Auch das Growen von Faserhanf ist meist verboten

Soft Secrets
10 Sep 2019

Nutzhanf als CBD-Lieferanten anbauen?

Das Growen von potenten Cannabispflanzen ist – obwohl in den meisten Gegenden nach wie vor verboten – für viele Hanffreunde etwas ganz Normales. Im Zuge der Popularisierung des Cannabinoids CBD (Cannabidiol) kommen manche Grower nun auf die Idee, auch Faserhanf anzubauen, weil dieser eine reichhaltige CBD-Quelle darstellen kann. Dabei ist der Anbau von Nutzhanf im Grunde noch etwas leichter als der Grow von sogenanntem Rauschhanf. Insbesondere, wenn der Grower über ein Stück Freiland bzw. Garten verfügt, in dem die unkrautartig wachsenden Faserhanf-Pflanzen unter der Sonne gedeihen können. Indoors ist der Anbau von gewöhnlichem Nutzhanf auch möglich, allerdings wachsen die THC-armen Hanfkastraten recht schnell und werden normalerweise auch recht hoch, sodass die Gewächse drinnen kaum ihr volles Wuchspotenzial entfalten können. Dennoch growen manche CBD-Freunde ihren Faserhanf genauso wie andere, THC-reiche Cannabis-Strains. Die Samen des nicht psychoaktiven Faserhanfs gibt es kiloweise im Baumarkt, als Vogelfutter nämlich. Trotzdem gilt der Anbau von auch nur einer einzigen Pflanze im eigenen Refugium als Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, auch wenn selbst durch das Rauchen von mehreren Hundert Gramm außer Übelkeit und Kopfschmerzen keine Wirkungen zu erwarten stünden.

Was ist Faser- bzw. Nutzhanf?

Faserhanf, Nutzhanf, Industriehanf, Samenhanf – vier Begriffe für ein Ding. Der Faserhanf stellt eine Entwicklung aus der Genetik der natürlichen Art Cannabis sativa (Gewöhnlicher oder Echter Hanf) dar. Nutzhanf-Pflanzen weisen THC-Werte von bis maximal 0,2 (0,3) Prozent ihres Trockengewichts auf. Dem Pflanzenkundigen und botanischen Forscher Reinhold von Sengbusch war es im Jahr 1954 gelungen, einhäusige Cannabispflanzen zu kreieren, also eine Hanfsorte, die männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale zugleich aufweist (Zwitterbildung). Gewöhnlich wachsen Hanfpflanzen als diözische Pflanzen, bringen also sowohl männliche wie auch weibliche Exemplare hervor – ein Umstand, den auch jeder Grower von regulärem Saatgut her kennt, bei dem die männlichen Exemplare zugunsten des erfolgreichen Grows identifiziert und entfernt werden müssen. Reinhold von Sengbusch gelang allerdings etwas gänzlich Neuartiges, denn mit dem Nutzhanf-Strain „Fibremon“ erschuf er die Grundlage für alle einhäusigen Hanfpflanzen. Das war vor allem für die landwirtschaftliche Nutzung ein echter Clou, denn plötzlich lag mit den einhäusigen Gewächsen ein Hanf vor, der es auf stattliche 20 Prozent Fasergehalt (und mehr) brachte, im Gegensatz zu klassischem natürlichem diözischem Hanf, der nur ungefähr zwölf Prozent Fasergehalt aufweist. Die kastrierten Hanfsorten wurden für den Anbau im landwirtschaftlichen Bereich extra auf einen niedrigen THC-Gehalt hin gezüchtet. So ist in Deutschland ein THC-Maximum von 0,2 Prozent, in Österreich ein Höchstgehalt von 0,3 Prozent Tetrahydrocannabinol gesetzlich vorgeschrieben. Trotzdem sind auch diese Hanfsorten, die kaum merkliche THC-Gehälter aufweisen, für den Eigenanbau nicht zugelassen. In der Bundesrepublik wurde 1982 durch das Betäubungsmittelgesetz der Anbau von Faserhanf illegalisiert und erst 1996 durch den Einsatz von Hanfaktivist Mathias Bröckers und Jurist Matthias Schillo wieder zugelassen. Das heißt jedoch nicht, dass jedermann sich nun Faserhanfpflanzen in den Garten stellen darf. Der Anbau dieses Nutzhanfs ist immer noch ausschließlich Landwirten vorbehalten, die eine entsprechende Genehmigung vorweisen können. Trotzdem ist damit immerhin ein Schritt in die richtige Richtung getan. Noch im Jahr 1995 konnte man Folgendes lesen: „Deutschland gehört zu den letzten Ländern Europas, in denen auch THC-arme Hanfsorten nicht angebaut werden dürfen. (...) Die in Deutschland intensiv geführte Diskussion, ob der Anbau von drogenarmen Faserhanfsorten sich nicht irgendwie zur Marihuanagewinnung umfunktionieren ließe und deshalb nicht erlaubt werden könne, ist in dieser Form in ganz Europa einmalig. (...) Die Nachbarländer schmunzeln über die Deutschen und freuen sich, dass Deutschland – ohne triftigen Grund – wertvolle Zeit bei der Wiedereinführung von Hanf verrinnen lässt“ (Michael Karus, Hanf – Ökorohstoff mit Zukunft?, in: Biorohstoff Hanf – Reader zum Symposium in Frankfurt/M. 1995). Nun ist das Vergangenheit, aber sicherlich ein schönes Dokument der Zeitgeschichte, das den Irrsinn des War on Drugs einmal mehr unterstreicht. Außerdem erinnert es uns an die drogenpolitische Gegenwart. Von dieser Warte aus betrachtet, stehen wir noch immer am fast gleichen Punkt, die Beschäftigung mit allen Facetten des Hanfs ist für die Arbeit der Legalisierungsbewegung dabei von größter Bedeutung. Es muss dringend verdeutlicht werden, dass die künstlich geschaffenen Unterschiede zwischen den Cannabis-Sorten politischer Natur sind und nichts mit der Botanik dieser Pflanze zu tun haben.

Welche Sorten gibt es?

Es gibt in Europa über 50 verschiedene Nutzhanfsorten, die alle auf einen möglichst niedrigen THC-Wert gezüchtet wurden und von denen viele für die Verwendung in der Landwirtschaft zugelassen sind. Es sind die verschiedenen Eigenschaften, wie Ertrag, Wuchsverhalten, Stabilität und Vorkommen an Inhaltsstoffen, die den kleinen Unterschied ausmachen. So produzieren nach wissenschaftlichen Analysen, die beim kastrierten Faserhanf Standard sind, die Pflanzen differente Mengen an THC und anderen Cannabinoiden. Das ist hier also nicht anders als beim Rauschhanf – nur, dass die Faserhanferzeuger im Gegensatz zu den Rauschhanferzeugern auf einen möglichst niedrigen THC-Gehalt bedacht sind. So enthält die ukrainische Sorte Solotonoschka in sämtlichen Blütenständen weniger als 0,01 Prozent delta-9-THC, die französische Sorte Futura 77 enthält 0,14 bis 0,18 Prozent THC und die ungarische Kompolti 0,04 bis 0,05 Prozent THC in den Blütenständen. Keiner dieser Nutzhanf-Strains schafft es also, die 0,2-Prozent-Marke zu knacken. Damit sind diese Sorten geeignet für den Anbau von Faserhanf. Der CBD-Freund sollte aber aufpassen, dass er auch eine Sorte wählt, die ein reichhaltiges Cannabidiol-Vorkommen gewährleistet. So enthält die Sorte Solotonoschka gerade mal 0,04 bis 0,07 Prozent Cannabidiol (CBD) und weniger als 0,01 Prozent delta-8-THC sowie weniger als 0,01 Prozent Cannabinol (CBN), während die Sorte Futura 77 mit 1,26 bis 1,55 Prozent CBD und gleichen THC- und CBN-Werten wie die Solotonoschka daherkommt. Für den Landwirt, der seine Felder mit Hanf bestellen will, gelten also ganz bestimmte Regeln. So darf von deutschen Hanfbauern ausschließlich EU-zertifiziertes Saatgut ausgebracht werden, das einen THC-Wert von höchstens 0,2 Prozent nicht überschreitet. Hanfpflanzen, die einen höheren Wert an Tetrahydrocannabinol aufweisen, erhalten keine Zulassung und dürfen entsprechend nicht ausgesät werden. Der Landwirt sollte überdies bei der Wahl seiner präferierten Sorte verschiedenen Punkten Beachtung schenken, um erfolgreich Faserhanf anbauen zu können. Dies sind unter anderem die Stabilität der ausgesäten Pflanzen, deren Ertragsvolumen, deren Faseranteil (siehe dazu oben den Punkt mit den einhäusigen Faserlieferanten) sowie deren Verhalten, was den Reifeprozess angeht. Das alles gilt für den Guerilla Grower, der aus Nutzhanf CBD-reiche Blüten gewinnen möchte, nicht. Beim privaten (und illegalen) Nutzhanf-Anbau kommt es insbesondere auf den Gehalt an Cannabidiol an und darauf, wie komfortabel die jeweiligen Pflanzen in Eigenregie herangezogen werden können. In diversen Cannabis bezogenen Onlineforen tauschen sich die CBD-Grower darüber aus, wie man Faserhanf am besten anbaut und pflegt; was dabei auffällt, ist die Tatsache, dass den meisten Growern die Anzucht von Faserhanf deutlich leichter von der Hand geht als der Anbau von Rauschhanf.

Zur Gesetzeslage

In Deutschland ist der Anbau von jeder Hanfsorte genehmigungspflichtig bzw. illegalisiert. Einer Privatperson wird es nicht gelingen, eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis zu erhalten – auch nicht zum Anbau von nur einem einzigen Exemplar nicht psychoaktiven Faserhanfs. Ausschließlich gewerbliche Erzeuger haben die Chance, eine solche Genehmigung zu ergattern. Und diese ist dann mit zahlreichen Auflagen und Kontrollen verbunden. Mancher fragt sich, wieso eine Hanfpflanze, die höchstens 0,2 Prozent THC enthält – und damit in keinem Fall einen Rausch provozieren kann – nur mit Sondererlaubnis und unter staatlicher Aufsicht herangezogen werden darf. Dies ist mit Mitteln der Vernunft auch nicht zu begründen. Denn allein das Attribut „Hanf“ ist ausreichend, damit in Deutschland der Umgang mit solchen Gewächsen dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt ist. Selbst Pflanzen, die einen Cannabinoidgehalt von null Prozent aufweisen würden – solche sind freilich nicht existent, wir bemühen hier nur der Erklärung halber ein Gedankenspiel – wären in Deutschland der Illegalisierung unterworfen bzw. dem BtMG unterstellt. Das ist zwar absolut hirnrissig und fern jeder verstandesgemäßen Argumentation, aber so ist es eben.

Wie ist das in der Schweiz und in Österreich?

In der Schweiz sind Hanfsorten mit maximal einem Prozent THC zulässig. Dies ist der Grund, weshalb in den letzten Jahren CBD-Cannabis so boomen konnte. Diese THC-armen und CBD-reichen Blüten werden dort mittlerweile auch in Supermärkten, Tabakläden und am Kiosk verkauft – sogar Cannabiszigaretten mit CBD-Hanf und Schweizer Tabak gibt es seit einiger Zeit im Handel, zum Beispiel die heute recht bekannten Zigaretten der Marke „Heimat“, die u.a. in der Kaufhauskette Coop angeboten werden. In Österreich sind für die Landwirtschaft Hanfsorten bis maximal 0,3 Prozent THC zulässig – dort dürfen jedoch derzeit von Gesetzeswegen sogar noch Rauschhanf-Strains gezogen werden, solange diese nicht in die Blüte gehen und als Grundstoff zur Erzeugung von „Suchtgift“ vorgesehen sind und verwendet werden. Das heißt, dass in Österreich auch Samen und sogar Stecklinge aller bekannten Strains veräußert und während der vegetativen Phase angepflanzt werden dürfen. Zwar will die Regierung an diesem Gesetz schrauben und dafür sorgen, dass künftig kein Growing von Cannabis mehr möglich ist. Im Moment aber bleibt Österreich ein Mekka für Grower, weil dort die begehrten Samen und Klone noch verfügbar sind. Unsere Gesellschaft ist im Umgang mit der Cannabispflanze, sogar mit dem Nutzhanf, paranoid und von der wirtschaftspolitisch inspirierten Prohibition arg geprägt. Denn genau das ist er, der War on Drugs: ein Trauerspiel der tristen Wirtschaft des modernen Kapitalismus. Es kann nicht die Angst sein vor dem Rauschmittel, die dafür verantwortlich gemacht werden könnte, dass der Nutzhanf nach wie vor illegalisiert oder der Umgang mit ihm strengstens reglementiert ist. Es müssen wirtschaftliche Gründe sein, die den Ausschlag geben. Es sind die diversen Lobbys der Multis, die hier ein kräftiges Wörtchen mitzureden haben: der Pharmaindustrie, der Papier- und Textilindustrie (auf deren Mist die Marijuanaprohibition zu einem Großteil mitgewachsen war), der Erdölbonzen, die auf unsere Kosten und mithilfe der Politik diesen Planeten zerstören. Ein Umdenken wäre dringend nötig, um zu retten, was noch zu retten ist.
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