Legaler Hanfanbau in Österreich!

Soft Secrets
26 Jul 2015

Szene-Report


Szene-Report

 Nach wie vor gibt es in Österreich einen gewissen rechtlichen Freiraum, weil Cannabis-Samen, Blätter, Stängel, Wurzeln und Jungpflanzen keinen strafrechtlich relevanten THC-Gehalt erreichen und so nicht als „Suchtgift“ gelten. Daher kann man in zahlreichen Geschäften der Alpenrepublik durchaus Cannabis-Samen und Jungpflanzen erwerben, die zu potenten Pflanzen heranwachsen können. Der unerlaubte Anbau von Cannabis-Pflanzen für Zwecke der „Suchtmittelgewinnung“ ist jedoch eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe in Höhe von bis zu 36.300 Euro bestraft werden kann. Falls der Angeklagte nicht über so viel Geld verfügt, kann er bis zu sechs Wochen inhaftiert werden. 

Gerichtlich strafbar ist in Österreich grundsätzlich erst die illegale Handlung der „Suchtmittelgewinnung“ - so nennt man hier die Trennung der THC-haltigen Pflanzenteile von der Pflanze zwecks „Suchtmittelerwerb“. Dennoch werten viele österreichische Gerichte in der Praxis oft bereits den Anbau bzw. die Herstellung als versuchte Erzeugung im Sinne des österreichischen Suchtmittelgesetzes. Der Anbau von Cannabis-Pflanzen für verschiedenste Zwecke, die nicht der Suchtmittelgewinnung dienen (zum Beispiel als Zierpflanzen oder als Rohstoff für die Papier- oder Textilherstellung) ist ganz unabhängig vom möglichen THC-Gehalt der Sorte straffrei.

Diese rechtliche Lage ermöglicht den österreichischen Stecklingsproduzenten ihre durchaus lukrativen Geschäfte - einer der größten ist Alex Kristen, der 2004 in einem nur 20 Quadratmeter großen Kellerraum in Wien seine erste Plantage aufbaute - das war damals für viele Leute noch etwas sehr Exotisches. Diese Geschäftsidee kam Alex ausgerechnet bei seinem Jurastudium - im Rahmen seiner Strafrechtsprüfung.

Heute wächst in seiner Gärtnerei "Flowery Field" in Brunn am Gebirge eine völlig legale Cannabisplantage auf 1.000 Quadratmetern. Aus den Mutterpflanzen werden die Stecklinge für den Verkauf aufbereitet - nicht immer zur Freude der Nachbarn. Obwohl die Gewächse keine Blüten haben, wurde Alex im Zuge seiner Geschäftstätigkeit bereits mehrmals angezeigt, weil Nachbarn verdächtig süßlichen Marihuanageruch in seinen Räumlichkeiten wahrnahmen - diese Anzeigen führten aber zu keiner Verurteilung.

Dann entschied sich einer der größten Zierpflanzenproduzenten Österreichs im letzten Jahr aus rein finanziellen Gründen, fortan auch Cannabispflanzen zu produzieren und noch vor Erreichen des Blütenstands zu verkaufen – denn erst dann entwickelt die Pflanze THC, dessen Erzeugung, Erwerb und Besitz auch in Österreich strafbar ist. Obwohl die Aufzucht bis zur Blüte gesetzlich nicht explizit verboten ist, herrscht in der Rechtspraxis eine kontroverse Debatte, ob sie nicht schon als Beitragstäterschaft zu ahnden sei. Das Oberlandesgericht Wien (OLG) verneinte das Ende Januar 2015 ganz ausdrücklich.

In Zusammenarbeit mit einer Gärtnerei aus der Wiener Neustadt wollte das finanziell angeschlagene Grazer Unternehmen Hanfpflanzen in Gewächshäusern kultivieren und über den Großhandel weiterverkaufen. Aber schon im Herbst 2014 - noch bevor die letzten Vorbereitungen abgeschlossen waren - griff die Polizei ein und beschlagnahmte über 4.000 Pflanzen. Auf Antrag der örtlichen Staatsanwaltschaft wurde ein Strafverfahren eröffnet - im Oktober legte dann der Rechtsvertreter der Gärtnerei Beschwerde gegen die Beschlagnahmung der Pflanzen ein. Er argumentierte vor Gericht, dass die Gärtnerei "Flowery Field" ungestört dasselbe Geschäftsmodell betreibe. Der Anwalt zitierte dazu eine im Mai 2014 erschienene Fotoreportage "Die Cannabis-Plantage im Speckgürtel von Wien" - darin erklärte Alexander Kristen, Geschäftsführer und Inhaber von "Flowery Field", seinen gewerblichen Balanceakt zwischen legaler Pflanzenzucht und dem Vorwurf einer möglichen Beitragstäterschaft. Nun fasste die Staatsanwaltschaft der Wiener Neustadt diesen Verweis des Anwalts aber nicht als Argument für die Gärtnerei auf, sondern als Argument gegen "Flowery Field" und zeigte auch Alexander Kristen an.

Das Oberlandesgericht Wien, bei dem dieser Fall schließlich landete, entschied Ende Dezember 2014, dass die Beschlagnahmung der Pflanzen rechtswidrig war. Die Staatsanwaltschaft musste alle Vorwürfe gegen die Gärtnerei und Ende Januar 2015 auch gegen Alexander Kristen fallen lassen.

"Der Schlussfolgerung der Anklagebehörde, wonach bei lebensnaher Betrachtung schon der Anbau potenter Cannabispflanzen den auf Suchtgiftgewinnung gerichteten Vorsatz begründe, kann ohne weiteres Beweissubstrat in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden", erklärte das Oberlandesgericht in seinem Beschluss. Dies "käme einem generellen Anbauverbot derartiger potenter Cannabispflanzen gleich. Dem Gesetz ist jedoch ein generelles Aufzuchtsverbot von Cannabispflanzen, mag es sich auch um THC-haltige Sorten handeln, nicht zu entnehmen. Im Rahmen dieser Grenzen gibt es daher Raum für legalen Cannabispflanzenanbau", schlussfolgerten die Wiener Richter. Sie bestätigten so die vorherrschende Rechtsauffassung, dass Cannabis-Saatgut und auch die Pflanze selbst dem Suchtmittelgesetz unterliegt - allerdings nur, wenn sie zur „Erzeugung von Suchtgift“ geeignet sind oder (die Pflanzen) mehr als 0,3 Prozent THC enthalten. Wir sprachen mit Alexander Kristen über Gerichtsverfahren und Hanf in Österreich.

War der hier geschilderte Fall eigentlich dein erstes derartiges Gerichtsverfahren?

Nein, seit dem Beginn meiner unternehmerischen Tätigkeit im Jahr 2004 ist mein Geschäftsgegenstand nun schon vier Mal gerichtsanhängig gewesen: 2004, 2005, 2012 und jetzt eben auch 2015. Alle vier Strafverfahren mussten von den Staatsanwaltschaften wieder eingestellt werden - das Problem bestand wohl darin, dass es bis vor kurzem für Staatsanwälte keine gesetzliche Verpflichtung gegeben hat, die Einstellung des Verfahrens zu begründen. Die haben dann einfach so etwas geschrieben, wie: Es besteht kein tatsächlicher Grund, Sie zu verfolgen. Daher wird das Verfahren hiermit eingestellt. Das war's - eine tatsächliche Begründung wurde nicht geliefert. Deshalb ist ja das letzte Verfahren auch so wichtig für mich gewesen, denn hier war der Einstellungsgrund der Beschluss des Oberlandesgerichts Wiens. Das erleichtert mich schon sehr. Zudem hat es im November letzten Jahres auch eine Anfrage der Grünen an den Justizminister gegeben, ob der Verkauf von Hanfstecklingen, die zur Suchtmittelgewinnung geeignet sind, in Österreich legal ist. Daraufhin hat der Justizminister gesagt, dass das immer eine Einzelfallentscheidung sei - und damit der freien Beweisführung des jeweils zuständigen Richter unterliege. Und im Einzelfall wäre dan

Was denn für ein Problem?

Okay, ein Beispiel: hätte ich in meinem Betrieb auch Bongs oder Vaporizer neben meinen Stecklingen im Angebot, sähe die Sache schon wieder ganz anders aus. Letztendlich muss die Staatsanwaltschaft begründen können, dass du es als Verkäufer für möglich gehalten und dich vielleicht auch damit abgefunden hast, dass du Pflanzen für die Suchtmittelgewinnung verkaufst. Dafür benötigen sie Indizien, die sie gerne im Raucherzubehör finden - da reichen schon lange Papers. Mindestens genauso schlimm ist es, wenn man als Verkäufer die Kunden dahingehend berät, wie man erfolgreich THC-reichen Hanf anbauen kann - allerdings müssen sie dir das dann auch erstmal beweisen.

Bei der Firma Udopea in Bremen scheint das ja geklappt zu haben...

Das kann dir natürlich immer passieren, dass da irgendein Kunde, der mit seiner Grow-Anlage aufgeflogen ist, sich hin stellt und behauptet, er hätte mit dem Verkäufer vereinbart, erst dann alles zu bezahlen, wenn die erste Ernte verkauft wurde. So wurden - soweit ich weiß - ja die Hausdurchsuchungen im Umfeld von Udopea Bremen gerechtfertigt. Aber solche Entscheidungen sind auch immer von dem politischen Wind abhängig, der gerade durch das Land weht und von den Regionen, in denen die Fälle verhandelt werden. Letztendlich ist das Hanfstecklingsgeschäft in Österreich nur möglich, weil es eben ein Vorsatz-Problem ist, welches immer eine Einzelfallentscheidung verlangt. Dadurch lässt sich die Frage um die Legalität von Hanfstecklingsproduktionen nicht verallgemeinern, was das Geschäft auch weiterhin ermöglicht. Denn selbst wenn hier mal einer erwischt wird, hat das zumindest für die anderen keine negativen Auswirkungen.

2006 gab es ja einen Gerichtsentscheid, der besagte, dass - wenn man 1.000 Hanfstecklinge verkauft - man davon ausgehen muss und damit auch akzeptiert, dass davon mindestens eine Pflanze zur Suchtmittelgewinnung verwendet wird. Das klingt schon sehr nach einer Verallgemeinerung...

Nach einem späteren Beschluss des OLG Wien ist diese Annahme der Staatsanwaltschaft jedoch nicht ohne weitere Beweismittel zulässig. Das heisst nichts anderes, als dass die Anklagebehörde nun versuchen muss, durch zweckdienliche Ermittlungen in Abnehmerkreisen - wie zum Beispiel Telefonüberwachung oder durch Beschlagnahmung von privater Korrespondenz - diese Beweismittel zu erlangen.

Wie wertest du die Tatsache, dass ausgerechnet ein Interview mit dir zu deiner vierten Anzeige führte?

Irgendwie habe ich das schon erwartet, denn ich hatte schon ein paar offensive Statements gegeben. In Wien würde da nichts passieren, aber in Niederösterreich war nicht ausgeschlossen, dass irgendein Staatsanwalt in meinen Äußerungen Indizien dafür sieht, dass ich die Suchtmittelgewinnungsabsicht der Kunden in Kauf nehme. Dabei haben wir letztendlich nur die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts vertreten. Ich glaube, ich hatte in gewisser Weise auch im Glück - da ich ja mit "Flowery Field" zuvor schon durch drei Gerichtsverfahren musste, wurde keine Beschlagnahmung der Pflanzen angeordnet. Ich war halt schon aktenkundig - bei mir gab es schließlich schon drei Verfahrenseinstellungen. Wäre ich in diesem Zusammenhang zum allerersten mal in so einen Konflikt geraten, dann hätte man sicher auch meine ganzen Hanfpflanzen konfisziert.

Kam es überhaupt noch zu einem Verfahren gegen dich nachdem die Klage der Staatsanwaltschaft im Fall der Gärtnerei aus der Wiener Neustadt abgewiesen wurde?

Dazu kam es ja schon im letzten November - ich selbst erhielt dann erst am 16. Januar die offizielle Mitteilung über die Verfahrenseinstellung auf Grund des Gerichtsbeschlusses im Fall der Gärtnerei aus der Wiener Neustadt. Ich habe zwar ein offensiveres Geschäftsmodel als die Gärtnerei oder der Zierpflanzenproduzenten, da ich neben der Gärtnerei an einem anderen Standort auch noch einen Grow-Shop betreibe - aber solange die Grow-Boxen nicht neben den Stecklingen stehen, kann man mir daraus keinen Strick drehen.

Die Frage, ob Hanfstecklingszucht schon als Beitragstäterschaft zu werten ist, wird in Österreich ja schon lange recht kontrovers diskutiert. Manche wurden dafür verurteilt, manche in Ruhe gelassen. Was meinst du, woran das liegt?

Das sind halt immer Einzelfallentscheidungen bei denen es darauf ankommt, was man in diesem oder jenen Fall ganz konkret in der Hand hat. Wenn man zum Beispiel einen verdeckten Ermittler berät und ihm vielleicht sogar noch Kontakte zu potentiellen Abnehmern vermittelt, wenn die Polizei einen Haupttäter mit einem professionellen Grow-Room gefunden hat und der dann einen Händler belastet oder wenn der Händler sogar selbst zuhause ein paar Pflanzen zieht, dann kann man schon ernsthafte rechtliche Probleme bekommen.

Anfang März erklärte das österreichische Justizministerium, dass der Besitz kleiner Mengen Cannabis straffrei gestellt werden sollen. Dann gäbe es in Österreich eine ähnliche Rechtslage wie in Deutschland, wo der Besitz geringer Mengen nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird - interpretierst du diese Entwicklung als freiwilligen Schritt in die richtige Richtung und damit als ein Signal, dass sich auch in Österreich etwas bewegt oder glaubst du, dass das lediglich ein juristisches Eingeständnis ist, das sich eh nicht mehr vermeiden lies?

Ich glaube, das ist der Anfang vom Ende der Prohibition in Österreich - allerdings wirklich der allererste, kleine Anfang. Es ist ein Schritt, der nun versucht, hier eine Änderung durchzusetzen, doch ich glaube, dass dieser Schritt nur eine Farce ist, denn auch der Besitz einer geringen Menge von bis zu 20 Gramm reinem THC ist und bleibt eine Straftat, auch wenn sie dann nicht mehr geahndet wird. Diese Regelung gilt übrigens auch für alle anderen Substanzen - also nicht nur für Cannabis. Der Paragraph 35 ist bei uns ein ganz eigenes Konstrukt und besagt, dass - wenn du Cannabis besitzt, um es selbst zu konsumieren oder unentgeltlich an Freunde weiterzugeben - die Anzeige auf eine Probezeit (Bewährung) von zwei Jahren festzulegen ist. Das ist eine klare Vorschrift, bei der die Staatsanwaltschaften gar keinen Handlungsspielraum haben. Meistens werden dann zwar auch noch die Gesundheitsbehörden mit einbezogen, und die Leute müssen - um ihren Führerschein behalten zu können - durch ein psychologisches Gutachten nachweisen, dass sie immer noch strassenverkehrstauglich sind. Diesen Paragraph 35 wollen sie nun dahingehend ändern, dass fortan nicht mehr die Staatsanwaltschaft verständigt wird, sondern nur noch die Gesundheitsbehörde. Das hat zur Folge, dass - wenn jemand verständigt werden muss - dann auch wieder jemand ermitteln muss. Insofern wird sich für die österreichische Polizei relativ wenig ändern, da sie auch weiterhin ermitteln muss. Sie würde dann aber beim Auffinden geringer Mengen nicht mehr die Staatsanwaltschaft informieren, sondern nur die Gesundheitsbehörde. Und das war dann auch schon die wesentliche Änderung, die da geplant wird. Danach bliebe erstmal abzuwarten, wie sich die Polizei in der Praxis verhält und wie stark sie dann noch Cannabisdelikte verfolgen würde.

Ist die Änderung des Paragraphen 35 eigentlich noch aufzuhalten?

Ich glaube nicht, denn in Österreich ist es so, dass - wenn ein Gesetz in die Begutachtung geht - nur hier und da noch ein paar Worte ausgetauscht werden, bevor die Gesetzesänderung dann letztendlich bestätigt und wirksam wird. Insofern wird es sicher auch hier zu einer Gesetzesänderung kommen - entweder schon in diesem Herbst oder spätestens mit Beginn des Jahres 2016.


 

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