Hanf: Universalmittel und Scharlatane

26 Jan 2021

Cannabis ist als vielseitige Medizin und sogar für eher seltene Anwendungen, wie der Behandlung von Hühneraugen und Co., im Grunde unschlagbar. Ein echtes Universalmittel, fast ein bisschen wie Essigessenz, die man einerseits ins Essen rühren, andererseits zum Kloputzen verwenden kann.

Trotzdem kann Cannabis längst nicht alles.

Hanf zum Mäusetöten

Das Produkt Necamurin, das in der pharmazeutischen Fabrik Gorgass im deutschen Zerbst 1933 hergestellt wurde, war einst ein Cannabis-Präparat der Veterinäre. Necamurin bestand aus vergiftetem Hanf, was auch immer das bedeuten mag, und wurde zur Tötung von Mäusen eingesetzt. Die entsprechenden Gifthanf-Köder wurden ausgelegt, die cannabishungrigen Mäuse fielen darüber her, naschten daran und verstarben schließlich. Kurios, wofür der gute alte Hanf so herhalten musste.

Noch so ein Ding?

Das Präparat „Satival-Zyma“ enthielt sowohl Cannabis-Extrakt wie auch Barbital, das ist ein langwirkendes Derivat der Barbitursäure, also ein starkes Schlafmittel, das im Zusammenspiel mit Cannabis und bei unsachgemäßer Anwendung sicherlich so manchen Patienten nachhaltig ausgeknockt haben dürfte. Barbiturate waren im 20. Jahrhundert lange Jahre beliebte Hypnotika (Schlafmittel), sind aber seit 1992 in der Schweiz und in Deutschland nicht mehr als solche zugelassen und unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz.

Barbital und Cannabis war sicher ein richtiger Hammer, auch wenn in der Packungsbeilage stand: „Satival-Zymal führt ohne schädliche Nebenwirkungen einen ruhigen und erfrischenden Schlaf von normaler Dauer herbei, bei dem ein klares und beschwerdefreies Erwachen erfolgt“. Eine Tablette galt als Beruhigungsmittel und Einschlafhilfe, zwei Tabletten als Schlafmittel. Weitere Cannabis-Präparate, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel Verwendung fanden, waren unter anderem Satival (ebenfalls Cannabis sativa und Barbital), Somnysat (bestand aus „Cannabissaft“, was immer das heißen mag), Plantival aus Leipzig (Dr. Schwabe) und Liquochloral, das aus Cannabisextrakt, Chloralhydrat, Bilsenkrautextrakt und Kalium bromatum bestand.

Scharlatane sind nicht weit

Diese Vielseitigkeit des Cannabis ruft aber dann - und das ist eine Tatsache -zuweilen so manchen Scharlatan auf den Plan. Denn es gab auch Mittel, die nur zweifelhafte Effekte bzw. Erfolge bei genauso zweifelhaften Indikationen aufwiesen.

Universalmittel? Forget it!

Das Präparat „Rad-Jo“ vom Rad-Jo-Versand aus Hamburg wurde ebenfalls als Universalmittel, nämlich als Pharmakon zur Erleichterung der Geburt und gegen Erbrechen in der Schwangerschaft angepriesen und mit massiven Reklameaktionen bekannt gemacht. In Wirklichkeit war der Nutzen des Produkts höchst umstritten und wurde wissenschaftlich sogar widerlegt (Fankhauser 2003: 156f.).

Nicht alles Gold, was glänzt

Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt. Aber wir sehen: Obwohl Cannabis als Medikament auch heute mit ungezählten Symptomen, Leiden und Erkrankungen assoziiert wird (und nach wie vor in der Drogengesetzsprechung vieler Länder als Mittel ohne medizinischen Nutzen deklariert ist), gab es doch früher auf der Welt zahlreiche weitere Anwendungen, die der modernen Wissenschaft überhaupt nicht (mehr) bekannt sind. Oder zeig uns mal einer ein Medikament, das sowohl gegen Durchfall wie auch als Abführmittel wirkt. Der Hanf ist so eines. Er wird in der Volksmedizin Mexikos bei beiden Leiden erfolgreich verabreicht (Rätsch 2016: 157).

Wir können davon ausgehen, dass Hanfbehandlungen, die irgendwann in der Kulturgeschichte der Menschheit Nutzen brachten, auch heute noch von Gültigkeit sind.

Rosige Zukunft

Das heißt, dass wir in Zukunft sicherlich noch viele weitere Anwendungsgebiete für Cannabis und dessen Produkte Marijuana, Haschisch und Öl (wieder-)entdecken werden.

Aber dafür muss zuerst die Mauer in den Köpfen der Menschen aufgebrochen werden.

Solange wir uns im pharmakratischen Mittelalter der Moderne befinden, haben wir nur im Untergrund die Chance, mehr über die heilbringende Wirksamkeit des Cannabis herauszufinden.

Der Allgemeinheit bleibt der Zugang zu dieser nebenwirkungsarmen Arznei damit aber größtenteils vorenthalten. Schade um das einzigartige Potenzial.

Quellen

Fankhauser, Manfred (2003), Haschisch als Medikament – Zur Bedeutung von Cannabis sativa in der westlichen Medizin, Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie

Rätsch, Christian (2016), Hanf als Heilmittel, Solothurn: Nachtschatten Verlag (Neuauflage)