Ab in die Schale!

Soft Secrets
02 Jun 2011

Cannabis wird nicht nur gegessen oder geraucht, sondern manchmal - wenn auch selten - sogar als Räuchermittel verwendet.


Cannabis wird nicht nur gegessen oder geraucht, sondern manchmal - wenn auch selten - sogar als Räuchermittel verwendet.

Hanf als Räuchermittel

Cannabis wird nicht nur gegessen oder geraucht, sondern manchmal - wenn auch selten - sogar als Räuchermittel verwendet. Nun wird vielleicht mancher die Nase rümpfen und denken, es sei Verschwendung, das gute Gras in die Räucherschale auf die Glut zu werfen. Psychoaktive Räuchermischungen allerdings haben es oftmals in sich. Sie können bei richtiger Anwendung den Geist ebenso erweitern, wie gerauchtes Kraut oder Harz.

Markus Berger

Werfen wir einen Blick auf die lange Tradition des Räucherns von Cannabiskraut, -blüten und -samen. Lassen wir uns inspirieren, dann und wann die ausgetretenden Pfade zu verlassen und Neuland zu entdecken.

Räucherwerk wird schon lange angewendet, Hanf zum Beispiel wird seit über 2000 Jahren geräuchert. Der griechische Historiker Herodot (etwa 490 bis 430 v. Chr.) stellt in seinem Geschichtswerk als erster die schamanische Cannabis-Anwendung als Räuchermittel dar. Die Skythen bauten für Begräbnis- und Reinigungsrituale ein Filzdeckenzelt über einem Feuer auf. In dieses setzten sie sich und warfen Cannabissamen auf die glühenden Steine. Die entstehenden psychoaktiven Dämpfe (THC) wurden dann voller Wohlgefühl inhaliert.

Cannabis indica wurde hauptsächlich in Asien, Cannabis sativa in Europa und Cannabis ruderalis von den Skythen verwendet, wobei nur die Schamanen der mongolischen Skythen den Ruderalhanf rituell nutzen, die der antiken Skythen hingegen Cannabis sativa.



In Indien und Nepal wird der geheiligte und Shiva zugeordnete Hanf bis heute ab und zu geräuchert. Die orale Einnahme und das Rauchen sind aber wesentlich verbreiteter. Cannabisräucherungen werden in Nepal beispielsweise gegen Halluzinationen eingesetzt. Als Gegenmittel bei Vergiftungen räuchert man in Pakistan und Indien mit Haschisch. Die indische Schrift Mahabharata nennt eine Räucherrezeptur aus Cannabis, Lack, Harz und Butterfett. Der genannte Lack ist ein Baumprodukt, das Harz vermutlich indischer Weihrauch. Im alten China verwendete man den ebenfalls heiligen Hanf, als eines der ältesten Räuchermaterialien, zur Geisteranrufung, und auch im alten Orient wurde Cannabis schon im neunten Jahrhundert vor Christus von den Assyrern bei Vergiftungen, zur Geistervertreibung und gegen psychische Leiden geräuchert. Auch in Europa hatte sich ein Brauch entwickelt: „Aus mittelalterlichen Quellen geht hervor, dass bei Festen große Mengen Hanfkraut ins Feuer geworfen wurden, um die Stimmung zu heben. Ähnliche Räuchereien wurden in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert hinein bei der jährlichen Hanfernte durchgeführt" (Rätsch 1996: 87).


Anwendung

Natürlich ist es bei allen vorhandenen Möglichkeiten, welche die natürlichen Ressourcen bieten, auf Dauer langweilig, immer nur Cannabis zu verbrennen. Daher mischt man Räucherungen traditionell schon seit langem aus verschiedenen Kräutern, Harzen, Rinden und Früchten. Grundsätzlich können wir hier stark vereinfacht die diversen Räuchermixturen in drei Kategorien unterteilen, nämlich in rein olfaktorische (den Geruchssinn betreffende), heilende und psychoaktive, wobei die Kategorien sich gegenseitig nicht ausschließen müssen.

Als Räuchermittel eignen sich alle Hanfarten (C. sativa, indica und ruderalis) und Hanfprodukte: Blüten (Marihuana), Blätter und Stengel, Harz (Haschisch) und Samen (auch solche, die als Vogelfutter verkauft werden). Die oftmals im Handel anzutreffenden Räucherstäbchen mit Namen wie „Hanf", „Hemp", „Hennep", „Cannabis", „Canna" oder „Mountain Cannabis" enthalten kein THC und duften auch nur selten wirklich nach Hanf. Besser ist da schon eine Art selbstgemachter Räucherstäbe: Aus frischen Hanfzweigen wird ein mit Naturfaser gebundenes, gleichmäßiges Bündel gefertigt und zum Trocknen ausgehängt. Sobald es trocken ist, kann es wie ein Räucherstab abgebrannt werden. Solche Bündel lassen sich natürlich auch vorzüglich aus Kombinationen verschiedener Pflanzen herstellen.

Zum Abschluss habe ich einige Rezepturen auf Hanfbasis bzw. mit Hanfanteil für Räuchermischungen zusammengetragen. Ich beginne mit meiner Lieblings-Eigenkomposition, deren Zusammensetzung allerdings immer variieren kann. Nicht jeder liebt die wilde Mischung dieser verschiedenen Ingredienzien. Die Wirkung des Rezepts blieb hingegen bislang den wenigsten Probanden verborgen.

1 Teil Marihuana-Blüten Cannabis THC
1 Teil trockene, gemahlene Mohnkapsel Papaver somniferum Opiumalkaloide
½ Teil Löwenohr-Kraut Leonotis leonurus Diterpene, Cumarine
½ Teil Salvia-Blätter Salvia divinorum Salvinorin A
½ Teil Stachelmohn-Kraut Argemone mexicana (Isochinolin-)Alkaloide
¼ Teil Kalmus-Wurzel Acorus calamus Asaron (Eugenol, Safrol)
¼ Teil Galanga-Wurzel Kaempferia galanga ätherisches Öl mit div. Wirkst.
3 bis 5 geröstete Yopo-Samen Anadenanthera peregrina DMT, 5-MeO-DMT, Bufotenin
Beliebig viel Katzenminze Nepeta cataria Nepetalactone

Je nach Verfügbarkeit eigenen sich getrocknete Coca-Blätter, der Fliegenpilz Amanita muscaria und natürlich Copal-Harz zur Ergänzung der Mischung.

Christian Rätsch gibt in der „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen" zwei Anti-Asthma-Räuchermischungen mit Cannabis-Anteil an. Diese sind medizinisch höchst wertvoll.

Asthmazünder „Pressant" (1904)
Nach RÄTSCH 1998: 786

40 % Folia Stramoni (Datura stramonium, Stechapfel-Blätter)
10 % Herba Cannabis indica (Hanf-Kraut bzw. -Blüten)
2,5 % Herba Hyoscyami (Hyoscyamus niger; Bilsenkraut-Kraut)
30 % Kalium nitricum (Kaliumnitrat)
2 % Anethol (aus Anethum graveolens o. ä.)
15,5 % Bindemittel (z.B. Gummi arabicum)
Das Gemsich wird verdampft und bei Asthma inhaliert.


Asthmaräucherpulver „Hadra" (ca. 1920)
Nach RÄTSCH 1998: 786

Diese Rezeptur ist leider nur teilweise erhalten. So finden sich zwar alle Ingredienzien, nicht aber die Dosierungsangaben. Das Asthmaräucherpulver „Hadra" wurde früher ofiziell in Apotheken Mitteleuropas als Asthmamittel verkauft.

Herba Cannabis indica (Cannabis indica), Kraut
Folia Stramoni (Datura stramonium), Blätter
Herba Hyoscyami (Hyoscyamus niger), Kraut
Herba Lobelia (Lobelia inflata), Kraut
Folia Eucalypti (Eucalyptus sp.), Blätter
Kalium nitricum (Kaliumnitrat)
Menthol, ätherisches Öl

Ein weiteres Rezept in Rätschs Buch ist der „Weihrauch, um Visionen zu erschauen". Man nehme gleiche Teile von Sandelholz (Santalum album), Hanfblüten, weibliche (Cannabis sativa), Stechapfelsamen (Datura innoxia oder Datura spp.), eine Prise Veilchenwurzel (Viola odorata L.) und Sandelöl, Benzoe und Tolubalsam zur Aromatisierung.

 

Literatur

Berger, Markus (2003), Eine wenig bekannte Hanf-Spezies: Cannabis ruderalis JANISCHEWSKY, Hanfblatt 05/03: 22-25

Clarke, Robert C. (1995), Skythian Cannabis Verification Project, Journal of the International Hemp Association 2(2): 194

Jettmar, Karl (1981), Skythen und Haschisch, in: Völger, Gisela (Hg.), Rausch und Realität, Band 1: 310-313, Köln: Rautenstrauch-Joest-Museum

Manniche, Lise (1989), An Ancient Egyptian Herbal, London: British Museum

McKenna, Terence (1992), Speisen der Götter, Löhrbach: Werner Pieper and The Grüne Kraft

Rätsch, Christian (1998), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau: AT Verlag

Ders. (1996), Räucherstoffe. Der Atem des Drachen, Aarau: AT Verlag

Thompson, R. Campbell (1949), A Dictionary of Assyrian Botany, London: British Academy

Touw, Mia (1981), The Religious and Medicinal Uses of Cannabis in China, India, and Tibet, Journal of Psychoactive Drugs 13(1): 23-34

 

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