Reisen im Schengenraum

02 Oct 2020

Viele Menschen sind auf Medikamente angewiesen, seit dem Cannabis-Medizin-Gesetz handelt es sich in Deutschland immer häufiger um Medizinalhanf. Was aber, wenn eine Reise in andere Länder ansteht, in denen Cannabis oder THC als Wirkstoff möglicherweise unter Strafe stehen? Diese Frage stellt sich ganz unabhängig vom Medizinalhanf, da viele Medikamente oder Substanzen in einigen Ländern legal sind, in anderen nur unter Einhaltung einiger Formalitäten wie einem BtM-Rezept und in den nächsten generell unter Strafe stehen.


Wenn Patienten ihre Medizin dabei haben

 

Das Reisen und der internationale Handel sollten in Europa vereinfacht werden, weswegen 1985 in Schengen das sogenannte Schengenabkommen verabschiedet wurde. Fast alle Länder der EU und einige weitere sind bislang beigetreten. Die Außengrenzen werden noch wie gewohnt kontrolliert, doch aneinander angrenzende Schengenländer kontrollieren Grenzübergänge nur noch stichprobenweise. Das soll den Binnenmarkt der EU und weiterer Länder stärken.

Doch jedes Land hatte und hat seine eigenen Gesetze, weswegen sich Touristen, Geschäftsreisende oder auch Händler möglicherweise unwissend strafbar machen. Patienten, die ihre Medikamente dabei haben, erhalten die Möglichkeiten, sich eine „Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung“ ausstellen zu lassen. Dieses wird Bürgern im Schengenraum im Artikel 75 des Schengener Durchführungsabkommens zugesichert.

Selbst wenn ein Medikament in Deutschland nicht als BtM gilt, kann es in anderen Ländern verboten sein. Patienten sollten sich deswegen vor Reiseantritt erkundigen. Wenn sie diese Bescheinigung benötigen, müssen sie für jedes aufgeführte Medikament ein Dokument beim Arzt ausfüllen lassen. Diese Dokumente sind anschließend vom Patienten zum zuständigen Amt zwecks Genehmigung einzusenden. Wer eine Reise plant und alles online versendet, sollte wenigstens zwei Wochen, besser zwei Monate Vorlauf planen.

Jede Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln kann maximal für 30 Tage ausgestellt werden. Die Medikamente und die Einnahmemenge werden aufgeführt. Es dürfen nur so viel Medikamente mitgeführt werden, wie in dieser Zeit verbraucht werden. Wer nur einige Tage reisen möchte, kann 30 Tage angeben, es kann einem immer etwas dazwischen kommen. Genügen diese 30 Tage nicht, dann müsste der Patient weitere Dokumente beantragen und dafür erst wieder heimreisen. Er kann direkt mehrere Bescheinigungen beantragen, die nahtlos aneinander anknüpfen, um längere Zeit in anderen Schengenländern zu bleiben.

[caption id="attachment_37652" align="alignnone" width="1920"] Medizinischer Konsum im Schengenraum okay[/caption]

Substitution ist ebenfalls eine Behandlungsform, doch hier gelten Sonderregelungen. Substituierte dürfen maximal 30 Tage im Jahr reisen und damit insgesamt für diese maximal 30 Tage ihr Substitutionsmittel mitführen. Außerdem sind ein paar weitere Dokumente auszufüllen, und es muss in der Botschaft des Reiselandes angefragt werden, ob die Substitutionsmittel geduldet werden.

[caption id="attachment_37650" align="alignnone" width="1920"] Bescheinigung für das Mitführen von BtM[/caption]

So ähnlich läuft die Prozedur außerhalb des Schengenraums, da die Länder ihre individuellen Regelungen treffen. Mit incb.org kann das International Narcotics Control Board aufgerufen werden. Wer sich eingelesen hat, soll anschließend den vorgeschlagenen bürokratischen Weg gehen. Es werden ebenfalls Dokumente vom Arzt ausgefüllt. Anschließend wird bei der Botschaft des Landes angefragt, ob die vorgelegten Dokumente genügen oder man sich möglicherweise strafbar machen würde. Für Kleinstmengen Cannabis oder auch Alkohol als Lösungsmittel für andere Wirkstoffe wären in einigen muslimischen Ländern jahrelange Haftstrafen nicht auszuschließen.

Wer bereits mit seinen Medikamenten rechtssicher in verschiedene Länder reisen wollte, wird bestätigen, dass es im Schengenraum mit dem Schengendokument nur ein kleiner bürokratischer Akt ist. Damit es nicht doch zu bösen Überraschungen kommt, sollte der mitwirkende Arzt die Dokumente in der Landessprache oder wenigstens in Englisch ausstellen.

Viele wissen noch nicht genau, ob oder wann sie reisen. Es kann ein Verwandter in den letzten Zügen liegen oder ein ähnlich unplanbares Ereignis bevorstehen. Sicher ist jedoch, dass es keine 14 Tage Vorlauf für die bürokratischen Abläufe gibt. Auch dann ist das Schengendokument für BtM-Arznei die perfekte Lösung: Der Patient lässt sich mehrere Dokumente auf Verdacht ausstellen und muss diese nicht beanspruchen. Er kann ganz spontan seine Reise antreten, wenn es soweit ist.

[caption id="attachment_37651" align="alignnone" width="1920"] Gültigkeit der Erlaubnis maximal 30 Tage[/caption]

In vielen muslimischen Ländern gibt es außerdem strenge Regeln für Alkohol, in Touristenregionen werden häufig großzügige Ausnahmen gemacht. Es kann aber auch sein, dass gewisse Sitten oder auch Ausgangssperren zu beachten sind oder in keinem Fall Sperrzonen betreten werden dürfen. Ein anderes Problem lautet, dass Touristen oder Reisende in vielen Ländern oder Gegenden zum illegalen Nebeneinkommen werden. Teils nötigen einem Einheimische Drogen auf oder schieben diese unter, damit die Polizei einem diese zusammen mit einem Bestechungsgeld wieder abnimmt. Kleinere Betrugsmaschen oder Handtaschenraub sind ebenfalls noch „harmlos“, teils wird mit Kidnapping Lösegeld gefordert. Es lohnt also immer, sich vor einer Reise über das Reiseland zu informieren, um Gefahrensituationen aus dem Weg zu gehen.