Coffeeshops & Drogentourismus

17 Feb 2021

Dem Drogentourismus ein Ende bereiten: Die Bürgermeisterin der niederländischen Hauptstadt Amsterdam, Femke Halsema (GroenLinks), hat vor, die Coffeeshop-Politik der Stadt zu ändern. Wenn es nach ihr geht, sollen Touristen künftig nicht mehr in Coffeeshops Cannabis einkaufen dürfen. Dies soll ein Privileg niederländischer Einwohner sein, die für diese Zwecke einen entsprechenden Pass ausgestellt bekommen sollen.

Auch das Stadtparlament hat kürzlich die Empfehlung gegeben, den Drogentourismus auf diese Weise einzudämmen.

Der deutsche Pfarrer und Menschenrechtsaktivist Michael Kleim aus Gera hat der Bürgermeisterin dazu am 18. Januar 2021 eine offene Anfrage gesendet.

Der Brief im originalen Wortlaut

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Halsema,
mein Name ist Michael Kleim. Ich lebe in Gera, Deutschland. Ich bin evangelischer Pfarrer. In der DDR habe ich mich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt. Bereits damals hatte ich gute Kontakte in die Niederlande. Nach 1989 engagiere ich mich weiterhin für Menschenrechte. Ebenso kämpfe ich gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus.

Seit vielen Jahren setze ich mich für eine humane Drogenpolitik ein. Dies ist Teil meines Engagements für Demokratie und Menschenrechte. Ich bin Mitglied im „Schildower Kreis“, einem drogenpolitischen Netzwerk von Experten aus Wissenschaft und Praxis.

1990 besuchte ich das erste Mal Amsterdam. Seit dem bin ich regelmäßig in dieser fantastischen Stadt. Auch andere Orte der Niederlande habe ich kennengelernt. Ich habe in den Niederlanden Freunde und kirchliche Kontakte. Zahlreiche Jugendbegegnungen, Weiterbildungen und kulturelle Projekte zwischen Menschen aus Deutschland und den Niederlanden habe ich organisiert.

An den niederländischen Menschen, an ihrer Kultur und Geschichte hat mich immer fasziniert, das Freiheitsstreben, Eigenverantwortung und Toleranz so wichtig genommen wurden.

Jetzt lese ich, dass die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema plant, das Coffeeshopsystem in ihrer Stadt radikal einzuschränken. Staatliche Hindernisse für den geduldeten Handel mit Cannabis gibt es leider immer wieder. Doch die neuesten Pläne stellen einen radikalen Rückschritt dar.

Ich verstehe, dass Amsterdam mit dem Massentourismus große Probleme hat. Andererseits zeigen die zahlreichen Besucher der Niederlande, wie attraktiv und schön die Niederlande und Amsterdam sind. Ich denke auch, dass die Probleme durch die Schließung von Coffeeshops und dem Zugangsverbot für Ausländer nicht gelöst werden können.

Was mich bewegt, ist jedoch noch etwas anderes.
Im Internet lese ich, dass sich Ihre Partei „GroenLinks“ für eine demokratische Drogenpolitik einsetzt. Doch wie ist es damit zu vereinbaren, dass Sie als eine berühmte Persönlichkeit Ihrer Partei, Femke Halsema, offensiv das Gegenteil tun? Das schadet der Glaubwürdigkeit Ihrer Partei. Ich kann das nicht verstehen.

Die Niederlande war vor Jahren Vorbild und Ermutigung, was eine demokratische Drogenpolitik betrifft. Viele wichtige Impulse sind von Ihrem Land ausgegangen, ganz in der Tradition von Freiheitswillen und Kritik an Unrecht. Inzwischen haben andere Länder in diesem Punkt die Niederlande überholt, zum Beispiel Portugal, Spanien und einzelne Bundesstaaten in den USA. Doch während international Länder den Mut haben, die Verbotspolitik zu reduzieren, will ausgerechnet die freie, stolze und mutige Stadt Amsterdam die staatliche Repression wieder steigern? „HELDHAFTIG VASTBERADEN BARMHARTIG“?

Ich bin überzeugt, dass Ihre Pläne, Frau Bürgermeisterin,
• nicht zum Wesen der Stadt Amsterdam passen
• die Probleme mit Massentourismus nicht lösen
• größere Sorgen bringen
• im Widerspruch zur Tradition der Toleranz der Niederlande stehen.

Ich bin überzeugt, dass die geplanten Maßnahmen praktisch und konkret kaum Nutzen bringen werden. Aber der symbolische Schaden wäre sehr groß. Mit diesen repressiven und diskriminierenden Maßnahmen würde das Ansehen Amsterdams beschädigt. Auch der symbolische Schaden für alle, die sich für eine menschliche Drogenpolitik engagieren, wäre groß.

Ebenso denke ich, dass diese Pläne nicht mit der Drogenpolitik von GroenLinks zu vereinbaren sind. Wie kann es sein, dass eine exponierte Politikerin ihrer Partei wie Sie Entscheidungen fällt, die im Interesse rechter Politik sind?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit respektvollem Gruß
Michael Kleim

verzonden naar:
Mevrouw Burgemeester Femke Halsema
Fractiebureau GroenLinks Amsterdam
Politieke partij „GroenLinks“

Die Antwort kommt vom Team

Die Antwort auf Michael Kleims Anfrage zur künftigen Regelung des Drogentourismus kam schließlich nicht von der Bürgermeisterin selbst, sondern von ihren Mitarbeitern (aus dem Niederländischen übersetzt und leicht eingekürzt):

Lieber Michael,

vielen Dank für Ihren ausführlichen Bericht, in dem Sie Ihre Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Politik und Maßnahmen – in Bezug auf die zunehmende Belästigung in der Innenstadt durch den Massentourismus – der Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema zum Ausdruck gebracht haben.

Ihre Beobachtung zur von GroenLinks befürworteten Drogenpolitik ist zweifellos richtig, und unser neues nationales Wahlprogramm umfasst auch Bemühungen zur Legalisierung (…).

In Amsterdam veröffentlichte die Bürgermeisterin Mitte Dezember Pläne, welche die Anzahl der Besuche in Coffeeshops für ausländische (Drogen-)Touristen verringern sollten. In „De Volkskrant“ wurde Femke Halsema die gleiche Frage gestellt, (…) auf die sie antwortete:

Was bedeutet das für das freie Bild von Amsterdam?
‚Amsterdam pflegt eine jahrhundertealte Tradition von Freiheit und Toleranz, die wichtig ist: Religionsfreiheit, Demonstrationsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Raum für eine kulturelle Avantgarde. Dazu gehört natürlich auch eine milde Coffeeshop-Politik. Aber das Image von Amsterdam sollte nicht sein, dass große Gruppen betrunkener junger Erwachsener hier einen moralischen Urlaub machen können.‘

Die Vorschläge der Bürgermeisterin im Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (…) werden im nächsten Jahr in Amsterdam ausführlich diskutiert. Der Amsterdamer Stadtrat, in dem GroenLinks den größten Anteil hat, wird nach der breiten Debatte in der Stadt schließlich eine Position zu den Vorschlägen festlegen. (…)

Mit freundlichen Grüßen,

Jan, Team online

Drogentourismus schafft Wirtschaftskraft

Dass der Drogentourismus in Amsterdam auch für die dortige Wirtschaft eigentlich ein Segen ist, scheinen die Damen und Herren nicht zu realisieren. Sollte der Vorstoß durchgesetzt werden, könnte das zwei Szenarien nach sich ziehen:

  1. Der sogenannte Drogentourismus bleibt aus, den Shops brechen die Einnahmen weg, aber auch gastronomische und touristische Betriebe werden den Wegfall des Cannabistourismus arg zu spüren bekommen.
  2. Der Cannabismarkt wird nicht geringer, aber sich (wieder) auf die Straße konzentrieren. Damit macht die Politik den Dealern den Weg frei, ihre im schlimmsten Fall gepanschten Waren in dunklen Ecken zu veräußern.

Wenn das das Ziel der Bürgermeisterin sein sollte, na dann gute Nacht, Amsterdam.