Ausschreibung für therapeutischen Hanf
Ein Kommentar zur deutschen Produktion von Cannabisblüten
Seit März 2017 gehen Marijuanablüten gegen BtM-Rezept über den Apothekentresen. Doch die Preise mit über 20 Euro pro Gramm stoßen allen auf, die keine Kassenübernahme bewilligt bekommen. Deshalb sollte die frisch gegründete und zur BfArM gehörende Deutsche Cannabisagentur über ein Ausschreibungsverfahren Anbaulose an Bewerber verteilen. Der erste Anlauf 2017 scheiterte jedoch, da die Ausschreibung nachträglich geändert wurde, womit ein Bewerber erfolgreich vor dem OLG Düsseldorf klagte. Nach dem Urteil im März 2018 startete die erneute Ausschreibung im Juli 2018. Die Bewerbungsfrist wurde mehrfach verschoben, zuletzt bis auf den 11. Dezember 2018. 79 Bieter stellten Anträge und wurden geprüft, das vorläufige Ergebnis wurde Anfang April 2019 bekanntgegeben (siehe hierzu auch unsere Titelstory auf Seite 1). Von 13 Losen mit jeweils 200 Kilo pro Jahr über vier Jahre erhielten die deutschen Ableger von Aurora und Aphria jeweils die maximal erreichbaren fünf Bieterlose. Demecan erhielt als deutsches Unternehmen drei Bieterlose, gehört jedoch zur kanadischen Wayland Group. Die Gewinner haben 18 Monate Zeit, um die erste Ernte zu liefern. Ab diesem Tag laufen die vier Jahre, dann verstreicht dieser Zuschlag. Während dieser Zeit wird es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Cannabis-Ausschreibungen geben. Die Gesamtmenge von 2.600 Kilo pro Jahr reicht jetzt schon nicht für die geschätzten 40.000 Patienten, die derzeit Marijuana oder Extrakte aus den Apotheken beziehen dürfen. Dennoch könnte der heimische Anbau zu einem Preiseinbruch führen, da die Importzuschläge entfallen. Bleibt zu hoffen, dass es mit der zweiten Cannabis-Ausschreibung klappt und bald die dritte Runde eingeläutet wird. Doch von 79 Bietern gingen 76 leer aus, die noch gegen diese Entscheidung vorgehen können. Tröstlich bleibt, dass es aufgrund des deutschen Unternehmens für die zuständigen Juristen vermutlich deutlich besser aussieht, ihre Ablehnungen zu formulieren. Der finale Zuschlag wird im besten Fall für Mai erwartet, womit der Anbau im kommenden Jahr anrollt. Im schlechtesten Fall wird ein weiteres Jahr geklagt, um einen dritten Versuch zu starten. Nicht nur Patienten waren schon nach der ersten Ausschreibung auf die Kläger wütend, da diese den medizinischen Cannabisanbau in Deutschland durch ihre Klagen um Quartale oder gar Jahre hinausschieben. Viele Patienten können jedoch nicht warten, sondern sind auf wirksame Medikamente dringend angewiesen. Ohne Kassenübernahme ist das Apotheken-Marijuana für die meisten unerschwinglich. Ansonsten muss die verschriebene Sorte erst einmal lieferbar sein. Die derzeitige Situation ist für viele Cannabispatienten weiterhin der finanzielle sowie gesundheitliche Ruin oder könnte sogar tödlich enden. Die meisten Bieter sind ebenfalls wütend, da die Deutsche Cannabisagentur ihre Ausschreibung so formuliert, dass deutsche Unternehmen praktisch rausfliegen müssen. Es wird von den Bietern eine Anbauerfahrung für medizinisches Cannabis vorausgesetzt, die deutsche Unternehmen aufgrund der Anbauverbote bislang nicht haben können. Die Bieter werden auf ihre Qualifikationen geprüft und diese fließen in die Wertung ein. Deutsche Unternehmen werden gegen kanadische verlieren müssen, so die logische Folgerung. Und was zeigen die Ergebnisse der zweiten Runde? Zwei kanadische Unternehmen und ein deutsches gewinnen. Und die 13 Lose werden auf so wenig Bewerber wie möglich verteilt. Anstatt, dass sich möglichst viele aussichtsreiche Kandidaten ihre Erfahrungen erarbeiten, wird mit möglichst wenig Ansprechpartnern gearbeitet. Weitere Beobachtungen lassen vermuten, dass all diejenigen, die wirklich aus den eingefleischten Hanfkreisen kommen, beim BfArM ohnehin keine Chance haben. Es braucht nicht viel Fantasie, um ein System hinter diesem Vorgehen zu vermuten. Es ist schade, dass dieses politische Versagen immer auf den Schultern von Bürgern ausgetragen wird. Gerade dann, wenn es Patienten trifft, ist dieses „Spielchen um den Jugendschutz“ regelrecht abartig. In den USA wird in gehobenen Etagen immer lauter darüber debattiert, Marijuana auf Bundesebene zu legalisieren. Hier in Deutschland gehen wir mit endlosen Scheindebatten und bürokratischen Prozessen unter. Sicherlich, ab März 2017 kann Marijuana per BtM-Rezept in Deutschland verschrieben werden. Doch diese „Verbesserung“ kommt bei zu vielen im Alltag einfach nicht an. Einige mögen sich die Frage stellen, was sie das interessieren soll, wenn sie nicht auf medizinisches Marijuana angewiesen sind. Zum einen kann sich das mit Pech schnell ändern, zum anderen gilt es, solidarisch mit den Schwächsten der Gesellschaft zu sein. Wenn Cannabis-Medikamente zum deutschen Alltag gehören und jeder sieht, dass Cannabis nicht annähernd so schlimm ist, wie es durch Politik und Medien über Jahrzehnte propagiert wurde, wird auch der normale Genusskonsument in der öffentlichen Wertung nicht mehr auf die Ebene eines Geisteskranken gestellt. Dann sind Coffeeshops oder der geduldete Eigenanbau hoffentlich auch nicht mehr fern.
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Soft Secrets