„Meine grüne Medizin“

Soft Secrets
26 Oct 2015

Patienteninterview


Patienteninterview

Matthias ist 53 Jahre alt, lebt in Krefeld und leidet unter Morbus Bechterew, einer rheumatischen Erkrankung der Wirbelsäule und der peripheren Gelenke. Diese Krankheit lässt die Wirbelsäule ganz versteifen und verknöchern - ähnlich einem Bambusstock. Wegen seiner Erkrankung bezieht Matthias heute eine Erwerbsunfähigkeitsrente - und außerdem auch Cannabis aus der Apotheke. 

Bitte erzähle uns zunächst von deinen gesundheitlichen Problemen, die durch Morbus Bechterew verursacht werden und auch, wie du zu dieser seltenen Erkrankung gekommen bist.

Alles fing Ende 1987 mit einem Hexenschuss an, dann kam der nächste und der übernächste. Mit der Zeit wurden dann auch die Rückenschmerzen immer schlimmer. Ich bin dann auch ein paar Mal geröntgt worden, doch man konnte auf den Aufnahmen nichts erkenne. So ging meine Odyssee dann immer weiter - ich lief von Arzt zu Arzt, zu Orthopäden und Rückenspezialisten, doch niemand konnte sich anfangs einen Reim darauf machen. Morbus Bechterew wurde bei mir - einem damals gerade erst 30jährigen Mann - zu der Zeit ausgeschlossen. Zu meinen immer chronischeren Rückenschmerzen kamen dann auch noch Magenbeschwerden - offensichtlich vertrug ich die vielen anti-rheumatischen Medikamente nicht gut, die meinen Magen mittlerweile schon etwas ruiniert hatten. Ich wurde dann von einem Spezialisten zum nächsten geschickt, erhielt verschiedenste Medikamente bis hin zu Tillidin oder Novosulfamin und galt schließlich bei manchen Ärzten sogar schon als Simulant, weil man sich einfach nicht erklären konnte, an welcher Krankheit ich eigentlich leide. Irgendwann wurde dann auch mal über familiäre Vorerkrankungen gesprochen und ich erwähnte, dass mein Großvater Morbus Bechterew hatte - so begann man dann ab 1996 auch in dieser Richtung nachzuforschen und mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass es die zutreffende Vermutung war. Leider gibt es bis heute in der medizinischen Fachwelt noch keine klare Diagnose, wie oder wodurch genau man Morbus Bechterew kriegt.

Wie bist du schließlich auf Cannabis als Medizin gestoßen?

Durch eine Patientin, die ich kennenlernte, als ich - vom Arzt verordnet - etwa 10 mit Kodein versetzte Paracetamol pro Tag einnahm. Ich wusste, das geht stark auf die Leber und als mir dann besagte Patienten erklärte, dass sie mit ihrer Oma ab und zu mal nach Holland fährt, da gegen das Rheuma ihrer Oma Cannabis gut hilft, erinnerte ich mich an meine Zeit als 20-Jähriger, in der ich auch gerne mal etwas Haschisch geraucht habe und zum Zwecke der Beschaffung auch ab und zu mal über die holländische Grenze fuhr. Also - über 20 Jahre später - fuhr ich wieder nach Holland und probierte Cannabis erstmals als mögliche Medizin. Ich kaufte fünf Gramm von einer starken Indica-Sorte, rollte einen Joint, rauchte ihn und dachte: „Moment mal, du bist ja total entspannt!“ Ich spürte nun ganz deutlich die befreiende Linderung, die mir dieser erste Joint nach so langer Zeit verschafft hatte. Nach einigen Tagen hatte ich die 5 Gramm dann weggeraucht und meine Frau sagte mir, dass ich irgendwie viel entspannter wirke und auch wieder deutlich besser aussehe.

War dir zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass man mit der „richtigen“ Krankheit Cannabis auch in Deutschland aus der Apotheke beziehen kann?

Nein, aber ich habe mich dann ziemlich schnell schlau gemacht und wollte die Medizin meiner Wahl auch ganz legal konsumieren dürfen. Ich bin dann ganz viel hin und her gelaufen, bis ich irgendwann Dr. Hanf kennen gelernt habe, der mir empfahl, es einmal mit Dronabinol zu versuchen. So begann meine lange Suche nach einem Arzt, der meinen Fall unterstützen und begleiten würde - manch’ einer wusste gar nichts mit dem Thema anzufangen, andere lehnten es sogar ganz entschieden ab. Dronabinol sei viel zu teuer - so etwas könne man mir gar nicht verschreiben. Schließlich wären wir hier nicht in Frankfurt am Main und ich wäre kein reicher Mann. Als Alternative wurde mir dann unter anderem auch Morphium gegen meine chronischen Schmerzen angeboten - doch das gefiel mir nicht, da ich kein Risiko eingehen wollte, morphiumsüchtig zu werden. Also habe ich dann die THC-Farm angerufen und gefragt, ob in Krefeld eine Apotheke existiert, die THC-haltige Medikamente anbietet und erfuhr so, dass es zumindest eine solche Apotheke hier in der Stadt gibt. Einen in der Nähe praktizierenden Arzt, der auch Hanfpatienten begleitet, konnte man mir dort zwar nicht nennen, aber nach einigem Drängen nannte mir der Apotheker dann den Namen des Arztes, der ihm die Patienten mit den seltenen Dronabinol-Rezepten schickt.

Da wirst du dir dann sicher ganz schnell einen Termin geholt haben…

Korrekt, und dann habe ich alle meine Unterlagen mitgenommen und dem Arzt meinen Fall ausführlich geschildert. Er verschrieb mir dann tatsächlich Dronabinol und schickte mich mit dem Rezept in die mir ja schon bekannte Apotheke. Anfänglich bekam ich drei mal zwei Tropfen am Tag und merkte auch eine gewisse Linderung - allerdings nicht in dem Maße, wie ich es vom Rauchen her kannte. Also habe ich die Dosis langsam auf drei mal fünf Tropfen am Tag gesteigert, womit es mir dann schon deutlich besser ging. Allerdings hatte ich damit nun ein echtes Geldproblem - denn wie sollte ich mir diese teuere Medizin auf Dauer leisten können? Das waren ja immerhin um die 300 Euro für so ein kleines Fläschchen und ich hätte bestimmt um die zweieinhalb Fläschchen pro Monat gebraucht. Ich schrieb meiner Krankenkasse und fragte an, ob man mir das Medikament finanzieren würde - doch wie schon befürchtet, erhielt ich nur eine knappe Absage. Als ich dann mitkriegte, dass man sich inzwischen auch natürliche Blüten aus der Apotheke holen kann, sprach ich nochmals mit meinem Arzt, der sich damit aber noch gar nicht auskannte. Also machte ich mich selbst schlau und teilte dann mein Wissen mit ihm, woraufhin er sich sein eigenes Bild machen konnte und mir schließlich fünf Gramm pro Tag verschrieb. Wir waren dann beide etwas überrascht, als die Genehmigung tatsächlich kam - nun hatte ich, ähnlich wie bei Dronabinol, nur wieder das Finanzierungsproblem, denn natürlich übernahm meine Krankenkasse auch nicht die Kosten für die Blüten aus der Apotheke. Also muss ich meine grüne Medizin von meiner kleinen Erwerbsminderungsrente auch in Zukunft erstmal selbst bezahlen - aber was bleibt mir auch anderes übrig? Nur so komme ich zu meinem Urlaub von der Krankheit.

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