Hoffnungsträger im bürokratischen Dschungel

06 Feb 2020

CBD-Hanfladen-Razzien

Seit einiger Zeit sprießen auch in Deutschland die CBD-Hanfläden aus dem Boden, die neben Extrakten getrimmte Blüten vertreiben. Auffällig ist, dass ab 2018 immer mehr dieser Läden bzw. deren Betreiber Polizeibesuch bekommen. In vielen Fällen geht es neben der wirtschaftlichen Existenz auch um die eigene Freiheit. Über die Hanfbar-Betreiber haben wir in Ausgabe 6/2018 berichtet, das Urteil wurde mehrfach verschoben. Während des Hanfbar-Prozesses hatten weitere Hanfläden Polizeibesuch. Es kann bereits die These aufgestellt werden, dass diese Repressionswelle gewollt ist und von den Richtern ein negatives Referenzurteil erwartet wird.

Doch ein Lichtschein der Hoffnung durchbricht diese düstere Gewitterwolke. Hamid Reza Boubarakeh möchte groß in den Handel von CBD-Produkten aller Art einsteigen, hat es jedoch ganz anders gemacht. Mit diesen Worten meldete er sich bei uns:

„Kurz und knapp; am 13.12.19 habe ich eine Gerichtsverhandlung; siege ich, habe ich quasi Cannabis in Deutschland legalisiert.“

Der Anbau von Cannabis oder der Handel vieler Produkte auf Hanfbasis ist genehmigungspflichtig. Hamid erklärt, er habe mit seiner Frau als einziger diese Genehmigungen für den Handel, solange er die Schwelle von 0,2 % THC nicht überschreitet und verweist auf seine Gewerbeanmeldung. In seinem Prozess rechnet er mit einem Freispruch. Damit würde er mit Glück ein entlastendes Urteil für die Hanfbar-Betreiber präsentieren, die dann für alle anderen das wichtige Referenzurteil liefern.

Wir treffen uns mit Hamid vor und nach dem Urteil und gehen zuerst auf seine Vorgeschichte und Erwartungen ein.

Hallo, Hamid, mit wem haben wir es überhaupt zu tun?

Mein Name ist Hamid Reza Boubarakeh, 33 Jahre alt. Geboren im Iran; unter anderem im münsterländischen Borken und in Wiesbaden aufgewachsen. Verheiratet und Vater eines Sohnes. Aktuell konzentriere ich mich auf die Umsetzung von „Organic Empire“.

Wie kommst du zum Cannabis?

Seit meinem 12. Lebensjahr leide ich an einer chronischen entzündlichen Darmerkrankung namens „Colitis ulcerosa“. Bei allen „CED“-Krankheiten ist der Schmerz ein ständiger Wegbegleiter. Mein erster Cannabiskonsum war mit 21 Jahren; es war das erste Mal seit Jahren, dass ich schmerzfrei war. Um schmerzfrei zu sein, konsumierte ich häufiger Cannabis und erkannte schnell die Probleme, die jeder Konsument kennt. Schlechte und unreine Qualität, ständig wechselnde Kurse und zu guter Letzt war es recht kostspielig. Diese Konstellationen sorgten dafür, dass ich mich mit dem Thema Anbau, Gesetzeslage und diversen dazugehörigen Hürden auseinandergesetzt habe.

Weswegen ist deiner Meinung nach dein Ansatz juristisch sicher?

Ich lernte einen Herrn kennen, welcher 2141 Tage (knapp sechs Jahre) in Untersuchungshaft war. Dieser hatte sich in den Jahren ein enormes Rechtswissen angeeignet, sodass ich ihn mir zum Vorbild nahm und anfing, Gesetzestexte in Eigenregie zu studieren. Mein erster Ansatzpunkt ist, dass bei einem BtM-Delikt jeder wegen „unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln“ angeklagt wird; und folglich ergibt sich, dass eine „erlaubte“ Handlung rechtens wäre?!

Die Anklagen lauten in der Regel: „ … mit Betäubungsmitteln … ohne Erlaubnis Handel getrieben“.

Also suchte ich einen Weg, um die Einfuhr- und Handelsgenehmigung für Cannabis zu erhalten. Irgendwann befasste ich mich mit der Thematik CBD und kontaktierte diverse Bundeseinrichtungen. Natürlich fühlte sich keiner für mich zuständig, und über kurz oder lang saß ich im Büro des Leiters der BtMG-Abteilung. Dies war der erste Moment, an dem ich wirklich ernst genommen wurde und man mir Gehör, Respekt und Achtung schenkte. Der besagte Kriminalpolizist informierte mich, dass die Zuständigkeit beim Agrarministerium, Gesundheitsamt, Veterinär- und Gewerbeamt, bei der Bundesopiumstelle und diversen anderen Behörden wie dem Zoll liege.

Weswegen stehst du jetzt überhaupt vor Gericht?

Mir wird vorgeworfen, dass ich Cannabis (CBD-Blüten) eingeführt habe und damit Handel betreibe.

Was für ein Urteil erhoffst du dir vor Gericht?

Freispruch erster Klasse und die Herausgabe aller beschlagnahmten Materialien.

Du wurdest nur mit einigen Samples erwischt, was daran ist ein glücklicher Zufall?

Routineabläufe bei einer Anzeige. Mir war bewusst, dass im Falle einer Anzeige Beweismittel, die für mich sprechen, der Staatsanwaltschaft nicht übermittelt werden. Und genau darin liegt mein Vorteil, da die Anklage lautet, dass ich „ohne Genehmigung Ware importierte und Handel betreiben wollte“, dies jedoch faktisch nicht stimmt, da ich sowohl für den Import als auch für den Handel eine amtliche Genehmigung besitze.

Du sagst, dass du als einziger in Deutschland alles anders machst und deswegen legal handelst. Wo ist der Unterschied?

Laut meinem Wissen bin ich der einzige in Deutschland, der es vollbracht hat, meinen Ansatz umzusetzen und eine Genehmigung zu erhalten. Die anderen Unternehmen melden ein Handelsgewerbe an und geben z.B. an, mit Tee oder Räuchermitteln Handel zu treiben. Primär wäre dies ausreichend, aber für diverse Organe der Gesellschaft ist das ungenügend und nicht befriedigend, da die Händler die Hauptzutat der jeweiligen Produkte verschweigen.

Wenn du gewinnst, eröffnet das erste Lokal von „Organic Empire“ Anfang 2020 in Marl. Was, wenn du verlierst?

Ja, sollten wir verlieren, würde ich weiter kämpfen. Aber beim bestem Willen, diese Option entbehrt allem Rechtsempfinden in Deutschland.

Du musst gewinnen, hast dann als einziger juristische Sicherheit und willst schnell expandieren. Wie finanzierst du den Start?

Hinter mir steht kein Investor, kein Pharmakonzern oder irgendeine Gesellschaft. Ich refinanziere alles in Eigenregie. Da ich etwas von Betriebswirtschaft verstehe, sehe ich mein Unternehmenskonzept sehr positiv. Mehr möchte ich ungern dazu verraten.

Was erhoffst du dir von deinem künftigen Unternehmen „Organic Empire“?

Natürlich erhoffe ich mir, dass Organic Empire die erste Adresse in Sachen CBD-Produkte in Deutschland wird. Wir sind erst am Anfang und haben im Grunde noch gar nichts erreicht. Schauen wir mal, was die Zukunft bringt.

Soweit das Interview vor der Verhandlung zu den Erwartungen von Hamid. Nach dem Gerichtstermin trafen wir uns erneut zum Gespräch.

Deine Gerichtsverhandlung ist schon ein paar Tage her. Wie genau verlief dein Prozess?

Recht gut. Wie zu erwarten, waren Staatsanwalt und Richter nicht auf unsere Genehmigungen vorbereitet. Nach Beweisaufnahme unsererseits signalisierte der Richter, dass wir dem Antrag der Staatsanwaltschaft zustimmen sollten, da er ansonsten das Verfahren auf unbestimmte Zeit verschiebt (bis zu sechs Monate). Nach Rücksprache mit meinen Anwälten Fabian Haase und Oliver Stemann aus Marl stimmten wir dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft zu und nahmen dieses „Fabelurteil“ entgegen: Einstellung nach § 153 StPO und Kostentragung durch die Staatskasse.

Fabelurteil, weil dieses Urteil in der Regel nie ausgesprochen wird, denn die Staatsanwaltschaft bestätigt damit, zu Unrecht Anklage erhoben zu haben und dass wir mit unserem Konzept nicht gegen geltendes Recht verstoßen.

Das ist fantastisch, wir beglückwünschen dich zu diesem beeindruckenden Sieg. Bislang hast du nur Samples bestellt. Wenn du in den Verkauf gehst, ist das dann wirklich sicher?

Prinzipiell schon, denn wir haben ein Urteil, das besagt, dass wir keine strafbare Handlung begehen. Nichtsdestotrotz haben wir vorsorglich die Oberstaatsanwaltschaft in Essen konsultiert, ob weitere Genehmigung erwünscht sind oder ob es sonstige Einwände gäbe.

Viele Hanfladen-Betreiber hatten Polizeibesuch und müssen ihr Urteil noch abwarten. Ist dein Urteil der entscheidende Baustein, um all deine Konkurrenten aus dem Schlamassel zu holen?

Davon gehe ich aus, denn es kann nicht sein, dass jemandem Recht zugesprochen wird, aber auf der anderen Seite jemand kriminalisiert wird. Ich kenne aber die jeweiligen Aktenlagen nicht.

Zu deinem Businessplan. Du hast das Urteil bewusst abgewartet und musst jetzt ein Laden-lokal anmieten und deinen Onlineshop einrichten. Wie sehen deine nächsten Arbeitsmonate aus?

Wir waren ja schon vorher nicht untätig und sind gut vorbereitet. Diese Tage gründen meine Frau und ich eine Gesellschaft, Mieten in Kürze unser erstes Ladenlokal und schließen die Programmierarbeiten unseres Onlineshops ab.

Deine Konkurrenten haben bereits Vertriebsnetze. Wie willst du dich dagegen behaupten, wenn diese sauber aus ihren Prozessen herausgehen?

In den letzten 33 Monaten habe ich mir ebenfalls ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut, aus vielen Kontakten sind mittlerweile gute Freunde geworden. Mein bisheriger Werdegang hat bei den meisten Anerkennung und Wertschätzung hinterlassen.

Wenn dein Start mit Organic Empire gelingt, wo steht dein Unternehmen in ein paar Jahren?

Die Pläne stehen alle schon fest. Ziel ist zu expandieren und eine nachhaltige Vertriebsstruktur aufzubauen.

Bleibt alles in Familienhand oder käme auch eine Aktien- oder Beteiligungsausgabe in Betracht?

Mit allen Varianten habe ich mich lange befasst und es gab auch diverse Beteiligungsanfragen. Alle habe ich stets abgelehnt, auch, wenn einige finanziell wirklich lukrativ waren! Ich bin der festen Auffassung, dass mein Konzept sich selbst tragen kann, somit bleibt bis auf Weiteres alles im Familienbesitz.

Stehst du derzeit überhaupt für Investoren oder auch Franchise-Partner für Gespräche zur Verfügung?

Wir bieten in naher Zukunft anderen Händlern die Möglichkeit, von uns Ware für den Weiterverkauf zu beziehen; für eine Kooperation gibt es natürlich diverse Voraussetzungen.

Wenn du es wirklich einmal richtig geschafft hast – bleibst du Unternehmer oder strandest du mit deiner Familie auf einer luxuriösen Insel?

Die Besonnenheit besitze ich, um zu realisieren, dass ich erst am Anfang meiner Reise bin. Die Zeit wird zeigen, was alles möglich ist. Der jetzige Stand: Ich bin extrem hungrig und möchte endlich loslegen.

Soweit das bisherige Geschehen und die weitere Planung von Hamid Reza Boubarakeh mit seinem Unternehmen Organic Empire, das Anfang 2020 in Marl eröffnet und schnell expandieren will. Der bisherige Zwischenstand scheint unspektakulär, könnte jedoch die derzeit etwas verunglückte deutsche CBD-Hanfblüten-Branche retten.