Cannabis-Modellprojekte in Berlin

Soft Secrets
16 Feb 2016

Keine Abgabestellen in Friedrichshain-Kreuzberg


Keine Abgabestellen in Friedrichshain-Kreuzberg

Monika Herrmann

Derzeit gehen viele Medienberichte auf regionale Bemühungen ein, die ein Cannabis-Modellprojekt einrichten möchten: Gewisse Drogen, darunter Cannabis, gelten durch das BtMG als nicht verkehrsfähig und sind verboten. Diese dürfen nicht hergestellt, importiert, gehandelt oder gelagert werden, man darf diese nicht einmal besitzen.

Das BtMG gründet auf die sogenannte Single Convention on Narcotic Drugs: Dieses international ratifizierte Dokument gibt vor, dass einige Drogen zu verbieten sind, um durch die repressive Ahndung die Verfügbarkeit und somit den Konsum zu mindern. Damit will man angeblich Schaden von den Bürgern fernhalten. Seit Jahrzehnten nehmen diese unterm Strich eher erheblichen Schaden, weil alle diese genannten Ziele weit verfehlt werden.

Wer Hanf legalisieren möchte, erhält als Antwort: „Wir haben internationale Verträge unterschrieben und könnten nicht einmal, wenn wir wollten, wir wollen jedoch nicht einmal.“ Dass es dennoch ganz gut geht, wenn man will, sehen wir immer öfter, z.B. in Colorado und Washington.

In diesen internationalen Verträgen gibt es jedoch Klauseln, dass von diesen Verboten im Sinne des öffentlichen oder wissenschaftlichen Interesses abgesehen werden kann. Aufgrund dieser Klauseln wurde einst das Methadonprogramm auf kommunaler Ebene durchgeboxt, welches sich in vielen deutschen Städten etablierte und Menschenleben rettet.

 

 

Ablehnung des Coffeeshop-Modellprojekts

Das ist die Vorgeschichte, warum mit dem Wandel der öffentlichen Sicht überall im Land Cannabis-Modellprojekte angestrengt werden. Ob in Münster, Bremen, Hamburg, Düsseldorf, Friedrichshain-Kreuzberg oder anderen deutschen Kommunen: Die rechtliche Möglichkeit ist erwiesenerweise vorhanden, es liegt die ganze Zeit nur an uns und an dem öffentlichen oder vielleicht auch an einem nötigen richterlichen Druck. Einen entscheidenden Anstoß hat 2013 der Deutsche Hanfverband (DHV) gegeben, dies regional umzusetzen.

Monika Herrmann ist seit 2013 Bezirks-bürgermeisterin im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und hat ebenfalls ein Modellprojekt für Cannabis in Angriff genommen. Die Besonderheit des geplanten Coffeeshops ist, dass der Antrag als erstes beim BfArM eingereicht wurde und dieser, wie zu erwarten, bereits abgelehnt ist. Dennoch hat das eine enorme Bedeutung, da die Ablehnungsgründe in allen folgenden Anträgen berücksichtigt werden können.

Wie zu erwarten stand, wären einige der Ablehnungsgründe durch einen etwas geschickter gestellten Antrag möglicherweise vermeidbar gewesen: Ein wissenschaftliches Interesse wurde genannt, aber nicht konkretisiert und wurde deswegen nicht akzeptiert. Ein öffentliches Interesse in der Austrocknung des Schwarzmarkts wäre kaum zu erzielen, wenn das Modellprojekt sich nicht an Jugendliche richten würde. Hier hätte man konkreter die wissenschaftlichen Untersuchungen erklären dürfen. Auch mit anderen Ablehnungsgründen war zu rechnen, vorweg die „zwingenden Versagensgründe“, die vermutlich so zu deuten sind: Es wäre nicht auszuschließen, dass ein Teilnehmer von seinem legal erhaltenen Eigenbedarf nicht doch etwas an andere oder sogar an Jugendliche abgeben würde. Entgegenstellen lässt sich, dass diese Personen bei ersten Auffälligkeiten direkt ausgeschlossen würden und weiterhin dem Strafrecht unterliegen müssten. Es ist bis zu diesen Punkten also die Frage der richtigen und konkreten Formulierungen.

Ein vermutlich von keiner Seite einkalkuliertes Totschlagargument ist jedoch Folgendes: Für den Umgang mit Betäubungsmitteln aus der Anlage I ist für jeden Teilnehmer eine Ausnahmeerlaubnis nach §3 Absatz 2 BtMG notwendig. Das bedeutet: Erzeuger, Verarbeiter, Transporteure, Ausgabestellen und auch die versorgten Kiffer des Coffeeshop-Modellprojekts müssten alle diese Ausnahmegenehmigung bereits vor der Antragstellung beim BfArM auf ein Modellprojekt haben. Ansonsten kann dies gar nicht bewilligt werden. Damit man den Antrag stellen könnte, müssten gewiss 20 der eingeplanten Personen diese Genehmigung bereits in der Tasche haben, um sagen zu können, dass alle anderen diese Genehmigung noch beantragen werden. Allein diese 20 oder besser 50 Personen zu finden, ist fast schon aussichtslos: Ohne Gewissheit auf Erfolg die eigene Identität für den zermürbenden Behördenakt preisgeben? Selbst mit Gewissheit gehen die Konsumenten doch zum Schwarzmarkt, der sogar günstiger als die geplanten Modellprojekt-Coffeeshop-Preise ist! Außerdem würden gerade Genusskonsumenten derartige Genehmigungen gar nicht erhalten!

Sind jetzt alle Modellprojekt-Anträge gestorben? Kann nun höchstens über eine Gesetzesänderung fruchten, wie es die Grünen mit dem Cannabiskontrollgesetz anstreben?

Vorweg noch einmal die Definition der Anlagen I, II und III im Betäubungsmittelgesetz: In Anlage I befinden sich Substanzen, die nicht verkehrsfähig sind. In Anlage II befinden sich Substanzen, die verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig sind. In Anlage III gelistete Substanzen sind verkehrsfähig und verschreibungsfähig. Das bei Überdosis tödliche sowie suchterzeugende Methadon und ähnliche Stoffe befinden sich in Anlage III. Cannabis, welches über keinerlei Toxizität, aber über immense heilende Kräfte verfügt, befindet sich in Anlage I.

Verschreibungsfähig bedeutet, dass der Arzt es verschreiben kann und die Kasse möglicherweise sogar zahlt. Verschreibungsfähig verkehrsfähig bedeutet, dass man damit als befugte Person im abgesteckten Rahmen umgehen darf, ohne große Genehmigungsverfahren zu durchlaufen.

Müssen wirklich Gesetze geändert werden, um ein Cannabis-Modellprojekt in die Wege zu leiten? Es würde genügen, Cannabis einfach von Anlage I in Anlage III zu verschieben und schon könnte der Arzt es mit einem einfachen BtMG-Rezept verschreiben, mit dem z.B. auch viele Opiate verschrieben werden. Aber wenn man etwas ändert, wäre es natürlich zielstrebiger, Cannabis einfach komplett aus dem BtMG zu entnehmen, wie z.B. auch Alkohol oder Tabak nicht im BtMG aufgeführt sind.

Dennoch ein großes Dankeschön an Monika Herrmann und alle anderen, die dieses Thema in die Öffentlichkeit tragen und künftige Rechtsstreitigkeiten zu unseren Gunsten beeinflussen werden: Wenn durch diesen Druck Cannabis in eine andere Anlage überführt wird oder direkt ein „Cannabiskontrollgesetz“ verabschiedet wird, hat all das gewiss dazu beigetragen. Deswegen gilt es weiter zu machen, zu klagen und Kontra zu geben: Cannabis-Modellprojekte und ähnliche Ansätze sind vielleicht nur in der Theorie möglich, aber dass dies in der Praxis kaum möglich ist, ist wiederum ein zu behebender Missstand, auf den man die Öffentlichkeit immer wieder aufmerksam machen muss!

S
Soft Secrets