Polizeistaat 4.0

Soft Secrets
26 Feb 2018

Dass der gläserne Bürger Schritt um Schritt entrechtet wird, ist kein Geheimnis und wird in der Regel mit „Gefahrenabwehr“ begründet. Jeder von uns „transparenten“ Bürgern ist also erst einmal verdächtig. Damit es die Beamten noch leichter haben, uns zur Aussage zu bringen und zu überführen, hat der Deutsche Bundestag im Juli 2017 ein kleines, aber durchschlagkräftiges Gesetzespaket verabschiedet, welches leider auch vielen kleinen Cannabiskonsumenten bitter mitspielen wird. Hier die Punkte, um die es geht:     Text Robert B.

- Zeugen dürfen durch die Staatsanwaltschaft bindend zur Aussage bei der Polizei, dem Zoll oder der Steuerfahndung geladen werden und müssen aussagen.

- Die Polizei kann eine Blutentnahme nun ganz offiziell ohne richterliche Zustimmung verordnen.

- Messengerdienste wie Whatsapp können noch einfacher als zuvor mitverfolgt werden.

- Die Ermittlungsbehörden können einem die sogenannten „Staatstrojaner“ auf Computer, Mobilgeräte oder auch Multimediageräte laden und alles an Informationen auswerten.

Was bislang bereits in vielen Einzelfällen gemacht wurde, ist damit nun legitimiert. Es braucht nicht mehr den Richter, der dem Polizisten die Anordnung dazu erteilt. Es braucht auch nicht mehr der Staatsanwalt selber die Zeugen zu vernehmen, wenn diese nicht zur Polizei wollen. Wenn die Polizisten Lust und Laune haben, können sie auch mal aus rein privatem Interesse zur „Gefahrenabwehr“ wirken. Möchte der Beamte einen als Zeugen vernehmen, kann er „den Staatsanwalt seines Vertrauens“ um das Papierchen bitten, möglicherweise reicht auch ein Telefonat.

Welche Gefahren sind denn vorhanden? Durch Terroranschläge oder Linksextremisten sterben immerhin kaum Menschen, auch durch Rechtsextremisten sind es so viele zum Glück nicht, die ihr Leben verlieren. Es geht um die Gefahr, die vom einfachen Bürger ausgeht, vor dem sich der Staat samt der Eliten zu schützen versuchen. Der normale Cannabiskonsument mag lachen und sich fragen, was die wegen ein paar Gramm wollen. Das Lachen hört schnell auf, wenn man bei nüchternen Fahrten rausgewunken und zur Blutentnahme genötigt wird, die selbst mit geringen THC-Restmengen oder Konzentrationen dessen Abbauprodukts THC-COOH zum Führerscheinverlust führt. Vielfach fängt das Weinen erst richtig an, wenn das Führungszeugnis mit einem BTM-Vermerk ruiniert wurde und man an vielen Arbeitsplätzen, z.B. als Erzieher, die Kündigung erhält.

Gegen die Blutentnahme kann man sich also kaum noch wehren, dennoch bleiben einem einige Möglichkeiten über: Der Verbandkasten und das Warndreieck sollten beim Beifahrersitz in Griffweite liegen, da danach gefragt wird, um einen aus dem Auto zu holen. Die Beamten wollen, dass man aus dem Fahrzeug kommt und zum Kofferraum geht, um besser weitermachen zu können. Man bleibt im Fahrzeug sitzen und hat möglichst den Führerschein nicht dabei. Das kostet ein paar Euro, dafür können die Beamten einem den Lappen nicht direkt nehmen. Man verweigert zudem jegliche Reaktions- oder Drogenschnelltests. Das alles ist nur dafür da, damit die Beamten später einen „Anfangsverdacht“ begründen können. Sie könnten auch direkt zur Blutentnahme übergehen, Schnelltests und Reaktionstests besitzen keine Beweislast und sind nur Indizien. Bei den Schnelltests kann sich das leider vielleicht schon bald ändern, dann müsste man diese anstelle einer Blutprobe akzeptieren. Es wird aber in jedem Fall immer jegliche „freiwillige Mitwirkung“ abgelehnt, zur Not auch 20 Mal hintereinander.

Wenn die Blutprobe verlangt wird, dann erklärt man, dass dies gegen den eigenen Willen passiert. Aber schon vorher besteht man darauf, dass ein Zeuge anwesend ist, sobald einem auffällt, dass die Beamten mehr wollen, als nur die Papiere prüfen. Wenn es dann zur rechtlich verwertbaren Blutentnahme kommt, die man im Übrigen selber zahlt, teilt man auch dem Arzt mit, dass dies gegen den ausdrücklichen Willen geschieht.

Wenn die Blutprobe negativ ausfällt und man ausdrücklich alle Schnell- und Reaktionstests verweigerte sowie erklärte, dass die Blutprobe gegen den eigenen ausdrücklichen Willen stattfindet, kann gegen die Beamten eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingeleitet werden, um diese auf Körperverletzung und Nötigung zu verklagen. Da man die Polizei auf der Polizeiwache schlecht anschwärzen kann, sollte der richtige Weg direkt mit einem Anwalt besprochen werden. Jeder, der das macht, trägt dazu bei, dass die Beamten nicht auf Verdacht Blutproben erzwingen.

Bereits beim Aufbauen eines Verdachtsmoments, mit dem die Beamten auch bei einer negativen Blutprobe ihr Vorgehen rechtfertigen können, können sie im Gespräch nach Anhaltspunkten suchen: „Wo kommen sie gerade her?“ „Von Freunden.“ „Haben Sie Drogen konsumiert?“ „Nein, so etwas mache ich nur alle paar Wochen, wenn ich nicht fahren muss.“

Alle paar Wochen wäre ein regelmäßiger Konsum. Wird einem dieser unterstellt, dann gilt man aufgrund eines „mangelnden Trennungsvermögens“ zwischen nüchternem und berauschtem Zustand als nicht fahrtauglich. Die Polizei meldet das der Führerscheinstelle, und diese entzieht den Führerschein. Dann muss man mit Drogenscreenings und MPU auf eigene Kosten erst einmal nachweisen, dass man fahrtauglich ist, um den Führerschein wiederzubekommen. In diesem Fallbeispiel könnten die Beamten auch bei einer erzwungenen negativen Blutprobe kaum angeschwärzt werden, und trotzdem wäre der Lappen weg, da man sich selbst belastet hat und dies nicht widerrufen kann. Solange man nicht als Zeuge vernommen wird, sollte also gar nichts gesagt werden!

Nach altem Recht durfte man der Polizei bei einer Kontrolle oder als Zeuge immer sagen: „Ich möchte mich dazu nicht äußern.“ Nur der Richter oder Staatsanwalt konnten einen zur Aussage zwingen. Sobald man nicht mehr als Zeuge, sondern als Beschuldigter behandelt wird, kann und soll man auch nach neuem Recht die Aussage unbedingt verweigern. Aber nach neuem Recht kann der Staatsanwalt zur Zeugenaussage vorladen.

Diese neuen Gesetze sind bewusst mit Deutungsfreiraum formuliert. Es wird nicht vorgeschrieben, mit welcher Frist der Zeuge geladen werden muss. Solange diese Formulierungen nicht durch erste ausgefochtene Rechtsurteile nachgebessert werden, kann der durch einen Staatsanwalt ermächtigte Polizist also sagen: „Ich lade Sie jetzt hier an Ort und Stelle zur Aussage, Sie müssen mir nun antworten.“ Eine Ausnahme besagt, dass man an einem „akuten Tatort“, wie einem Brand, Unfall oder Raub, mit der Polizei reden, ihr Auskunft erteilen und auf ihre Anweisungen reagieren muss.

Also: Keiner muss einen Reaktions- oder Drogenschnelltest über sich ergehen lassen. Ohne Vorladung des Staatsanwalts muss man der Polizei auch nicht antworten, sondern es reicht, sich auszuweisen und als Kraftwagenfahrer die Fahrzeugpapiere zu haben. Weiterhin hat man das Recht auf einen Beistand, auch bei einer Aussage. Wenn die Polizei erklärt, dass man zur Aussage an Ort und Stelle, ins Büro oder an einen anderen Ort geladen ist, hat jeder das Recht auf einen Beistand. Wenn diese Ladung ausgesprochen wird, brennt es vielleicht schon. Dann sollte vorab alles mit einem Anwalt besprochen werden, um in jedem Fall mit einem Beistand oder dem Anwalt zur Zeugenaussage zu erscheinen. Wer eine Rechtsschutzversicherung mit Beratungsflat abschließt, kann selbst am Feiertag mitten in der Nacht anrufen und um Rat bitten. Die Beamten werden also vermutlich wenigstens die Ladung „vertagen“, damit man als Zeuge einen Beistand oder Anwalt herbeischaffen kann.

Ab dem Moment, in dem man als Beschuldigter vor den Polizisten oder Staatsanwälten steht, muss man generell nichts mehr sagen. Die Beamten müssen einem jedoch in diesem Moment direkt mitteilen, dass man nicht mehr Zeuge, sondern Beschuldigter ist. Selbst in stundenlangen Verhören brauchen Beschuldigte nichts sagen und sollten wissen, dass diese oberflächlichen Gespräche alle mit routinierten und gut versteckten Stolperfallen gespickt sind. Selbst wenn es noch unverfänglich ist, soll der Beschuldigte damit nervös gemacht werden und sollte deswegen schweigen.

Der Zeuge muss nach dem neuen Recht allerdings aussagen. Deswegen werden die Beamten sehr bemüht sein, einen solange wie möglich als Zeugen zu behandeln, selbst wenn sie von Anfang an schon verwertbare Vorwürfe haben. Solange diese noch nicht aussagekräftig aktenkundig sind, bleibt man also Zeuge. Dem aussagepflichtigen Zeugen wird so spät wie möglich offenbart, dass er ein Beschuldigter ist. Wenn die Beamten mit einem reden und man sich nicht erklären kann, warum diese dafür ihre Zeit aufwenden, dann sollte in regelmäßigen Abständen gefragt werden: „Bin ich hier noch als Zeuge oder als Beschuldigter im Verhör?“ Und die Beamten müssen das beantworten, da man selber das Recht dazu hat, dies zu wissen, um sich als Beschuldigter zu schützen. Besser ist es, direkt mit einem Beistand, sprich Anwalt, zur Aussage zu erscheinen, wenn man einen „Genickbruch“ befürchten muss.

Zu den Bundestrojanern oder Whatsapp-Diensten sei hier Folgendes erklärt: Viele hatten auch bereits vor der Verkündung dieses Gesetzespakets einiges an Daten auf dem Rechner. Sie haben schon über Jahre Kommunikationen geführt. Auch wenn es vor der Gesetzesänderung noch nicht so leicht für die Beamten war, diese Daten gerichtsverwertbar zu erfassen, so können sie es nun auch rückwirkend. Wer da so einiges schon „ausgesagt“ hat, der sollte vielleicht mal über eine digitale Säuberung seiner Computer, Mobilgeräte, Messengerdienste, Mailaccounts usw. nachdenken. Was man nicht löschen möchte, kann noch auf einer externen und verschlüsselten Festplatte gesichert werden. Aber auch, wenn man die Daten von dieser Festplatte nur aufruft, kann der Beamte vielleicht genau das sehen, was man selber gerade auf dem Bildschirm sieht.

Es wird in jedem Fall im ganzen Land einige Beamte geben, die erst einmal die neuen Grenzen ausloten. Der Trumpf der Beamten ist der unwissende Bürger. Solange wir jedoch noch irgendetwas wissen, können wir immer noch einiges von dieser Willkür gegen einfache Bürger abblocken.

Zur Info: Die aktuelle Fassung der Strafprozessordnung findet sich immer hier:

www.gesetze-im-internet.de/stpo/StPO.pdf

Wird da noch einer schlau draus?

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