„In 7 Jahren wird es legal sein."

Soft Secrets
01 Oct 2011

In der letzten Ausgabe haben wir ja bereits auf den aktuellen Kinofilm „Mr. Nice" hingewiesen, der das Leben des in den 70er und 80er Jahren weltweit größten


In der letzten Ausgabe haben wir ja bereits auf den aktuellen Kinofilm „Mr. Nice" hingewiesen, der das Leben des in den 70er und 80er Jahren weltweit größten

In der letzten Ausgabe haben wir ja bereits auf den aktuellen Kinofilm „Mr. Nice" hingewiesen, der das Leben des in den 70er und 80er Jahren weltweit größten Cannabishändlers zeigt - Vorlage des Streifens war die Autobiographie von Howard Marks, der uns unlängst in Berlin für ein Interview zur Verfügung stand. Wir trafen uns vor seinem Hotel im Stadtzentrum - und Howard baute erst mal einen.

 

Kennst du die soft secrets eigentlich?

Ja, natürlich kenne ich die - ich bin ja häufiger in Deutschland.

Du kennst sie also nur aus Deutschland?

Ja, in England sehe ich die soft secrets nicht so oft wie in Deutschland oder in Holland, wo ja die Macher wohnen. Aber ich weiß natürlich, dass es diese Publikation in ganz verschiedenen Sprachen und in vielen Ländern gibt. Und dass man sie in Headshops findet, aber nicht am Zeitungsstand.

Nun bist du ja wieder mal auf Promo-Tour in Deutschland, doch dieses Mal geht es nicht um ein neues Buch, sondern um einen Kinofilm über dein Leben - da musst du wahrscheinlich immer wieder die gleichen Fragen beantworten. Nervt das nicht irgendwann?

Nein, das macht gar nichts - ich bin da schon recht diszipliniert und versuche, jedes Interview so anzugehen, als wäre es mein erstes.

Okay, dann also auch von mir die Frage: Wie hat dir der Film gefallen?

Mir hat er sehr gut gefallen - ich bin jedenfalls rundum zufrieden damit.

Wie nah ist der Film an der Wahrheit?

Natürlich gab es ein paar Änderungen und die lassen sich auch leicht feststellen, wenn man mein Buch kennt - in meiner Autobiographie habe ich schließlich alles genau und ehrlich aufgeschrieben, was ich selbst erlebt habe. Das, was jetzt als Film im Kino läuft, ist letztendlich nichts weiter, als der Versuch des Regisseurs, mein Buch auf Kinospielfilmlänge zu kürzen. Dabei gehen natürlich eine Menge Hintergrundinformationen verloren und damit auf der Leinwand trotzdem immer alles in sich schlüssig erscheint, wurde hier und da auch ein wenig dazugeflunkert. Insofern ist der Film eher ein Hollywood-Movie als ein Doku-Drama, auch wenn der Begriff „Hollywood-Movie" auf manche eher abstoßend wirken mag. Aber ich muss dir ja die Wahrheit sagen und so sehe ich das nun einmal.

Dass passt, denn als nächstes wollte ich dich fragen, ob es wahr ist, dass du deine Dope-Dealer-Karriere in Deutschland begonnen hast?

Ja, das stimmt, ich habe hier meinen ersten Deal gemacht. Allerdings war das reiner Zufall und das Dope war auch nicht für Deutschland bestimmt - aber es war nun mal so, dass ich hier diesen pakistanischen Diplomaten traf, der Haschisch im großen Stil via Deutschland nach Europa brachte. Und ich kaufte von ihm meine erste große Ladung und brachte sie über Holland nach England.

Da muss es doch noch eine Vorgeschichte geben...

Ein Freund von mir war an der Schweizer Grenze mit etwas Haschisch erwischt worden, als er gerade auf dem Weg zu einem größeren Deal hier in Deutschland war. Daraufhin hat mich seine Frau angerufen und gebeten, nach Deutschland zu fahren, um nach dem Rechten zu sehen - damals war ich ja noch ein braver Student, der einfach ganz gerne mal einen Joint geraucht hat. Und ursprünglich sollte ich auch nur eine Nachricht von meinem Freund an seinen pakistanischen Geschäftsfreund übermitteln. Aber weil er ja nun noch eine Weile saß, haben die mich gefragt, ob ich für sie eine Autoladung voll Haschisch abholen könnte. So ging das los.

Was hat dich eigentlich am Dasein eines Drogenschmugglers gereizt? Die Spannung? Das Reisen? Die Frauen? Oder der Ruhm?

Definitiv nicht der Ruhm, schließlich ist man als Drogenschmuggler umso erfolgreicher, je weniger Leute von deiner Existenz wissen. Die Frauen waren es auch nicht. Da fallen mir wirklich andere Berufe ein, mit denen man in dieser Hinsicht erfolgreicher ist. Ich fürchte, ich muss zugeben, dass Geld der stärkste Anreiz war. Aber der Wichtigste war meine wirklich große Liebe zu Haschisch und mein Frust darüber, dass der Gesetzgeber mir da immer irgendwie im Wege stand.

 

Woher wusstest du damals, wem du trauen kannst?


Dafür hatte ich keine Formel - ich habe den Leuten einfach in die Augen geschaut und dann meine Entscheidung aus dem Bauch heraus getroffen. Eigentlich habe ich nie Geschäfte mit Leuten gemacht, die ich nicht mochte.

Das klingt aber nicht besonders professionell...

Absolut. Es ist extrem unprofessionell - aber ein gewisses Vertrauen ist in diesem Geschäft nun einmal sehr, sehr wichtig.

Hast du dich eigentlich je als „kriminell" empfunden?

Nach der gängigen Definition musste ich das wohl, denn ein Krimineller verstößt gegen das Gesetz. Und da das Gesetz nicht will, dass ich mit Haschisch handele, war ich wohl oder übel ein Krimineller - das kann ich akzeptieren. Denn ich hatte nie ein moralisches Problem damit, das Gesetz zu brechen. Ganz einfach deshalb, weil ich das Gesetz für falsch halte - schließlich haben wir ja auch gelernt, dass sich Gesetze ändern. Was in einem Land heute noch gängige Rechtsprechung ist, ist morgen vielleicht schon Grund für eine Anklage. Insofern habe mich in gewisser Weise im Recht gesehen, was meiner kriminellen Energie auch ungeheuren Auftrieb gegeben hat.

Gab es auch irgendeinen Ehrenkodex für dich oder wie hast du es mit der Moral im Dope-Business gehalten?

Ich glaube, ich hatte und habe schon gewisse moralische Vorstellungen, nach denen ich auch gelebt habe - so würde ich beispielsweise nie Gewalt anwenden oder etwas stehlen. Und ich habe auch nie jemanden verraten.

Hast du auch mal mit etwas anderem als Hasch oder Gras gedealt?

Nein, ich habe zwar so ziemlich alles mal ausprobiert, aber nie mit etwas anderem gehandelt.

Warum nicht?

Das habe ich mich eigentlich nie gefragt, denn mit der Zeit war ich ja ein erfahrener Dope-Dealer und die Nachfrage war sehr hoch - viel höher als bei anderen Drogen. Also habe ich mit der Zeit immer mehr Hasch und Grass vertickt und war überhaupt nicht daran interessiert, auch andere Drogen zu schmuggeln. Wer weiß, wenn plötzlich alle gesagt hätten: „Wir haben genug Marihuana und brauchen keins mehr" - vielleicht hätte ich mir dann etwas anderes gesucht. Aber dazu kam es ja nie und obwohl ich so ziemlich jede Droge mal ausprobiert habe, konsumiere ich ja vorrangig Hasch oder Grass - auch dadurch blieb ich wahrscheinlich stets im Umfeld von Cannabisrauchern und stellte mir diese Frage nie.

Du kiffst ja nach wie vor - also musst du ja doch noch ein paar Beziehungen haben oder kriegst du immer soviel geschenkt, dass es für deinen Eigenbedarf ausreicht?

Tatsächlich kriege ich öfters mal paar Gratis-Proben zugesteckt, aber das reicht leider nicht, um meinen persönlichen Bedarf zu decken. Daher muss ich mir ab und zu schon mal was selbst kaufen - meistens gehe ich dann einfach zu alten Hippie-Freunden, die gutes Hasch aus Asien haben. Denn am liebsten rauche ich hochpotentes Haschisch aus dem Himalaya-Gebirge - da stimmt alles. Der Geschmack ist spitze und die Wirkung sehr stark.

Kannst du in etwa abschätzen, wie viel Hasch du in deinem Leben nun schon verqualmt hast?

Das dürften so um die 150 Kilo sein - und es werden sicher noch ein paar mehr.

Wie kommt es, dass du gutes Haschisch so viel lieber rauchst als gutes Gras?

Das hängt sicherlich mit meiner persönlichen Geschichte zusammen - schließlich habe ich meine erste Cannabis-Erfahrung mit Haschisch gemacht, d. h. wir haben damals immer Tüten mit Tabak und Hasch gedreht. Ich vermute mal, dass ich auch deshalb dem Haschisch treu geblieben bin, auch wenn ich hin und wieder einen guten Gras-Joint zu schätzen weiß - vor allem wenn gerade kein gutes Haschisch verfügbar ist. Ich mag nun mal CBD lieber als THC.

Warst du mal an einem Punkt an dem du darüber nachgedacht hast, ganz mit dem Kiffen aufzuhören?

Ja, als ich im Gefängnis war, habe ich mit kiffen aufgehört - obwohl man selbst im Knast etwas besorgen konnte. Aber es gab da eben auch regelmäßige Drogentests und da wäre es schon sehr unvernünftig gewesen, einfach weiterhin zu kiffen.

Ich meinte auch eher eine ganz bewusste und freiwillige Überlegung, mit dem Kiffen aufzuhören...

Nein, bisher habe ich so was noch nicht geplant - ich werde wohl für den Rest meines Lebens kiffen. Natürlich ist es auch schon mal vorgekommen, dass ich etwas zuviel geraucht habe und merkte, jetzt dreh' ich mal besser nicht noch einen, sondern gehe lieber ins Bett - denn auch von THC kann man eine Überdosis kriegen.

Du hattest ja gerade deine Zeit im Gefängnis angesprochen - hast du aus dieser Zeit irgendetwas gelernt?

Ja, ich habe erfahren, dass das amerikanische Justizsystem ein durch und durch rassistisches System ist. Ich glaube, etwa zwölf Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind Schwarze - doch im Gefängnis ist es jeder Zweite. Das ist hochgradig ungerecht. Es geht gar nicht darum, die Leute zu resozialisieren, sondern nur darum, sie möglichst lange wegzusperren.

Gibt es bestimmte Sachen, die du lieber unbekifft machst? Zum Beispiel Interviews oder wenn du konzentriert arbeitest?

Nein, wenn du willst, kann ich auch jetzt einen rauchen und im übrigen weiß ich auch, dass ich besser schreiben kann, wenn ich stoned bin. Jedenfalls besser, als wenn ich betrunken oder völlig nüchtern bin. Das einzige, was ich stets unbekifft mache, sind meine Abrechnungen - da bin ich dann immer auf Extasy, weil es so schön warm und erfüllend ist, prozentuale Anteile auszurechnen... (Howard lacht und signalisiert damit, dass irgendetwas nicht ganz ernst gemeint war)
Es gibt also schon ein paar Sachen, die ich lieber nüchtern erledige, aber dass sind eigentlich alles Sachen, die ich eh nicht gerne mache. Und wenn ich dann auch noch stoned wäre, würde ich sie noch viel weniger gern machen.

Wo liegen deiner Meinung nach heutzutage die größeren Probleme, denen man sich als Kiffer stellen muss - auf der gesundheitlichen oder der strafrechtlichen Seite?

Die größten Probleme verursacht ganz eindeutig die Prohibition - natürlich kann kiffen auch gesundheitliche Probleme verursachen, denn Cannabis ist sicherlich nicht für jeden gut. Es ist schließlich keine universelle Medizin, die alle und alles kuriert und es wird auch immer Menschen geben, die es nicht mögen oder vertragen. Aber die tatsächliche Gesundheitsgefährdung ist meiner Meinung nach nicht so hoch, wie sie immer dargestellt wird. Natürlich ist die Konsumform des Rauchens schädlicher, als wenn man Cannabis beispielsweise essen würde, da gibt es schon ein gewisses gesundheitliches Risiko.

Glaubst du noch an eine Legalisierung von Cannabis?

Ich dachte immer, dass es bald legalisiert würde - das denke ich nun schon seit fast 50 Jahren. Und tatsächlich verspüre ich auch heute noch gelegentlich etwas Optimismus - und zwar wegen der positiven Entwicklungen im Bereich des medizinischen Marihuanas. Denn hier hat sich tatsächlich was getan und wichtige Leute, wie ehemalige UNO-Vorsitzende, Staatschefs oder einflussreiche Politiker haben erkannt, dass es Schwachsinn ist, zu behaupten, Cannabis sei keine Medizin. Insofern bin ich heutzutage doch wieder recht optimistisch und wenn mich jemand fragt, wann Cannabis legal sein wird, dann sage ich immer: In sieben Jahren wird es legal sein.

Und was würde passieren, wenn Cannabis schon morgen legal wäre?

Na, ist doch klar: Wir würden alle vögelnd auf der Straße liegen und Reggae hören. Aber mal im Ernst: Was soll denn groß passieren? Alkohol ist ja auch legal und trotzdem ist die Gesellschaft noch nicht zusammengebrochen. Ich denke, der wichtigste Effekt wäre, dass es weniger Strafprozesse gäbe und weniger Leute ins Gefängnis müssten.

Hast du insbesondere für Teenager einen Tipp für ihren Umgang mit Cannabis?

Ich würde sagen: Warte, bis dein Geist erwachsen ist, dann wirst du größeren Nutzen aus dem Konsum von Cannabis ziehen können. Denn wenn sich deine Persönlichkeit noch nicht voll ausgebildet hat und du trotzdem wie ein Erwachsener kiffst, dann kann es sein, dass Cannabis deine Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst und dich etwas introvertierter oder fauler macht. Obwohl ich ja ganz grundsätzlich der Meinung bin, dass Faulheit etwas Gutes ist.

Dabei warst du selbst ja in jungen Jahren unheimlich fleißig - schließlich hast du in Oxford Physik und in Sussex Philosophie studiert. Zu welchem Berufsweg würdest du heutigen Jugendlichen raten?

Zu jedem, von dem sie glauben, dass sie gut genug darin sind.

Drogenschmuggel eingeschlossen?

Warum nicht? Man sollte sich allerdings auch über die möglichen Unannehmlichkeiten im Klaren sein - also beispielsweise lange Gefängnisstrafen. Das muss man dann schon aushalten können. Außerdem sollte man flexibel genug sein für den Fall, dass Dinge schief gehen. Denn das tun sie ziemlich oft.

 

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