Die Cannabisklage

Soft Secrets
26 Mar 2018

Schon seit Sommer 2015 ist eine ganz besondere Klage beim Berliner Verwaltungsgericht anhängig, die wohl in diesem Jahr zu verhandeln sein wird. Im Erfolgsfall könnte diese Klage die deutsche Bundesregierung juristisch zwingen, Cannabis in Deutschland zu legalisieren. Über diese Chance - und die Klage im allgemeinen - sprachen wir mit dem Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff, der im Auftrag seines Mandaten einen Antrag auf Legalisierung von Cannabis gestellt hat. Denn sonst kann sein Mandant nicht ebenjenen Laden eröffnen, den er nun mal eröffnen will…   


Text und Foto: M-Dog

Wer ist der Kläger und was ist die Vorgeschichte der von dir vertretenen Klage?

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger – allerdings bald im Ruhestand, weshalb ich ihn in dieser Sache vertrete. In seiner aktiven Zeit hat mein Mandant auch viele Klienten in Sachen Cannabis verteidigt und kennt sich daher mit der Materie gut aus. Das kommt auch heute noch vielen Hanffreunden zugute, da er die regelmäßigen und kostenlosen Rechtsberatungen im Hanfmuseum übernommen hat. Auf die Idee für diese Klage sind wir bei einem Gespräch gekommen, da mein Mandant gerne ein Cannabis-Fachgeschäft eröffnen und dort auch Cannabis und Haschisch verkaufen möchte, dies aber aufgrund der derzeitigen Rechtslage nicht darf.

Ich erzählte ihm dann von einem früheren Mandanten von mir, der - damals leider noch nicht anwaltlich vertreten - beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf die Legalisierung von Cannabis gestellt hatte. Das Verwaltungsgericht hatte diesen Antrag damals immerhin als zulässig erachtet, doch da mein späterer Mandant zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertreten war, war er nicht in der Lage, die entsprechenden Beweisanträge zu stellen und so wurde sein Antrag abgelehnt. Erst danach ist er an mich herangetreten und hat mir alles erzählt. So entwickelte sich mit der Zeit auch bei mir die Idee, so eine Cannabis-Klage nochmal ganz von vorne und diesmal gut vorbereitet und fachlich versiert einzureichen.

Doch dazu brauchte ich einen Mandanten, der mich mit der Klageführung beauftragt. Als ich dann meinen jetzigen Mandanten traf und seine Intention und Erfahrung erkannte, wusste ich, dass das genau der Mandant war, auf den ich gewartet hatte. Denn um seine legale Abgabestelle eröffnen zu können, müsste ja Cannabis erst einmal legalisiert werden - insofern deckten sich hier unsere Intentionen. Und tatsächlich rief er mich dann nach ein paar Wochen an und sagte: "Ich meine das wirklich ernst, also fang an - ich beauftrage dich hiermit!"

Was war dann euer erster Schritt?

Ich habe angefangen die Klageschrift zu verfassen - das zog sich fast über ein Jahr hin, aber dann war sie fertig. Dabei habe ich versucht, alle vorhandenen Forschungsergebnisse zur Frage der Gefährlichkeit von Cannabis in der Klage darzustellen, weil das Bundesverfassungsgericht ja 1994 gesagt hat, dass das Cannabisverbot NOCH verfassungsgemäß sei, allerdings müsse der Gesetzgeber die weitere wissenschaftliche Forschung verfolgen und sobald sich ergibt, dass die Gefährlichkeit gar nicht so gravierend vorhanden ist, muss man über das grundsätzliche Verbot neu nachdenken.

Hier habe ich angesetzt und ausgeführt, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse inzwischen vorliegen und dass damalige Vorstellungen wie die von Cannabis als Einstiegsdroge usw. inzwischen längst widerlegt sind. Und dann ging es los und wir haben im Sommer 2015 die Klage eingereicht, ein Aktenzeichen bekommen und müssen seitdem auf die mündliche Verhandlung warten - das kann relativ schnell gehen oder auch noch viele Monate Geduld erfordern. Früher oder später muss sich die Bundesregierung aber damit befassen und zur Klage Stellung nehmen.

Wie schätzt du die Chance ein, die Legalisierung auf diesem Weg tatsächlich einklagen zu können?

Ich bin da recht optimistisch, sonst hätten wir den Versuch ja gar nicht erst gestartet - und der Kläger hat ja auch schon eine ganze Menge in die Klage investiert. Aber natürlich müssen wir jetzt erstmal abwarten, was das Gericht daraus machen wird. Grundsätzlich geht es bei der Klage ja erstmal darum, ob mein Mandant ein begründetes Interesse an der vollständigen Legalisierung von Cannabis hat. Und das hat er ja ganz klar, da er in seinem Cannabisfachgeschäft auch psychoaktive Hanfblüten und andere Hanfprodukte anbieten will, die derzeit noch illegal sind.

Im Erfolgsfall würde diese Klage nicht nur meinem Mandanten, sondern auch allen anderen Hanffreunden ermöglichen, derartige Geschäfte zu eröffnen - und insofern ist der Einstieg in die Klage auch der Hinweis darauf, dass letztlich das Cannabisverbot keine juristische Frage ist, sondern eine ideologische. Schließlich ist das ganze Verbot rein ideologisch motiviert - in der Klage habe ich auch einen Zeitungsartikel zitiert, der zu dem Schluss kommt, die Cannabis-Verbotsfrage sei "die letzte ideologische Frage, die heute noch zu klären ist" - zumindest in Hinsicht auf strafrechtliche Konsequenzen.

Was wird deiner Meinung nach nötig sein, um den Gerichtsstreit zu gewinnen?

Vordergründig erstmal Geduld und Geld - die Hauptsache ist aber, dass wir das Verwaltungsgericht schließlich davon überzeugen können, dass Cannabis nicht so gefährlich ist, dass es ein Verbot rechtfertigt. Im Hintergrund steht ja auch immer das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit - das ist der oberste Grundsatz in einem demokratischen Rechtsstaat, der besagt, dass jeder solange alles machen kann, was er will, solange er damit nicht andere beeinträchtigt oder schadet.

Unsere Verfassung sieht kein Recht des Staates vor, den Einzelnen vor Selbstschädigungen zu schützen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Cannabiskonsum schädlich ist, dann schädigt man damit ja höchstens sich selbst - und das darf man. Selbstmord, McDonalds-Essen und Alkohol ist ja auch alles legal. Man hat also das Recht, sich selbst zu schädigen, wenn man das so frei für sich selbst entscheidet - insofern braucht der Staat hier wirklich sehr gute Rechtfertigungen, um ein Genussmittel derart zu sanktionieren.

Und wie geht es dann weiter, wenn der Termin feststeht und die Verhandlung eröffnet ist?

Es wird so laufen, dass erstmal mit allen Beteiligten die Rechtslage diskutiert und entschieden wird, welche Beweise nun zu erheben sind. Sollte das mit der Diskussion nicht so funktionieren, dann werde ich konkrete Beweisanträge stellen - und dazu muss das Verwaltungsgericht dann Beschlüsse formulieren, d. h. das Gericht muss dann jeden einzelnen Antrag studieren und juristisch begründen, warum es ihn ablehnt oder warum es ihm zustimmt. Ich glaube, dass man vor allem auf den Gebieten Kriminalität, Soziologie und Gesundheit verschiedene Studien und Gutachten einholen wird, die belegen werden, dass Cannabis keine erhebliche schädliche Wirkung aufweist.

Zumal Cannabis ja auch heute schon von vielen Menschen aus allen sozialen Schichten konsumiert wird, ohne dass die Gesellschaft daran zugrunde geht. Auch die Kriminalisierung von Cannabis wirkt gesellschaftlich eher negativ - vor allem auf Jugendliche, deren Schutz ja immer besonders betont wird. Aber was macht der Staat denn hier wirklich unterm Strich? Schützt er denn tatsächlich Jugendliche, wenn er sie wegen Cannabis einsperrt oder zu Hausdurchsuchungen vorbeikommt? Wo ist der Schutz von Jugendlichen, wenn diese ihre Ausbildung abbrechen müssen oder erst gar keine kriegen, nur weil sie mal mit Cannabis in Berührung kamen? Kann man das Leben Jugendlicher wirklich schützen, indem man es zerstört? Das ist doch schief - das funktioniert doch nicht...

Was wird eure Klageerhebung vermutlich kosten? Billig wird so ein Gerichtsstreit ja sicher nicht...

Wir schätzen die Höhe der zu erwartenden Kosten auf 20.000 - 30.000 Euro, obwohl hier eine genaue Prognose natürlich sehr schwierig ist. Die Gerichtskosten an sich errechnen sich ja aus dem Streitwert, der in unserem Fall bei 50.000 Euro liegt. Dazu kommen aber noch die Kosten für entsprechende Gutachten, die sicher auch einige Tausend Euro kosten werden. Denn wer immer die Beweisanträge stellt, muss auch die Kosten für die entsprechenden Gutachten übernehmen und dafür sogar Vorschüsse ans Gericht zahlen, damit die Gutachten vom Gericht in Auftrag gegeben werden können.

In dem Moment, wo die mündliche Verhandlung durchgeführt wird, brauchen wir also etwas Geld in der Hinterhand, um die Beweisanträge überhaupt stellen zu können. Das ist ein Problem, das zur Zeit noch nicht gelöst ist - schließlich können wir im Augenblick ja auch noch gar nicht wissen, wie viele Gutachten dann benötigt werden und was die letztendlich kosten werden. 

Wie kann man euch bei dieser Cannabis-Klage unterstützen? Gibt es beispielsweise die Möglichkeit, dass man sich eurer Klage anschließt, so dass aus dieser Einzelklage eine Art Sammelklage wird?

Sammelklagen, wie wir sie aus den USA kennen, sind in Deutschland ja so nicht möglich - es wäre aber durchaus denkbar, dass jemand, der uns aktiv unterstützen möchte, darüber nachdenkt, auch so eine Klage einzureichen. Diese könnte dann - eventuell sogar mit weiteren ähnlichen Klagen - gemeinsam verhandelt und entschieden werden. Dann könnte man auch verschiedene Konstellationen an Sachverhalten einbringen: Zuerst meinen Mandanten, der sein Cannabis-Fachgeschäft eröffnen will, dann könnte man noch jemand dazu nehmen, der gerne Cannabis professionell anbauen und beispielsweise der Lieferant meines Mandanten werden möchte, dann vielleicht auch noch einen anerkannten Hanfpatienten, der bei meinem Mandanten kaufen wollen würde, da seine Versorgung mit Cannabis derzeit nicht sichergestellt ist.

Je mehr Kläger sich hier zusammenfinden, desto schwerer würden wir es der Bundesregierung und dem Verwaltungsgericht machen, die Klage schon aus rein formellen Gründen abzuweisen. Auch die gesellschaftliche Relevanz würde so betont werden, da es nun nicht mehr nur um die Klage eines einzelnen Bürgers geht, sondern um die Anliegen einer ganzen Reihe von Klägern. Das würde unserer Sache mehr Gewicht geben - ebenso wie ein gesteigertes mediales Interesse an der Klage. Es würde uns sicherlich auch helfen, wenn verschiedene Journalisten beim Verwaltungsgericht Berlin nachfragen, wann mit der Klageeröffnung bzw. der Verhandlung zu rechnen sei - damit würde gegenüber dem Gericht die gesellschaftliche Relevanz der Klage auch verdeutlicht werden.

Finanzielle Unterstützung benötigt ihr also nicht?

Doch, natürlich sind Spenden zur Unterstützung der Cannabis-Klage sehr willkommen. Alle Möglichkeiten, unsere Klage zu unterstützen sind auf unserer Info-Webseite aufgeführt, darüber hinaus sind hier auch noch viele weitere Informationen aufgeführt, die dabei helfen könnten, weitere Kläger zu mobilisieren, die das gleiche Ziel verfolgen und sich mit uns zusammentun wollen. Denn wenn die Politik von sich aus nichts tut, dann müssen wir selbst aktiv werden - und gemeinsam sind wir am stärksten! www.cannabisklage.de

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