgemachtes Charras oder staatliche Läden, in denen Cannabisprodukte ganz legal angeboten werden.
Viele Kifferlegenden ranken sich um Hanf „Made in India" - um kiffende Sadus, handgemachtes Charras oder staatliche Läden, in denen Cannabisprodukte ganz legal angeboten werden.
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Viele Kifferlegenden ranken sich um Hanf „Made in India" - um kiffende Sadus, handgemachtes Charras oder staatliche Läden, in denen Cannabisprodukte ganz legal angeboten werden. Von all dem haben wir nicht viel gemerkt, als wir für sieben Wochen Südindien bereisten - auch wenn es fast überall aus Ton gefertigte Chillums zu kaufen gab. Als wir dann aber herausfanden, dass der Sohn unserer Gastgeberfamilie in Mamallapuram (südlich von Chennai, im Bundesland Tamil Nadu) nicht nur selbst raucht, sondern auch ein lokaler Ganja-Dealer ist, wollten wir bald mehr als nur ein Beutelchen indisches Gras von ihm. Wir wollten ein Interview.
Erst wollte sich Tanikai (36) dazu gar nicht weiter äußern, doch als wir ihm eine stattliche Blüte von unserer illegal eingeführten Berliner Handelsware anboten, änderte er seine Meinung prompt und wurde (nachdem wir einen gedreht und gemeinsam verraucht hatten) dann doch noch recht gesprächig.
Kannst du dich noch erinnern, unter welchen Umständen dir Cannabis zum ersten Mal begegnet ist?
Das war schon sehr früh - ich war gerade mal fünf Jahre alt. Ich bin ja hier in diesem Haus groß geworden, das - solange ich denken kann - auch ausländische Urlauber beherbergt hat und von denen gab es eine ganze Reihe, die Ganja rauchten. In den 70er Jahren war Mamallapuram ja mal ein bei Hippies sehr beliebter Ort und der Geruch von Ganja war noch bis Ende der 80er Jahre nahezu allgegenwärtig. Ich bin damit aufgewachsen und habe erst viel später mitgekriegt, dass zum Beispiel auch die einheimischen Mönche im nahegelegenen Eagle-Temple (in Tirrikallikundram, ca. 16 km entfernt von Mamallapuram) oft Ganja in ihren Chillums rauchen. Sogar noch mehr als die Hippies.
Wie ging das bei dir mit dem Rauchen los?
Angefangen damit habe ich während meines Studiums, da war ich so um die 21 - an der Uni war es damals auf vielen Partys ganz normal, neben Alkohol auch Ganja zu konsumieren. Da ich mit Alkohol eher negative Erfahrungen gemacht hatte, kiffte ich fortan immer auf Partys, während sich andere betranken. Erst ein paar Jahre nach der Uni wurde es dann zu einer täglichen Angewohnheit, die ich seitdem auch beibehalten habe.
Weiß deine Familie, dass du täglich kiffst?
Ja, die wissen alle bescheid - und sie sind nicht besonders glücklich darüber. Aber sie akzeptieren es, denn sie wissen inzwischen, dass viele Menschen täglich rauchen, ohne damit Probleme zu kriegen. Aber natürlich macht sich die Familie erst mal Sorgen - schließlich bin ich ja kein Mönch, der ganz offiziell kiffen darf.
Also kiffen die Mönche ganz legal?
Rein rechtlich ist das in Tamil Nadu zwar nicht erlaubt, aber es kümmert sich einfach keiner um diese Mönche. Selbst wenn die Mönche etwas von ihrem selbstgezogenen Gras verkaufen, stört das niemand und keiner würde auf die Idee kommen, sie dafür anzuzeigen.
Wie das mit dem Gras selbst - ist die Hanfpflanze an sich legal oder illegal in Indien?
Das entscheidet das jeweilige Bundesland - ähnlich wie in den USA. In Tamil Nadu hängt es davon ab, wie alt die Hanfpflanze ist. Solange sie noch nicht blüht, ist sie legal - danach illegal. Im Schnitt ist das nach zwei bis drei Monaten der Fall. Das gilt aber nur für den vereinzelten Anbau (bei uns würde man sagen: Eigenbedarfsanbau) - wenn man gleich eine ganze Ganja-Plantage anlegt, dann ist das von Anfang an illegal und strafbar.
Wächst Cannabis auch noch wild in Indien oder wird er eigentlich nur noch zum Zwecke der Ganja-Gewinnung angebaut?
Meistens wird Hanf schon ganz gezielt angebaut, aber es gibt noch viele Orte im Bundesland Kerala, wo Cannabis auch noch ganz wild gedeiht. In den weiten Wäldern Keralas oder im dortigen Tiger-Ressort kann man auch noch natürlich gewachsenen Hanf finden. Und der ist überraschend groß - manche Pflanzen sind sogar schon zu kleinen Bäumen geworden, nachdem sie Jahr für Jahr immer weiter wuchsen. Ich vermute, dass sind wilde Ableger der vielen kommerziellen Cannabis-Plantagen, die sich an schwer zugänglichen, weitgehend isolierten Orten in den Bergen zwischen Kerala und Tamil Nadu befinden. Hier werden übrigens zwischen 80 bis 90 Prozent des gesamten einheimischen Ganjas angebaut, auch wenn manche Plantagen im östlichen Grenzgebiet bereits - rein geographisch - zu Tamil Nadu gehören.
Wird hier an der Ostküste eher öffentlich oder eher im geheimen geraucht?
Noch vor etwa zehn Jahren galt es in Tamil Nadu als äußerst unanständig, wenn man als Normalperson Ganja rauchte - aber das hat sich inzwischen geändert. Es hat sich eine ganze Menge geändert, denn mittlerweile sind es einfach zu Viele geworden, die regelmäßig Ganja rauchen - vielleicht etwa zehn mal soviel wie noch vor zehn Jahren. Und obwohl es mehr und mehr werden, ist es immer noch eher eine Privatsache. Aber natürlich kennt man sich untereinander und teilt sich auch oft das Gras, dass man dann eh meist zusammen raucht.
Was würde einen Touristen erwarten, wenn er in Indien von der Polizei mit ein paar Gramm Cannabis erwischt wird?
Das hängt davon ab, wo du erwischt wurdest. In Goa (indisches Bundesland) ist die Polizei zum Beispiel sehr kommerziell und würde daher versuchen, möglichst viel Geld aus dir herauszupressen. Das liegt aber auch daran, dass das Leben in Goa verhältnismäßig teuer ist und auch Polizisten Geld zum Leben brauchen. Daher sollten Touristen dort wirklich aufpassen, bei wem sie was kaufen. Es kommt immer noch vor, dass Dealer mit der Polizei zusammenarbeiten - der ausländische Ganjafreund wird geschnappt, der Dealer kriegt hinter der Hand sein Dope wieder, und der Tourist wird erst verängstigt und dann geschröpft. Aber im Rest Indiens und vor allem hier an der Ostküste stört es die Polizei überhaupt nicht, wenn Touristen kiffen oder etwas dabei haben. Letzteres kriegen sie ja auch gar nicht mit, da es sie einfach nicht interessiert - zu willkommen sind hier die Urlauber, die es bis an die Ostküste schaffen und nicht gleich in Goa hängen bleiben. Wenn überhaupt, dann ist die Polizei von Tamil Nadu höchsten an den Großhändlern interessiert, die das Gras gewerbsmäßig verticken. Aber auch nicht, um sie wegzusperren, sondern nur, um ein wenig von deren Gewinnausschüttungen zu profitieren. Mit Geld lässt sich in Indien nun mal eine Menge regeln.
Dann sind also die fliegenden Händler, die hier in Mamallapuram überall am Strand rumlaufen und dich ansprechen, ob du nicht etwas Ganja kaufen willst, alle auf der sicheren Seite, weil sie die Polizei geschmiert haben?
Nein, das sind ja nur kleine Fische. Aber auf der sicheren Seite sind sie trotzdem - weil sie nur kleine Fische sind. Es sei denn, irgendjemand ist mal wieder der Meinung, man müsse etwas unternehmen und wenigsten einen Fall von Cannabis-Handel zur Anklage bringen - das kommt in etwa alle zwei bis drei Monate vor und der Betroffene wird dann schnell abgeurteilt, damit die lokale Statistik wieder stimmt.
Wenn es allein nach indischer Rechtssprechung ginge - welche Strafe würde einen für den Besitz von bzw. den Handel mit Cannabis erwarten?
Für den Besitz von bis zu sechs Gramm Cannabis würde gar keine Strafe anfallen, wenn man mehr als sechs Gramm dabei hat, dann wäre eine Geldstrafe in Höhe von 350 Rupien (ca. 6 Euro) zu bezahlen. Allerdings wird es ab 100 Gramm dann auch deutlich teurer und wer gleich mit einem ganzen Kilo erwischt wird, der muss mit einem Gerichtsverfahren und Gefängnis rechnen. Aber der Konsum ist weitestgehend ungefährlich, denn praktisch interessiert es keinen - ich dreh' mir zum Beispiel auch gerne mal einen im Stadtbus nach Chennai. Ist gar kein Problem. Auch auf der Straße kann man überall rauchen, ohne dass sich jemand daran stört.
Ist Ganja inzwischen populärer als Haschisch?
Es ist ganz zwangsläufig populärer, da man gutes Haschisch kaum noch kriegt. Richtig gutes Haschisch wird heutzutage nur noch hoch im Norden, im Bundesland Himachal Pradesh hergestellt. Das sind in etwa 600 Kilo pro Jahr von höchster Qualität, die aber zum Großteil direkt exportiert werden - vor allem nach Israel und Europa. Wenn überhaupt, dann gibt es hier im Süden nur verhältnismäßig schlechtes Hasch, was kaum den Preis wert ist, den man dafür zahlen muss. Oder zwei-drei billige Charras-Hasch-Sorten, die auch nicht besonders rein, aber eigentlich ganz okay sind. Mit einem Ganja-Joint können sie aber trotzdem nicht mithalten.
Wird Ganja in Indien eher pur geraucht oder - wie in Europa - eher mit Tabak vermischt?
Das ist hier wie in Europa. Ich habe zwar auch schon mal versucht, Ganja pur zu rauchen, aber das hat mir nur im Hals wehgetan und mich zum Husten gereizt - insofern blieb mir gar keine andere Wahl, als es mit Tabak zu mischen.
Wie viel kostet denn so ein Tütchen Ganja, wie das, was du mir mitgebracht hast?
Dafür kriege ich 200 Rupien (ca. 3,40 Euro).
Ein mehr als fairer Preis - weißt du, wie viel da genau drin ist?
Vier bis fünf Gramm - aber das ist eigentlich irrelevant. Ein solches Tütchen kostet halt 200 Rupien, dann gibt es noch Tütchen für 400 oder auch 1000 Rupien, wo entsprechend mehr drin ist. Die werden schon so abgepackt geliefert, ich selber muss also weder etwas abwiegen noch verpacken. Ein Preis pro Gramm ist hier nicht üblich - nur ein Preis pro Tütchen. Das ist nun mal so bei Kerala-Gras, weil es dort nach der Ernte gleich getrocknet anschließend in verschiedenen Tütchengrößen abgepackt wird.
Und was kostet ein Kilo?
Für ein gutes Kilo Gras musst du schon so um die 25.000 Rupien (ca. 424 Euro) hinlegen.
Wie steht es mit der Sortenvielfalt? Gibt's ein Gras für alle oder verschiedene Ganja-Sorten?
Es gibt schon drei-vier verschiedene Sorten. Vor allem ab Ende Januar, denn da wird geerntet. Dann gibt es auch hier in Mamallapuram jede Menge gutes Rauchzeug. Und alle zehn Tage gibt es dann wieder ein paar andere Sorten - es gibt also schon eine gewisse Auswahl, auch wenn nicht immer alles zu haben ist. Allerdings muss man manchmal auch aufpassen - es gibt in Chennai zum Beispiel ein paar windige Geschäftemacher, die das Ganja mit Magic Mushrooms versetzen. Das hat ein paar Freunde von mir mal auf einen richtig bösen Trip geschickt.
Gibt es auch Menschen, die sich ganz öffentlich für eine Legalisierung von Ganja einsetzen?
Über dieses Thema wird in Indien überhaupt nicht öffentlich gesprochen - soweit ich weiß, gibt es auch keine Ansätze für eine Legalize-Bewegung. Geschweige denn einen Politiker, der sich dieses Themas annimmt. Wozu auch, es ist ja nahezu legal - wenn man in Indien Kiffer ist und sich nur kleine Mengen besorgt und konsumiert, hat man praktisch nichts zu befürchten. Und in der Politik gibt es so viele Themen, die die Menschen einfach viel mehr interessieren. Natürlich ist die offizielle Sichtweise eine andere, denn Drogen sind in Indien weitgehend verboten. Mit Ausnahme von Alkohol und Nikotin - denn an beiden verdient der Staat ja gar nicht schlecht.
Er könnte aber auch ganz gut mit Ganja verdienen, oder?
Das macht er ja auch. Schließlich gibt es ein paar Shops, welche die Regierung selbst betreibt - zum Beispiel in Puri in Orissa - da kann man alles kaufen: Gras, Hasch und sogar Opium. Das ist da in gewisser Weise legal, denn zum einen ist das ein heiliger Ort, dessen historische Kultur derartiges erlaubt und zum anderen haben die Landesregierungen ja weitgehende regionale Befugnisse in Hinsicht auf den Umgang mit Drogen. Die einen verbieten es, bei den anderen kannst du es ganz legal kaufen. Allerdings muss man dazu noch sagen, dass die in den Regierungsläden angebotene Qualität eher durchschnittlich bis nicht besonders gut ist. Da gibt es auf dem Schwarzmarkt besseres
In welchem Ort Indiens wird deiner Meinung nach am meisten geraucht?
In Varanasi (der heiligsten Stadt des Hinduismus am Ganges) raucht fast jeder und alle wissen, das fast jeder raucht - darüber gibt es gar keine Diskussionen. Manche Mönche rauchen sogar von früh bis spät, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Das ist einer der Vorteile, wenn du an einem heiligen Ort lebst.
Inwiefern erlaubt denn dort die Religion den Cannabis- und Opiumkonsum?
Es ist wie bei den Rastafaris, die Ganja als spirituelles Werkzeug nutzen. In der Hindu-Religion wird ja auch Shiva gerne und häufig angebetet. Dieser Gottheit opfern die Mönche in langwierigen Zeremonien das heilige Gras - und zwar, indem sie es verbrennen und inhalieren. Ich kann nur sagen, Shiva ist heutzutage eine der populärsten hinduistischen Gottheiten.