Free Willi: Als Patient die U-Haft überlebt

Soft Secrets
28 Aug 2017
Wilhelm Wallner ist Mitgründer und derzeitiger Obmann des CSCs Salzburg. Bislang musste er zehn Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen, stand mehrfach vor Gericht, auch am 8. Juni 2017. Drei Monate saß er bereits in Untersuchungshaft, jetzt kann er mit neun Monaten Freiheitsstrafe, drei davon unbedingt, sowie mit 3500 Euro Vermögensverfall nach Hause gehen. Damit ist er jetzt zum zweiten Mal vorbestraft, aber als Patient noch immer auf Cannabis angewiesen. Im Jahr 2004 hatte Willi als LKW-Fahrer einen schweren Unfall und ist seit dem Schmerzpatient. Er wurde für etwa fünf Jahre mit Morphium bis zur vertretbaren Höchstdosis behandelt und verlor dabei seine Lebensqualität. Er war nicht allein in der Bewegung, sondern auch massiv im Befinden und im freien sowie strukturierten Denken eingeschränkt. Die Leber- und Blutwerte waren schlecht, sein Fuß sollte schon fast amputiert werden. Das Morphium hatte die Schmerzen durchaus betäubt, weshalb er mit dem kranken Fuß normal laufen konnte und diesen damit überbelastete. [caption id="attachment_4745" align="alignnone" width="500"]Free Willi: Als Patient die U-Haft überlebt Willi mit seinem Anwalt.[/caption] Im Jahr 2010 sah der heute 58 Jahre alte Willi Wallner einen Bericht, der ihn mit dem Thema „Cannabis als Medizin“ vertraut machte. Er probierte es aus. Nachdem er weniger Morphium brauchte und es ihm besser ging, fragte sein Arzt nach den Gründen. Der Mediziner ist schon in Rente und heute erzählt Willi offen, dass dieser ihm nach der Erklärung dazu riet, die Medizin notfalls einfach selber anzubauen. In nur zwei Wochen erhielt Willi seine Lebensqualität zurück, konnte die Dosis des Morphiums schnell reduzieren, nimmt inzwischen keine Medikamente mehr und fühlt sich deutlich besser. Willi baut seit 2011 an, für sich selber auch THC-haltige Strains. Marijuana lindert nicht lediglich die Schmerzen. Die enthaltenen Cannabinoide wirken gegen Entzündungen und entspannen die Muskeln. Auf seinem Weg als Schmerzpatient lernte Willi Wallner bereits viele Patienten kennen, mit denen er sich austauschte. Da das Thema der Cannabismedizin international und auch in Österreich immer populärer wird, wurde am 17. März 2014 der CSC Salzburg als erster Cannabis Social Club im deutschsprachigen Raum gegründet. Er zählt inzwischen über 200 Mitglieder von 6 bis 94 Jahren. Diese Personen können durch Cannabis oder dem daraus gewonnenen CBD ihr Leben deutlich besser bewältigen und häufig auch wieder genießen. Der springende Punkt bleibt, dass potenter Hanf in Österreich derzeit nicht einmal für Patienten legal ist. Dieser hilft vielen jedoch bedeutend besser als jegliche Fertigarznei, in denen nur ein oder zwei Cannabinoide aus dem ganzen Wirkstoffspektrum der Hanfpflanze enthalten sind. Zehn Hausdurchsuchungen musste Willi über sich ergehen lassen, ihm wurden fünf Mal alle Pflanzen abgeschnitten. Es handelte sich um CBD-Strains, die extrem wenig THC enthalten. Von diesen hat er kostenlos an mehrere Clubmitglieder abgegeben, außerdem erklärte er, bei welchen Leiden der Hanf helfen könnte. Schließlich wurde es der Staatsanwaltschaft zu bunt und sie behielten Willi Wallner am 27. Februar 2017 direkt in U-Haft. Hier erhielt er zuerst gar keine Cannabinoide und wurde gegen seinen Willen mit Morphium und anderen Medikamenten behandelt. Er hat inzwischen die Verhandlung ausgestanden, ist seit dem 8. Juni 2017 wieder daheim und sieht glücklich, aber schlanker aus. Sein krankes Sprunggelenk am Fuß war in so schlechtem Zustand, dass seine Lebensgefährtin Daniela Angst hatte, dass die Ärzte ihm den Fuß doch noch abnehmen müssen. Sie befürchtete sogar, dass Willi eine längere Haft nicht überleben würde. Die Anklagepunkte lauteten auf Anbau, Weitergabe, Besitz und Kurpfuscherei. Ohne die vielen Menschen, die Willi beistanden und für ihn kämpften, hätte er möglicherweise wirklich einige Jahre Haft zu erwarten gehabt. Willi Wallner hatte auch Glück mit seinem Anwalt Dr. Franz Essl, der ihn trotz ungewisser Finanzlage sehr gut vertrat. Er hatte Glück mit dem Richter, der in der Verhandlung sogar erklärte, dass Willi bei der Abgabe von CBD-haltigem Marijuana keinerlei Gewinnabsicht gehabt hatte und er für seine Situation durchaus Verständnis habe. Willi wurde von der Vorbereitung zum Suchtgifthandel, der Kurpfuscherei und in weiteren Anklagepunkten sogar freigesprochen. Willi Wallner ging schmerzfrei in Haft und innerhalb von nur drei Monaten verschlimmerte sich sein Zustand, dass er fast an seinem viel zu hohen Blutdruck starb und ihm sein Fuß fast abgenommen werden musste. Nach nur zwei Tagen Freiheit erholte er sich soweit, dass er die Krücken zur Seite legen konnte. Er wird in diesem Jahr erneut die Wiener Hanfmesse Cultiva vom 6. bis 8. Oktober 2017 besuchen und wieder für den CSC Salzburg über Cannabis aufklären. [caption id="attachment_4746" align="alignnone" width="500"]Free Willi: Als Patient die U-Haft überlebt Diese Medizin könnte auch mit Sonnenlicht wachsen.[/caption] Nach inzwischen zehn Hausdurchsuchungen müsstest du doch eigentlich wissen, dass du auf der „Abschussliste“ stehst und aufhören. Warum machtest du weiter? Willi: Da ich zwischen zwei Stühlen sitze, zwischen Ärzten und Justiz, zusätzlich noch fünf Gutachten habe, wo mir die Ärzte bestätigen, dass mir Cannabis bei meinen Schmerzen ohne Nebenwirkungen hilft, sehe ich es nicht ein, dass ich mich mit dem Morphium umbringen lasse, wo ich so starke Nebenwirkungen zu ertragen habe. Wie kommt es zum Vorwurf der Kurpfuscherei gegen dich? Willi: Die Vorwürfe der Kurpfuscherei lauten, ich hätte mich als Arzt ausgeben und die Mitglieder behandelt wie ein Arzt. Stimmt nicht und das hat auch das Landesgericht Salzburg gesehen. Freispruch! Hättest du nicht die starke Community im Rücken, hättest du gewiss wirklich erstmal für längere Zeit eingesessen. Du hast mit deinem Sturkopf die Diskussion um Hanf als Medizin in Österreich beflügelt. Wie viele müssten das so machen, um innerhalb von zwei Jahren selber anbauen zu können oder Marijuana aus der Apotheke zu erhalten? Willi: Alle Schmerzpatienten müssen aufstehen, sich nicht verstecken und für ihre Medizin kämpfen, die ihnen ohne Nebenwirkungen hilft. Schreibt an das Gesundheitsministerium oder wendet euch an die Medien und das Hanfinstitut von Toni Straka. Nur gemeinsam sind wir stark, STEHT AUF! Aus Protest warst du in U-Haft zwischenzeitlich sogar 14 Tage im Hungerstreik. Aber nicht nur deswegen siehst du nun schlanker aus. Wie viel Substanz hast du in den drei Monaten U-Haft eingebüßt? Willi: Ja ich bin in den Hungerstreik gegangen und habe die drei Monate 13 Kilo abgenommen. Sie haben mich am Anfang mit Morphium vollgepumpt, so dass ich einen lebensgefährlich hohen Blutdruck bekam. Sie fuhren mich in das Krankenhaus. Sie nahmen mich dort nicht auf. In Haft habe ich mit meinem behandelnden Arzt reden können, dass sie mir wenigstens das Sativex in Haft geben. Früh drei Sprühstöße, abends vier bis fünf Sprühstöße. Geholfen hat es mir nicht wirklich, aber ich war froh, dass ich wenigstens was gegen meine Schmerzen und den Blutdruck bekommen habe. Mitstreiter haben sogar das Projekt „Free Willi“ ausgerufen. Es wurden bedruckte Shirts veräußert und es wurde um Spenden gebeten. Derartiges gibt es hundertfach. Kam damit überhaupt Geld zusammen oder muss dein Anwalt um die offene Rechnung bangen? Willi: Ja, meine Lebensgefährtin hat eine Like-Seite auf Facebook gemacht, genauso wie den Onlineshop mit den „Free Willi‟-T-Shirts, -Jacken und -Pullis. Genauso wie die Website: www.free-willi.org. Leider ist nichts für die Anwaltskosten reingekommen und somit ist die Rechnung von mir und meiner Lebensgefährtin noch offen. Wie groß ist der finanzielle Schaden für den Verein bislang durch die Verfolgung? Wovon willst du die 3500 Euro Vermögensverfall begleichen? Willi: Eine genaue Summe können wir nicht angeben, aber es sind um die Tausende von Euros. Das kann ich nicht sagen, wie wir es begleichen, sie haben uns alles genommen und wir stehen nackt da. [caption id="attachment_4747" align="alignnone" width="500"]Free Willi: Als Patient die U-Haft überlebt Nach der Verhandlung in Freiheit wieder schmerzfrei.[/caption] Du erklärtest an anderer Stelle, ihr hättet als Verein die rechtliche Rahmenbedingung, einen Antrag auf Eigenanbau für Selbstversorgung zu stellen. Es erfolgte keine Antwort, nach sechs Monaten Warten war die Frist im Sommer 2015 abgelaufen, womit nach geltendem Recht das Anliegen geduldet wird. Wirklich geduldet wurde euer Vorgehen jedoch dennoch nicht, auch wenn die Strafe als milde gewertet werden kann. Wo liegt der Fehler? Willi: Ja, genau richtig. Der Fehler liegt in der Politik. Wenn sie es für die Medizin freigeben, wäre alles fein. Aber leider sind sie in Österreich im Gegensatz zu Deutschland noch weit hinten. Wirst du auch jetzt weitermachen und in welchem Rahmen? Willi: Wir werden uns über unsere Rechtsvertretung, den Rechtsanwalt Franz Essl, unser Recht einholen, dass wir legal für den Eigengebrauch medizinisches Cannabis anbauen dürfen. Wie geht euer Kampf als CSC Salzburg in Österreich nun weiter? Willi: Wir werden gemeinsam mit unseren Anwalt Franz Essl eine legale Struktur ausarbeiten, damit wir keine Probleme mehr bekommen. Mit der Aufklärung über medizinischen Hanf werden wir weitermachen, aber sonst auch nichts mehr weiter unternehmen. Viele wollen gerne selbst anbauen, da sie dann alles selber in der Hand haben. Andere können oder wollen das nicht. Kann und wird es in Österreich für die einen Eigenanbau und die anderen eine Versorgung über Apotheken geben? Willi: Wir hoffen und wünschen es uns, dass Schmerzpatienten ihre regelmäßige Medizin beziehen können, ohne dass sie kriminalisiert werden. Soweit Wilhelm Wallner. Vielleicht sollten derzeitige Mitglieder eines CSC allerhöchstens für sich selber anbauen und immer nur sagen, dass Hanf ihnen hilft und anderen auch helfen könnte, damit es nicht wieder zu den Anklagepunkten der Abgabe oder Kurpfuscherei kommt. Mit schweren gesundheitlichen Leiden wäre es natürlich wesentlich angenehmer und stressfreier, sich auf legalem Weg genügend versorgen zu können, als aus der Not heraus mit dem Gesetz zu brechen. Wer chronisch krank ist, der ist es leider für immer, Gesetze können hingegen geändert werden. Text: Robert B.
S
Soft Secrets