Kein Weed in Südamerika?

Soft Secrets
30 Jun 2015

Uruguay setzt den Marijuanaverkauf kurzfristig aus


Uruguay setzt den Marijuanaverkauf kurzfristig aus

Dass Kalifornien 1996 als erster US Bundesstaat den medizinischen Einsatz von Cannabis erlaubte, war ein Meilenstein, dem heute vermutlich zu verdanken ist, dass 18 Jahre später, im Jahr 2014, Marijuana zu Genusszwecken in Washington, Colorado und Uruguay legalisiert wurde. Dies zeichnete sich bereits 2013 ab, und Uruguay ist somit das erste Land, in dem Cannabis auch zu Genusszwecken wieder legal ist.

Dem einstigen Präsident von Uruguay, Jose Mujica, ist diese Entwicklung in seinem Land maßgeblich zu verdanken. In den meisten Fällen sind positive Entwicklungen in der Legalisierung von Marijuana immer auf Volksbegehren, den Wählerwillen oder die Verfassungsgerichte zurückzuführen, aber nie auf die Spitzenpolitiker der Regierung. In Uruguay war es genau umgekehrt: Jose wollte legalisieren, aber zögerte, da der Rückhalt in der Bevölkerung fehlte. Als es dann doch beschlossen wurde, waren die Hoffnungen groß und viele etwas enttäuscht, als die neuen Gesetze nicht entsprechend umgesetzt wurden, wie z. B. in Washington und vor allem in Colorado.

Im Jahr 2014 war Marijuanaanbau, der Verkauf, der Besitz einer begrenzten Menge und der Konsum mit konsumbezogenen Handlungen in Uruguay legal, aber es gab gar kein Marijuana, welches angebaut wurde und verkauft werden konnte. Dieses kann allerdings eben nicht auf dem Schwarzmarkt eingekauft werden, der durch die Legalisierung ausgetrocknet werden soll. Es gab sogar Pläne, dass die Armee das nötige Marijuana anbauen soll, welches dann in Apotheken verkauft wird, nachdem die Idee des Imports aus Kanada vermutlich aus Kostengründen verworfen wurde. Letztendlich wurde Ende 2014 öffentlich dazu aufgefordert, sich um kommerzielle Anbaulizenzen zu bewerben. Es meldeten sich für die 5 Lizenzen 22 Firmen, darunter auch Bedrocan. Privatleute machten kaum Gebrauch von ihrem Recht. Diese dürfen zwar bis zu 6 Pflanzen anbauen und bis zu 480 Gramm lagern und sogar ab Oktober 2014 Anbauclubs gründen, müssen dies jedoch melden. Immerhin hat sich Jose leider zurückgezogen, denn die Wahlen standen an. Der jetzige Präsident Tabare Vazquez musste seiner Partei vor der Wahl versprechen, die Marijuana-Legalisierung nicht rückgängig zu machen, aber er verkündete bereits nach seinem Sieg, man könne die Gesetze durchaus anpassen, er sei kein Hanffreund wie Jose. Dennoch startete der Anbau und Vertrieb von legalem Marijuana zu einem Preis von etwa 80 US-Cents, um zum Schwarzmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Marijuana-Legalisierung zeigt bislang in Colorado am deutlichsten, wie sinnvoll sie ist: Der Alkoholkonsum geht leicht zurück, es gibt weniger Suizidenten, einige Bereiche in den Kriminalstatistiken entwickeln sich mehr als nur positiv, und es gibt mehr Jobs und Steuereinnahmen. Die vorhergesagten Horrorszenarien blieben bislang aus: Die Gesundheit der Bevölkerung bessert sich eher, die Jugend ist nicht gefährdeter als vorher, sondern die Abgabestellen verhielten sich gegenüber minderjährigen Testkäufern vorbildlich. Dennoch tritt nun leider der Internationale Kontrollrat für Betäubungsmittel, INCB, in Erscheinung und verwarnt Uruguay, Washington und Colorado scharf, da sie internationale Verträge gebrochen haben. Durch das Wirken von Harry Anslinger, dem maßgeblichen Akteur der Marijuanaverbote, wurde durch die UN die Single Convention on Narcotic Drugs im Jahr 1961 verabschiedet. Diese wurde von fast jedem Land der Erde unterzeichnet und die Unterzeichner verpflichten sich, die darin aufgeführten Drogen zu verbieten und deren Produktion und Handel zu verfolgen. Belegte Fakten und die Legalisierungserfolge, die sich am deutlichsten in Colorado abzeichnen, interessieren den INCB nicht. Diese Institution prüft, inwieweit die Single Convention durch alle Vertragszeichner eingehalten wird. Eine „hochrangige Kommission“ soll in Uruguay prüfen, ob ein Vertragsbruch stattfindet. Aufgrund des politischen Drucks wurde der legale Marijuanaverkauf vorerst ausgesetzt, der illegale Marijuanaverkauf dürfte demnach sein einstiges Ausmaß zurückgewonnen haben.

Die Relegalisierung oder das Verschärften der Verbote von Marijuana ist ein Taktieren im verlorenen War on Drugs. Alle Ziele wurden nicht nur verfehlt, es wurde nicht einmal die gegenteilige Entwicklung aufgehalten: Heute werden erheblich mehr Drogen konsumiert als vor den internationalen Drogenverboten. Dass Drogenkonsum gefährlich ist und zur Verelendung führt, ist häufig auf die Drogenverbote zurückzuführen, die es für die Betroffenen schlimmer machen, als es ist. In den USA geht es voran, Jamaika hat legalisiert, die Schweizer haben Bußen eingeführt, in Belgien gibt es wie in Spanien Cannabis Social Clubs, Cannabis-Medizin wird immer offensichtlicher anerkannt und immer intensiver verwendet. Zugleich rudern die Niederländer mit dem Wietpas zurück, es werden weiterhin Konsumenten verfolgt, mit neuen Drogentests werden nüchterne Kraftfahrer ihres Führerscheins beraubt und vieles mehr. Dieses Taktieren beider Seiten findet seit Jahrzehnten statt, und es wird auch dabei bleiben, aber die Stoßrichtung geht offensichtlich in die richtige Richtung. Werden den Kiffern immer mehr Zugeständnisse gemacht, zeichnet sich bei Tabakkonsumenten jedoch ab, dass die sogenannten Nichtraucherschutzgesetze immer mehr zu Tabakverbotsgesetzen werden und man auch gegen den „übermäßigen Alkoholkonsum“ neue Taktiken ausarbeiten will. Das Konzept der Verbotspolitik ist somit nicht etwa im Begriff, überwunden zu werden, es wird nur taktisch und strategisch neu ausgerichtet.

Viele Drogenverbotskrieger brauchen über eine Lockerung der Verbotsgesetze gar nicht erst nachdenken, da sie an internationale Verträge gebunden sind. Hinter diesen verstecken sie sich. Dabei bietet die Single Convention erheblichen Handlungsspielraum: Die Produktion und der Handel werden untersagt, aber der Konsum, konsumbezogene Handlungen oder Studien und Modellprojekte nicht. Spanien und Belgien wurden nicht gerügt, da sie die Verträge genau studierten, bevor sie Cannabis Social Clubs tolerierten. In den Niederlanden wird selbst ein kommerzieller Vertrieb gebilligt, solange dieser nur Konsumenten versorgt. In Kalifornien wird medizinischer Hanf seit fast 20 Jahren legal nach einer recht lockeren Regelung genutzt. Wäre Tabare Vazquez als neuer Präsident in Uruguay für die Marijuana-Legalisierung, käme er von ganz allein auf die Idee, die sie in Bolivien hatten: Die Verträge werden einfach gekündigt, dann muss man sie nicht mehr einhalten!

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