Undergrund-Grower versorgt Kranke mit Medizin

Exitable
22 Apr 2014

Es gibt ja viele Patienten, die auf Cannabis angewiesen sind. Längst nicht alle haben dabei das Glück, auch mit der benötigten Medizin versorgt zu werden, nur wenige verfügen über eine Ausnahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle zum Erwerb der Blüten aus der Apotheke.


Es gibt ja viele Patienten, die auf Cannabis angewiesen sind. Längst nicht alle haben dabei das Glück, auch mit der benötigten Medizin versorgt zu werden, nur wenige verfügen über eine Ausnahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle zum Erwerb der Blüten aus der Apotheke.

Es gibt ja viele Patienten, die auf Cannabis angewiesen sind. Längst nicht alle haben dabei das Glück, auch mit der benötigten Medizin versorgt zu werden, nur wenige verfügen über eine Ausnahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle zum Erwerb der Blüten aus der Apotheke.

Aber es gibt einen, nennen wir ihn Thomas, der sich mit der Hanfmedizin auskennt. Einen, der eigentlich ausgebildeter Mediziner ist, seinen Beruf aber aus diversen Gründen nicht ausübt und stattdessen als „Privatarzt“ einigen Cannabispatienten das Leben erheblich erleichtert. Thomas ist nicht nur Mediziner und Hanfexperte, sondern auch leidenschaftlicher Grower, der seit 25 Jahren Erfahrung im Anbau der Cannabispflanze hat. 

Du bist also Arzt, Fachmann für Cannabis und Guerilla Grower. Erzähl doch unseren Lesern, wie du diese drei Eigenschaften miteinander verknüpfst.

Thomas: Naja, Fachmann für Cannabis – wenn es denn sowas gibt. Ich beschäftige mich seit meiner Jugend mit der Hanfpflanze und auch mit anderen Heilpflanzen und Rauschgewächsen. Das interessiert mich wahnsinnig. Es ist doch unglaublich, dass es da draußen Pflanzen gibt, die uns heilen können, die unser Wohlbefinden unterstützen und die dabei nicht mal gefährlich sind. Der größte Hammer dabei ist aber, dass solche Pflanzen von Seiten der Regierung verboten werden. Ein einziger schlechter Witz!

Und da hast du die Eigeninitiative ergriffen?

Thomas: Ach, das hat sich eher entwickelt. Es war nicht so, dass ich von heute auf morgen beschlossen hätte, diesen Weg zu gehen. Vielmehr fand ich mich eines Tages in genau der Situation wieder, in der ich heute lebe. Im Grunde wollte ich nur einen unkonventionellen Pfad des Lebens beschreiten – hatte keinerlei Lust, im hierarchischen Chaos eines Krankenhausbetriebs unterzugehen, und genauso wenig Bock, in einer eigenen Praxis nur Rentner mit Ischias und Husten zu behandeln.

Also? Was passierte?

Thomas: Ich arbeitete zunächst imHospital und litt unter der Struktur, unter der durch das Gesundheitssystem notwendigen Menschenverachtung, weil der Patient wegen des Geldes doch auf der Strecke bleibt, und litt auch unter vielen hochnäsigen Kollegen, die meinten, ein Arzt sei mehr wert als andere. Komisch, aber dieses Bild herrscht doch tatsächlich noch vielerorts vor. Nicht nur in den Köpfen der Doktoren, sondern auch beim Pflegepersonal, in der Verwaltung und sogar in den Köpfen der Patienten und Angehörigen. So schmiss ich irgendwann das Handtuch, ohne zu wissen, wie es weitergehen könnte. Ich wollte kein Zahnrad in dieser widerwärtigen Maschinerie sein. Ich wollte den Menschen wirklich helfen und nicht nur so tun müssen! Da habe ich mich zunächst von meinen Grow-Erzeugnissen über Wasser gehalten. Ich baue ja schon seit knapp 25 Jahren Hanf an, begonnen hatte ich, nachdem ich ein Buch von Ed Rosenthal und Mel Frank gekauft und regelrecht verschlungen hatte. Kiffer bin ich, seit ich denken kann. Jedoch rauche ich nicht sonderlich viel. Wenn es hochkommt, ein Viertelgramm am Tag. Es gibt aber auch Tage, da rauche ich gar nichts. 

Das passt, wenn man von seiner Ernte leben möchte. Wer alles selber raucht, kann nicht groß Geld einnehmen.

Thomas: Darum ging es mir interessanterweise nie. Ich habe zu Anfang das Weed an Freunde abgegeben, und zwar zum Selbstkostenpreis. Zu D-Mark-Zeiten habe ich für das Gramm bestes Biogras vier Mark genommen. Es waren aber auch nur etwa vier oder fünf gute Freunde, denen ich als „Dealer“ fungierte. Als ich über die Jahre immer mehr Erfahrung sammelte und nicht nur Gras produzierte, sondern auch diverse Hasch-Sorten und sogar hochpotentes Öl, traute ich mich irgendwann, im Bekanntenkreis meine Produkte anzubiedern. Im Lauf der Zeit hat sich eine regelrechte Interessengemeinschaft um meine Person aufgebaut – alles Cannabispatienten ohne Ausnahmegenehmigung, die nun von meinem Lebensweg profitieren. Gut so. Denn ich hatte schon ein schlechtes Gewissen.

Was war los? Du hattest dir etwas vorzuwerfen?

Thomas: Eigentlich nicht. Allerdings hätte ich, und das wissen all meine Bekannten und Freunde, als Arzt dafür sorgen können, dass möglichst viele Patienten zu ihrem Recht kommen. Sieh dir doch den Kollegen Grotenhermen an (Dr. med. Franjo Grotenhermen, Facharzt für Cannabismedizin, Anm. der Red.). Was der macht, ist der Wahnsinn. Setzt sich dafür ein, dass die, die es benötigen, bekommen, was sie brauchen – und dabei ist es ihm egal, wie kompliziert der Rechtsstatus hinsichtlich Cannabis ausschaut. Ein toller Mensch, ohne Furcht – ein Ritter des Guten!

Das ist wahr. Franjo ist ein toller Mensch, der vielen Kranken auf offiziellem Wege hilft und beisteht. Aber deine Praxis ist eben eine andere. Erzähl bitte weiter.

Thomas: Ich praktiziere nicht als Arzt, sondern als wahrer „Kellerschamane“. Das heißt, ich gebe meine selbst gemachten Cannabis-Produkte an mir bekannte und vertrauenswürdige Patienten weiter. Die zahlen nur wenig, keine vier Euro das Gramm Weed, Hasch fünf und Öl sieben Euro – das geht doch. Einzige Einschränkung: Hasch und Öl sind stets nur limitiert vorhanden, das muss immer für alle reichen. Also gibt es das nur begrenzt.

Welche Mengen produzierst du denn?

Thomas: Das ist durchaus unterschiedlich. Mindestens ein Kilo kommt pro Grow schon raus. Aus kleinsten Blütchen und blütennahen, harzreichen Blättern bereite ich Hasch- und Ölprodukte, manchmal aber auch aus den besseren Buds – je nach Sorte und Anforderung. Wenn zum Beispiel eine Haze-Sorte als Lieferant für gutes Dope dienen soll, dann verarbeite ich schon die besten Blüten, denn all zu viel Kleinmaterial bleibt mir da meist nicht über. 

Ein Kilo pro Grow ist aber schon viel. Wie schnell bist du die Menge dann wieder los? Es ist ja gefährlich, solche Massen zuhause in der Küche aufzubewahren

Thomas: Das mache ich auch nicht. Sobald ein Grow durch ist, stehen die Abnehmer schon Schlange. Das heißt: Ich produziere nur extrem selten einen solchen Überschuss, dass ich mir Sorgen machen müsste. In den meisten Fällen ist das von mir produzierte Cannabis an einem einzigen Tag komplett weg. Das habe ich schon so eingerichtet. Was ich schließlich nicht will, ist, dass die Patienten mehrmals die Woche vor meiner Haustür stehen und was zu Rauchen haben wollen. Das würde nicht sehr lange gut gehen. Das ist mir klar.

600 Gramm an einem Tag weg? Meine Güte, musst du aber viele Kunden haben!

Thomas: Nein, eigentlich nicht. Insgesamt sind es weniger als zehn Leute, die ich versorge. Wobei einige dieser Abnehmer wiederum einen guten Teil ihres Materials an andere Patienten abgeben. Das weiß ich zwar nicht offiziell, aber so ist es. Manche meiner „Kunden“, also meiner Patienten, rauchen selber, um ihre Leiden in den Griff zu bekommen, bis zu 20 Gramm am Tag. Da relativiert sich die Menge von 600 Gramm recht schnell.

Das stimmt wohl. Nun hast du aber Familie. Was sagt deine Frau zu deinem Lebensstil? Ganz ungefährlich ist das immerhin nicht, was du da tust.

Thomas: Oh ja. Am Anfang war das auch ein Streitpunkt. „Ich nehme die Kinder und haue ab“, sagte meine Frau damals manchmal. Dabei hatte sie einfach Angst um uns alle. Was soll sie tun, wenn der Papa weg ist – im Gefängnis? Was soll sie den Kindern erzählen, was den Eltern und Schwiegereltern? Ganz zu schweigen von der öffentlichen Hetzjagd, die auf einen gemacht werden würde, der eigentlich Doktor ist, aber als „Dealer“ sein Leben finanziert. Aber im Lauf der Zeit bemerkte meine Frau dann schon, dass sie sich auf mich verlassen kann. Niemand hat bisher irgendwas von meiner „Arztpraxis“ bemerkt. Nicht mal unsere Töchter wissen davon. Und das soll auch so bleiben.

Wieso gehst du dieses Risiko eigentlich ein? Viel Geld verdienst du damit ja nun auch nicht gerade.

Thomas: Na, es reicht schon. Meine Frau arbeitet auch und bringt ein wenig Knete heim, den Rest des benötigten Geldes erwirtschafte ich dann mit meinen Hanfpflanzen. Ich will einfach nicht ins Grab steigen und mir selber vorwerfen, ein Teil dieses beschissenen Systems gewesen zu sein. Ist das einigermaßen verständlich? Als Zahnrad der Maschinerie mit dafür zu sorgen, auf dem Fundament eines verlogenen Gesellschaftssystems die Menschen auszubeuten – das ist nun ganz und gar nicht meine Sache. Dann lieber das Risiko und ein gutes Gewissen. 

Du hast trotz deiner illegalen Aktivitäten ein gutes Gewissen? 

Thomas: Natürlich! Weil ich den Menschen gegenüber ehrlich bin und eben nicht die Maskerade und das Schmierenspiel der Gesellschaft mitmache. Außerdem: Wem gegenüber sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Dem Staat gegenüber? Ich lach mich tot! Dem Gesetz gegenüber? Wohl auch nicht, weil das Betäubungsmittelgesetz in meinen Augen eines der schlimmsten Verbrechen an der Menschheit ist. Und die meisten meiner ach so wohlfeilen Kollegen machen mit. Und das nur, um nach Außen toll dazustehen, um sich eine Yacht und eine fette Villa auf Mallorca hinstellen zu können. Darauf scheiße ich!

Lass uns kurz über die Sorten sprechen, die unter deinen Lampen gedeihen. Ich gehe davon aus, dass du indoor growst?

Thomas: Korrekt. Ich ziehe Cannabis ausschließlich drinnen. Wo genau, mag ich nicht verraten. Da plagt mich dann doch die Paranoia ein wenig. Du schreibst bitte auch nicht, wo ich herkomme?

Um Gottes willen, nein! Wir nennen nicht mal das Land.

Thomas: Das ist gut. Also: Ich baue hauptsächlich Kush-Strains an, ab und zu auch einige gute Haze-Sorten, wobei die mir immer wieder zu mühsam sind in der Pflege und zudem nur wenig Ertrag liefern. Welche Sorten es genau sind, möchte ich auch gern verschweigen, weil ich nicht immer weiß, wo genau mein Gras letztlich hingeht. Wie schon gesagt: Einige meiner Kunden geben ihre Ware ja teilweise weiter. Wenn dann jemand das hier liest und seine Stammsorten erkennt, dann weiß er unter Umständen auch, welche Verknüpfungen er zu ziehen hat. Ich bin da eher vorsichtig – wohl auch ein Grund, weshalb ich schon so lange unbehelligt growen kann. 

Das akzeptieren wir

Thomas: Müsst ihr wohl.

Kein Problem. Wir freuen uns ja, dass du überhaupt bereit bist, ein Interview zu geben. Also thematisieren wir auch nicht weiter die Haschsorten, die du herstellst?

Thomas: Nicht unbedingt. Was wir sagen können, ist, dass ich Eishasch mache. Das ist ja recht unverfänglich. Dazu ist es eine relativ einfache und vor allem ergiebige Art, Dope zu produzieren. Stelle dir vor, ich wolle Charas machen. Was für eine Arbeit! Was für ein Harzverlust! Nein, bei mir wird nur Eishasch hergestellt. Dafür verwende ich jedoch keinen Ice-O-Lator oder sonstige holländisch-amerikanischen Erfindungen, sondern ich bediene mich eines eigenen Konstrukts, das ich vor Jahren mal gebaut habe. Das Prinzip ist aber dasselbe. Extrem simpel, wie auch die holländischen Maschinen. Mit meiner Vorrichtung kann ich drei Sorten Haschisch von unterschiedlicher Güte herstellen. Etwas problematischer im Handling ist es, Haschöl herzustellen, also typisches BHO (Butan Honey Oil). Aber auch darin bin ich seit Jahren geübt – es ist mittlerweile zur bloßen Routine geworden. Außerdem stelle ich auch nicht bei jedem Grow Öl her. Den meisten meiner Abnehmer geht es mit einem herrlichen Weed oder einer potenten Harz-Sorte am besten. 

Wir finden dein Engagement ganz hervorragend, auch deine Art, dein Leben zu gestalten – also eher alternativ und beherzt – sollte vielen Egozentrikern ein Vorbild sein. Hast du den Lesern abschließend noch etwas zu sagen?

Thomas: Ja, ich lebe im Einklang mit der Natur – zumindest, soweit das in unserer Zivilisation möglich ist. Ich versuche, die natürlichen Ressourcen nicht auszubooten, nicht für die Unterwerfung von Lebewesen mitverantwortlich zu sein und so weiter. Deshalb verzichte ich auf jegliches Fast Food, auf sämtliche Erzeugnisse der Massentierhaltung, auf umweltschädliche Energien und so weiter. Wenn alle nur ein wenig tun, um die Situation auf dem Planeten zu verbessern, dann sind wir den ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen. Aber so weit sind wir noch nicht. Wenn die Menschen glauben, die Umwelt schützen zu müssen, weil die – wie ich kürzlich im Fernsehen einen Star-Koch habe sagen hören -  „Natur ein wertvolles Gut“ sei, dann wird klar, dass solche Typen nichts verstanden haben. Wir müssen nicht die Natur schützen, weil sie schützenswert ist. Wenn wir die „Umwelt schützen“ (schreib das bitte in Anführungen), dann schützen wir letztlich nur uns selber bzw. unseren einzigen Lebensraum. Die Natur braucht uns ganz gewiss nicht, aber wir – wir brauchen die Natur. Weil wir ein Teil ihrer sind. Welche Fragen sollten da noch offen bleiben?

* Die Person auf dem Foto ist nicht Thomas. 

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