Ausstiegsdroge Cannabis

Soft Secrets
13 Nov 2017
Auch heute noch sprechen viele Politiker von der „Einstiegsdroge“ Cannabis, obwohl längst wissenschaftlich belegt ist, dass die wahren Einstiegsdrogen die legalen „Volksdrogen“ Nikotin und Alkohol sind. Selbst das US-amerikanische „National Institute of Drug Abuse“ (das normalerweise jeglichen Konsum von Drogen ganz kategorisch ablehnt) ist sich gar nicht mehr so sicher, ob Cannabis denn nun tatsächlich eine Einstiegsdroge sei, da „die meisten Cannabis-Konsumenten keine härteren Drogen konsumieren“. Vielmehr verdichten sich nun schon seit Jahren die Hinweise darauf, dass Cannabis viel eher eine Ausstiegsdroge ist, die Schwerstabhängigen bei ihrem Entzug oft sehr gut hilft. 2012 sammelten kanadische Forscher in vier Hanfapotheken in British Columbia mithilfe des Personals und der Patienten verschiedenste Daten zum vergangenen und gegenwärtigen Cannabis-, Alkohol- und Substanzgebrauch und werteten sie anschließend demografisch aus. Im Rahmen dieser Studie wurden Daten von 404 anonymisierten Hanfpatienten erhoben und hinsichtlich des Phänomen eines Substitutionseffekts dank Medizinalhanfblüten untersucht: Über 41% (158 Personen) gaben an, Cannabis als „Ersatz für Alkohol“ zu verwenden, 36,1% (137 Personen) verwenden Cannabis als Ersatz für illegale Substanzen und 67,8% (259) gaben an, Cannabis als Ersatz für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu nutzen. Die drei wichtigsten Gründe für eine Substitution mit Cannabis waren „weniger Entzugserscheinungen“ (67,7%), „weniger Nebenwirkungen“ (60,4%) und ein „besseres Symptom-Management“. Insgesamt ersetzten 75,5% (305) der Befragten mindestens eine andere, gesundheitlich gefährlichere Substanz durch Cannabis. Auch in Deutschland nutzen inzwischen viele Menschen Cannabis als Ausstiegsdroge und es ist schon ziemlich bezeichnend für die aktuelle Praxis der deutschen Drogenpolitik, dass auch eine "Fachkraft für Suchtprävention" dieses Potential sieht, darüber mit uns aber nur anonym sprechen will. Wir respektieren diesen Wunsch und freuten uns trotzdem, dass dieses Gespräch zustande kam. Ausstiegsdroge Cannabis

Wie bist du zu einer "Fachkraft für Suchtprävention" geworden?

Ich bin vor einigen Jahren aus meiner Heimatstadt weggegangen, um mich in den Bergen zu erholen - und um einen neuen Weg einzuschlagen. An einer privaten Heilpraktiker-Schule habe ich dann den Kurs zum psychologischen Berater besucht. An dieser Schule habe ich viele neue und sehr interessante Erkenntnisse gesammelt - die Weiterbildung zur Fachkraft für Suchtprävention, auch "Suchtberater" genannt, habe ich dann einige Wochen später begonnen. Mein Interesse wurde geweckt, nachdem ich eine eigene Drogenkarriere, Alkoholprobleme, Therapie und auch eine Haftzeit hinter mir gelassen hatte. Das Pflegerische, Erzieherische war ja mein Beruf und ich hatte schon gute Arbeit mit jungen Menschen verrichtet. Die therapeutische Schiene war dann meine Möglichkeit die Zulassung zurückzuerhalten und meine Fähigkeiten weiter beruflich nutzen zu dürfen. Das habe ich gemacht. Seit einigen Jahren leite ich nun erfolgreich eine soziale Jugendhilfe-Einrichtung, die auch aktiv Suchtprävention betreibt.

Und wie verlief zuvor deine sogenannte Drogenkarriere?

Eigene Drogenerfahrungen habe ich bereits sehr früh gesammelt - angefangen mit Alkohol, der mich von allen Drogen am längsten begleitet hat. Dem Alkohol habe ich dann auch abgeschworen, aber das habe ich nur geschafft, indem ich mich zwei Jahre lang selbst medikamentös mit Cannabis behandelt und meinen Ausstieg quasi selbst begleitet habe. Etwa zehn Jahre zuvor hatte ich das letzte Mal Haschisch als Genussmittel geraucht - auch damals schon hatte es nach einer langen XTC-, Amphetamin- und Kokain-Zeit als begleitende Substanz eine wichtige Rolle gespielt, denn es half mir, wieder clean zu werden. Mittlerweile rauche ich nur noch selten, zur Entspannung im Urlaub und selten auch mal als Ersatzmedikament - wobei ich hier wirklich auf den medizinischen Nutzen achte und nicht auf die Höhe des THC-Gehalts.

Wie bist du bei deiner therapeutischen Arbeit auf Cannabis als Medizin gestoßen?

Nachdem ich meine Weiterbildungen alle abgeschlossen hatte, bin ich umgehend wieder ins Arbeitsleben gestartet. Seit dieser Zeit - also nun schon etwa fünf Jahre - habe ich viele Menschen begleitet, die alle ihre ganz eigene Suchtproblematik haben. Das Interessante daran ist, dass es eigentlich gar nichts mit meinem eigentlichen Job zu tun hat. Meine Qualifikationen haben sich herumgesprochen und so traten mittlerweile um die 40 Menschen an mich heran - mit den verschiedensten Süchten und Sorgen. Von diesen Menschen konsumieren etwa zwei Drittel freiwillig Gras oder Hasch. Diese Menschen haben ein Leben mit fünf bis sechs verschiedenen Medikamenten pro Tag, schwere alkoholische Abstürze und vieles mehr hinter sich. Warum sie das tun, möchte ich hier nicht näher erläutern. Ich kann jedoch sagen, dass all diese Personen für sich einen Weg gefunden haben, um in dieser Gesellschaft einen Platz zu finden. Und ich durfte sie dorthin begleiten, wo sie gebraucht werden.

Also auch Dank Cannabis?

Ja, ganz besonders durch Cannabis. Als süchtiger Mensch gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder stelle ich mich meiner Sucht und lebe ein Leben in Abstinenz, oder ich bestehe auf mein Recht einen Rausch zu erlangen und wäge dabei ab. Die unschädlichste und wohl ungefährlichste Art einen kleinen Rausch zu erleben ist Cannabis. Um die Alltagssorgen und den Stress erträglich zu machen, greifen immer mehr Menschen zu Suchtstoffen - doch die von der Regierung erlaubten Stoffe weisen mehr Nebenwirkungen auf als Cannabis. Natürlich sind Medikamente und Alkohol nicht nur ein Fluch sondern auch Segen für die Menschheit. Allerdings spielen Alkohol- und Pharmaindustrie sehr eng miteinander zusammen und aus momentan noch wirtschaftlichen Gründen wird Cannabis wohl erst dann freigegeben werden, wenn eine wirklich starke Lobby dafür entsteht.

Ist es von deiner "Chefetage" eigentlich eher erwünscht oder unerwünscht, dass Fachkräfte für Suchtprävention auch eigene Drogenerfahrungen haben? Oder hast du deinem beruflichen Umfeld die eigene "Drogenkarriere" lieber verschwiegen?

Natürlich habe ich mit offenen Karten gespielt. Ich habe nun mal meine Vergangenheit - und die macht mich zu dem, der ich bin. Es wäre meinen Vorgesetzten anfangs bestimmt lieber gewesen, wenn ich nicht solche Erfahrungen mitgebracht hätte. Im Endeffekt stellten und stellen sich aber gerade diese Erfahrungen als nützlich bei der alltäglichen Arbeit heraus.

Wie kam eigentlich gegenüber der "Chefetage" Cannabis als Ersatzstoff bei der Behandlung von Suchtpatienten zur Sprache und wieviele Erkenntnisse wurden dazu schon gesammelt?

Mit der Chefetage spreche ich immer wieder mal über den Einsatz von Cannabis. Mit verschiedenen Ärzten sind wir auch in Gesprächen, doch hier zeigt sich deutlich, dass eine Cannabis-unterstützte Therapie eher nicht gewollt ist. Die Angst der Ärzte scheint noch zu groß zu sein. Meine Vorgesetzten sind einer solchen Therapie gegenüber zwar nicht abgeneigt, allerdings würde hier der Tenor von den begleitenden Ärzten vorgegeben werden. Insofern sind wir noch ganz am Anfang des Weges.

Bei welchen Drogenabhängigkeiten könnte Cannabis den Ausstieg etwas "versüßen"?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Cannabis den Ausstieg bei nahezu jeder Art von Abhängigkeit einen positiven Beitrag leisten kann - sei es bei Problemen mit Alkohol, Medikamenten, Methamphetamin, Kokain, Heroin und so weiter. Cannabis hilft entweder direkt beim Ausstieg und bzw. oder als Ergänzung bei Medikamenten, um deren Dosis zu verringern. Eine Behandlung mit Cannabis macht meiner Meinung nach schon deshalb Sinn, da es mit zu den wenigen Mitteln gehört, die unschädlich eingenommen werden können, ohne großartige Nebenwirkungen. In Verbindung mit Alkohol oder anderen Suchtmitteln macht es natürlich Sinn, wenn die Substitution durch Cannabis ausreicht, um die Einnahme der anderen Stoffe auf ein Minimum zu reduzieren. Cannabis statt Chemie - das wäre doch wirklich ein Riesenfortschritt…

Und wie geht es nun bei dir persönlich weiter?

Ich werde bald zurückgehen in die Berge - dort baue ich momentan ein Netzwerk an Fachleuten auf, aus allen Bereichen mit den verschiedensten Qualifikationen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Cannabis unbedingt als Ersatzstoff eingesetzt werden muss und zwar in allen Bereichen. Wenn man sieht, wie Kinder und Jugendliche, Schwerkranke, behinderte, auffällige und alte Menschen mit Chemie vollgepumpt werden, dann wird klar, dass ganz schnell und sehr dringend gehandelt werden muss. Bei dem einen oder anderen Menschen kommen einem da wirklich die Tränen. Denn es ist möglich, mit einem Minimum an Chemie auszukommen - wenn man nicht sogar ganz darauf verzichten kann. Wir haben eine tolle Auswahl an Cannabis und anderen natürlichen Stoffen zur Behandlung der meisten Störungen. Was dabei ganz wichtig ist, ist eine gesunde, regionale, saisonale und bewusste Ernährungsweise. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, um eine adäquate Therapie anzubieten. Dazu ist es wichtig, alle möglichen natürlichen Ressourcen nutzen zu können.

Ist schon absehbar oder gar schon konkret geplant, ab wann Cannabis als Ersatzstoff an in Therapie befindliche Drogenabhängige abgegeben werden soll?

Nein, aber ich denke, mein Weg wird Erfolg haben und Früchte tragen. Mit meiner zukünftigen Arbeit und dem Zusammenwirken aller Beteiligten werden wir aufzeigen, was praktisch möglich ist. Das allein wird allerdings nicht reichen, um z.B. die Legalisierung von Cannabis voran zu bringen. Auch die medizinische Behandlung wird dadurch sicher nicht freigegeben werden, dafür sorgt schon die Pharmaindustrie - wobei die ja sehr aktiv anbauen und forschen. Diese Einnahmequelle lassen die sich bestimmt nicht entgehen - dazu ist die Pharma-Lobby viel zu groß und einflussreich.

Wie siehst du die Zukunft der staatlich finanzierten "Suchtprävention"?

Ich bin mir sicher, dass zumindest die Freigabe von Hanf als Medizin für alle Patienten absehbar ist. Die Zeichen stehen gut, denn die Cannabis-Bewegung ist ja weltweit sehr aktiv - und die Vorschritte der letzten Jahren sind enorm. Wie es sich um eine Legalisierung zum genüsslichen Gebrauch verhält, kann ich selbst gar nicht einschätzen. Schließlich wird schon seit so vielen Jahren dafür gekämpft und es kommen auch ständig positive Meldungen - doch konkret passiert nichts. Ich glaube, das Image des Kiffens hat eine riesige Auswirkung auf unsere Gesellschaft - auch eine Verharmlosung oder gar Werbung kann über Gefahren hinwegtäuschen, die bekanntlich jeder Suchtstoff hat. Andererseits hat jeder Mensch, der die Reife eines Erwachsenen erreicht hat, das Recht auf einen Rausch. Meiner Meinung nach sollte aber die Verfügbarkeit von Alkohol, Zigaretten und Cannabis in extra Geschäftsräumen stattfinden und nichts davon sollte an Jugendliche unter 21 abgegeben werden - auch die Werbung in der Öffentlichkeit sollte man verbieten. Schließlich haben wir eine besondere Schutzfunktion unserer Jugend gegenüber - wie soll die denn einen vernünftigen Umgang mit Suchtmitteln lernen, wenn wir selbst so sorglos damit umgehen? M-Dog
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